Wie liberal ist … eine globale Mindeststeuer?
Mit den USA an Bord war der Zug in Richtung globaler Mindeststeuer nicht mehr zu stoppen: Im Oktober 2021 beschlossen die G20-Staaten die wohl tiefgreifendste Neuaufstellung des globalen Steuersystems seit Jahrzehnten. Die von bisher 136 Staaten weltweit mitgetragene Übereinkunft legt nicht nur eine weltweit geltende Mindestkörperschaftsteuer von 15 Prozent für multinationale Unternehmen fest, sondern verschiebt auch die Besteuerungsrechte über einen Teil ihrer Gewinne in jene Länder, in denen diese Gewinne erzielt werden.
Dem Beschluss gingen jahrelange Vorarbeiten vonseiten der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) voraus, die das Ziel hatten, das internationale Steuersystem an das durch Digitalisierung und Globalisierung stark veränderte moderne Wirtschaftsumfeld anzupassen und eine gemeinsame Lösung für die Steuervermeidungspraktiken internationaler Unternehmen zu finden. Die sogenannte 2-Säulen-Lösung – ein global geltender Körperschaftsteuer-Mindestsatz (Säule 1) und die Neuverteilung von Besteuerungsrechten an globalen und digitalen Konzernen (Säule 2) – ist das Ergebnis dieser Bemühungen und soll ab 2023 das internationale Steuersystem neu ordnen.
Was genau ändert sich durch die globale Mindeststeuer für Unternehmen?
Tatsächlich betrifft die neue Mindeststeuer („Säule 2“) nur multinationale Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz. Deren Gewinne sollen ab 2023 weltweit mit mindestens 15 Prozent besteuert werden. Zwar können einzelne Länder Unternehmensgewinne immer noch mit weniger als 15 Prozent besteuern – nur haben Unternehmen davon nicht sehr viel, weil sie die Steuerdifferenz unter dem neuen Abkommen dann in ihrem Heimatland „nachzahlen“ müssen. Mit der Einführung einer global geltenden Mindeststeuer wird es daher schwieriger für Unternehmen werden, ihre Gewinne in Steueroasen zu verschieben und ihre Steuerschuld zu minimieren.
Allerdings bedeutet das auch, dass Niedrigsteuerländer für multinationale Unternehmen als Unternehmensstandorte damit bald nicht mehr so interessant sein dürften. Ein Grund, warum Länder wie Irland – das in den vergangenen Jahrzehnten mit seinen gut ausgebildeten englischsprachigen Arbeitskräften und einer sehr niedrigen Körperschaftsteuer von 12,5 Prozent viele internationale Technologieunternehmen angezogen hat – nur gegen anfänglichen Widerstand an Bord geholt werden konnten.
In einem zweiten Teil des geplanten Steuerabkommens („Säule 1“) werden in Zukunft Gewinne von globalen und digitalen Konzernen nicht mehr ausschließlich in dem Land besteuert, in dem die Unternehmen ihre Firmensitze haben, sondern zumindest zum Teil in jenen Ländern, in denen diese Gewinne erzielt wurden. Konkret heißt das, dass 25 Prozent des sogenannten excess profit (also jeder Gewinn über einer Gewinnmarge von 10 Prozent) in jenen Ländern besteuert werden darf, in denen jene Menschen leben, die diese Produkte und Dienstleistungen nachfragen. Das sind gute Neuigkeiten für Länder mit einer hohen Anzahl an Konsumenten, darunter auch Schwellen- und Entwicklungsländer. Im Gegenzug sollen alle bisher geltenden Digitalsteuern abgeschafft werden. Diese trugen in den letzten Jahren zu wachsenden Spannungen in den internationalen Handelsbeziehungen bei.
Insgesamt erwartet die OECD durch die Maßnahmen ein zusätzliches jährliches Steueraufkommen von rund 150 Milliarden Dollar („Säule 2“) im Jahr. Zudem sollen unter „Säule 1“ ab 2023 Besteuerungsrechte an Gewinnen in Höhe von 125 Milliarden Euro im Jahr neu verteilt werden. Österreich rechnet aufgrund der in Zukunft geltenden Regelung mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 2 bis 3 Milliarden Euro im Jahr.
Reaktionen auf den Vorstoß
„Zudem wollen wir uns gemeinsam mit den USA für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.“ Deutschlands liberale Partei, die FDP (Freie Demokratische Partei), kritisiert in ihrem Wahlprogramm, dass das bestehende Steuersystem zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen mittelständischen Unternehmen und internationalen Unternehmen führt, die das internationale Steuersystem gezielt ausnutzen, um ihre Steuerquote zu minimieren. Im Sinne eines funktionierenden Wettbewerbs müsse daher, so das Argument der FDP, dafür gesorgt werden, dass sich Unternehmen nicht auf Kosten von anderen aus der Steuerlast stehlen können. Eine globale Mindeststeuer sei – so gesehen – eine wichtige Maßnahme.
Für die politische NGO Attac schafft die neue globale Konzernbesteuerung kein gerechtes globales Steuersystem, sondern benachteiligt ärmere Länder. Sie bezeichnet den Vorstoß als „Reform von reichen Staaten für reiche Staaten“. Geht es nach Attac, sollte der Steuersatz für eine globale Mindeststeuer mindestens 25 Prozent sein, zudem sollten alle global erzielten Gewinne eines Konzerns je nach realer Wertschöpfung besteuert werden. Attac nennt das Gesamtkonzernsteuer. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) begrüßt hingegen die Einigung auf den OECD-Vorschlag als „ersten Schritt“ gegen einen „zerstörerischen Steuerwettbewerb“. Den Mindestsatz von 15 Prozent hält die SPÖ allerdings für zu niedrig. Unternehmen müssten mehr zum Erhalt des Sozialstaats beitragen.
Die Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament (EPP) begrüßt die Einigung als entscheidende Möglichkeit, die bestehenden Schlupflöcher im globalen Steuersystem zu schließen. Sie sieht jährlich Milliardenbeträge wegen aggressiver Steuerplanung und Steuervermeidung verschwinden – die Maßnahmen einzelner Staaten allein seien zahnlos, eine internationale Lösung daher unbedingt notwendig.
Was haben Österreichs Unternehmen von der neuen Regelung?
Für Österreichs Betriebe hat die Einführung einer solchen globalen Mindeststeuer Vorteile: Österreichische Klein- und Mittelbetriebe und mittelständige Familienbetriebe tragen derzeit einen wesentlichen Teil der eingehobenen Körperschaftsteuern. Eine globale Einigung in Steuerfragen kann zudem für Unternehmen, die international tätig sind, Vorteile bringen, weil damit auch Doppelbesteuerungsrisiken und potenzielle internationale Steuerkonflikte vermieden werden können.
Selbst nach der Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes würde Österreich im internationalen Vergleich ein Hochsteuerland bleiben. Daher werden wir uns auch in Zukunft vermutlich über andere Standortfaktoren, wie z. B. die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften oder ein besonders effizientes regulatorisches Umfeld im internationalen Standortwettbewerb durchsetzen müssen. Insgesamt ist die Abgabenlast österreichischer Unternehmen nach wie vor zu hoch – insbesondere die hohen Lohnnebenkosten sind ein Problem, auch für die Beschäftigung. Hier gibt es deutlichen und dringenden Reformbedarf.