Warum dürfen wir nicht wissen, was unsere Kammern tun?
Österreichs Kammern sind ein wesentlicher Machtfaktor. Trotzdem ist nicht immer transparent, wie und woran sie arbeiten. Die Mitglieder sollten wissen dürfen, was die Kammern mit ihrem Geld machen – sie bezahlen immerhin dafür.
Egal wie man zu den Kammern steht: Sie sind in Österreich Realität. Abgesichert durch die steigenden Beiträge ihrer Pflichtmitglieder haben die Kammern viele Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, und über Mandatsträger und Funktionäre in politischen Parteien beeinflussen sie auch die Innenpolitik. Seit 2008 ist ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft sogar im Verfassungsrang.
„Die Republik anerkennt die Rolle der Sozialpartner. Sie achtet deren Autonomie und fördert den sozialpartnerschaftlichen Dialog durch die Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern.“
Eine Institution, die derartig mächtig und finanzstark ist, braucht Kontrolle. Darum ist es im Interesse der Mitglieder, aber auch aller Bürger:innen, zu wissen, was die Kammern mit ihrem Geld machen. Die Sache ist nur: Das ist nicht so einfach.
Intransparente Kammern
Denn was die Kammern einnehmen, wie viel davon sie ausgeben und vor allem: wofür sie es ausgeben – das ist geheim. Die Kammern müssen ihren Mitgliedern nicht rechtfertigen, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Geprüft werden die Kammern vom Rechnungshof – aber auch das nur eingeschränkt. Denn das Prüfungsrecht beschränkt sich auf die Frage, ob Gesetze eingehalten wurden und ob die Bilanzen rechnerisch korrekt sind. Ob die Mitgliedsbeiträge für Dinge ausgegeben werden, die dem Auftrag der Kammern entsprechen? Das darf auch der Rechnungshof nicht bewerten.
Symbolbild, produziert mit DALL-E 2
Und der Anreiz, das zu ändern, ist gering – immerhin geht ein Teil der Kammerbeiträge an die Parteien. Starke Ergebnisse des Wirtschaftsbundes bei der Wirtschaftskammer-Wahl bedeuten Geld für die ÖVP, starke Ergebnisse bei den Arbeiterkammer-Wahlen sind gute Nachrichten für die Konten der SPÖ. Kammern sind also auch Einnahmequellen. Dadurch bleiben sie eine institutionelle Blackbox, die selbst entscheidet, was eine gerechtfertigte Ausgabe ist, und sich vor niemandem rechtfertigen muss.
Was wir nicht wissen dürfen
Um etwas Licht in die Sache zu bringen, gibt es parlamentarische Anfragen. Mit diesem Instrument können Abgeordnete von Minister:innen Informationen verlangen, für die diese zuständig sind. Damit sind sie ein wesentliches Werkzeug, mit dem die Opposition die Arbeit der Regierung kontrollieren kann.
Eine Serie von 27 Anfragen bringt einen Überblick über die Zahlen der Kammern, aber auch nicht über alle. Auskünfte über die österreichische Notariatskammer sollten etwa vom Justizministerium kommen – dieses fühlt sich aber nicht für die Gebarung, also die finanzielle Kontrolle und Geschäftsführung, zuständig. (§ 153 der Notariatsordnung sieht das anders und spricht von der Justizministerin als „oberste Aufsicht“.) Das gleiche Bild zeigte sich nach den Anfragen bei der Rechtsanwaltskammer.
Noch komplizierter wird es, wenn es um Landeskammern geht. Die Ärztekammern in den Bundesländern sind z.B. nicht durch Anfragen im Parlament, sondern in den Landtagen zu erfragen. In Tirol antwortete die zuständige Landesregierung (in der letzten Legislaturperiode, also vor 2022) so:
„Das Fragerecht der Abgeordneten ist auf den Aufgabenbereich der Landesverwaltung beschränkt. Dieses Fragerecht wird zudem durch den Einflussbereich der Landesregierung eingeschränkt. Dort, wo keine Ingerenz der Landesregierung besteht, kann es somit auch keine parlamentarische Kontrolle durch den Landtag geben.“
Die Zahlen, die man aufwendig bekommt
Wir wissen auch, dass sich die Mitgliedsbeiträge, die durch die Pflichtmitgliedschaft entstehen, stark erhöht haben. 2010 z.B. lag die durchschnittliche Kammerumlage für die Wirtschaftskammer – diese schwankt je nach Gewerbe und Größe der Unternehmen – noch bei 1.006 Euro im Jahr, 2020 waren es schon 1.067 Euro. Der Jahresbetrag der Arbeiterkammer ist im gleichen Zeitraum von 132 auf 167 Euro gestiegen.
Dadurch steigt auch der Umsatz der Kammern: Die Wirtschaftskammer konnte ihren Umsatz von 763 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 887 Millionen im Jahr 2020 steigern, die Arbeiterkammer steigerte sich in zehn Jahren von 375 auf 528 Millionen.
Teilweise wird das auch durch den steigenden Personalaufwand gerechtfertigt. Immerhin hat die Arbeiterkammer 2.776 Mitarbeiter:innen und wendet 45 Millionen Euro im Jahr für Pensionen auf. Bei der Wirtschaftskammer sind es ungleich mehr: 5.079 Mitarbeiter:innen und 65,6 Millionen Euro für Pensionen im Jahr. In den Kammern verdient man immerhin nicht schlecht:
In dieser Tonalität geht es weiter. Durch parlamentarische Anfragen kommt man auf schlichte Grundlagen, die man auch aus Unternehmensbilanzen kennt: Die Zahlen der Mitglieder und Mitarbeiter:innen, die Gehälter, Umsätze, Aufwände nach Kategorie und Überschüsse. All das sind Zahlen, die eine Kammer nicht verstecken muss, wenn sie einigermaßen wirtschaftlich und verantwortlich arbeitet. Warum braucht es also überhaupt das Parlament, um diese Informationen zu bekommen?
Die Kammern sollten ihre Bücher öffnen
All diese Daten müssten eigentlich aus einer Selbstverständlichkeit heraus transparent und öffentlich einsehbar sein. Nicht nur, weil Interessenvertretungen einen Service und Mehrwert bieten sollten – sondern auch, weil die Pflichtmitgliedschaft das nahelegt. Wenn ich mir schon nicht aussuchen kann, ob ich dabei bin, dann sollte ich doch wenigstens Einsicht haben, was mit meinem Geld gemacht wird.
Weitere Jahre der Intransparenz werden nicht helfen, das Vertrauen in die Interessensvertretungen zu stärken – sondern umso mehr die Forderung nahelegen, die Pflichtmitgliedschaft an und für sich abzuschaffen. Um ihre Arbeit zu rechtfertigen, sollten die Kammern also endlich einem modernen Service-Gedanken folgen und zeigen, wie sie ihr Geld ausgeben. Die Zeit ist längst reif für mehr Transparenz. Sind die Kammern bereit dafür?