Wie ÖVP und FPÖ die Medien sehen
Die ÖVP setzt auf Verhaberung und strukturelle Korruption, die FPÖ auf eine rechte Gegenöffentlichkeit. Eines haben beide gemeinsam: Sie sind keine Freundinnen des unabhängigen Journalismus.
Für die Verfasstheit einer Demokratie gibt es wenig Wichtigeres als die Beziehung zwischen Politik und Medien. Im Optimalfall sind die beiden getrennte Systeme: Medien kontrollieren die Politik, und die Politik hält sich bis auf die Schaffung von Rahmenbedingungen aus dem Medienmarkt heraus. Aber Österreich lebt selten im Optimalfall – und das merkt man.
Denn hierzulande sind Medien und Politik, um es freundlich auszudrücken, kommunizierende Gefäße. Die Politik beeinflusst den Markt nicht nur durch die Presseförderung, die für viele Medienunternehmen eine wesentliche Säule der Finanzierung ist, sie sucht auch nach anderen Möglichkeiten. Durch Inseratenkorruption sind viele Medien gleich doppelt von der Politik abhängig, weil Ministerien und parteinahe Institutionen freihändig hohe Werbegelder vergeben können – wer sich mit einer Regierung anlegt, schaut durch die Finger. Und dann wäre da noch die Sache mit den gefälschten Umfragen.
ÖVP: Ist das noch Verhaberung oder schon Korruption?
Wie weit dieses Wechselspiel zwischen Politik und Medien gehen kann, zeigten die längst berühmten Chatprotokolle zwischen dem früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem Vertrauten Thomas Schmid, zuerst im Finanzministerium, dann in der staatlichen Beteiligungsagentur ÖBAG. In aller Offenheit tauschten sich die beiden über die Beeinflussung von Medien aus.
So sprach Schmid etwa mit Rainer Nowak, dem früheren Chefredakteur der „Presse“, offen darüber, eine Geschichte über seine neue Rolle in der ÖBAG abzuschalten. Schmid, der sich als Kurz‘ Interessensvertreter in der Medienlandschaft verstand, sorgte dafür, dass Nowak seine eigene Mitarbeiterin sabotierte.
Der Gipfel der Affäre, der auch den Rücktritt des Bundeskanzlers zur Folge hatte, war das Bekanntwerden des „Österreich-Beinschab-Tools“: Über die Tageszeitung „Österreich“ wurden Umfragen eingehängt, die vom Finanzministerium bezahlt wurden, aber parteipolitische Fragen behandelten. Die Ergebnisse wurden innerhalb der Schwankungsbreite so gerundet, dass Sebastian Kurz besonders herausragende Ergebnisse vorweisen konnte.
FPÖ: Gegenöffentlichkeit und Gleichschaltung
Anders, aber nicht besser ist das Medienbild der FPÖ: Sie setzt nicht auf Verhaberung mit etablierten Medien, sondern baut ihre eigenen auf. Die Feststellung mit einem negativen Verweis mag vom NEOS-Klubmedium Materie merkwürdig wirken – aber die Skala der Medienoperation der FPÖ stellt alle anderen in den Schatten. Denn seit Jahren betreiben die Freiheitlichen nicht nur ihren YouTube-Kanal „FPÖ TV“, sondern unterstützen auch eine ganze Reihe an rechten Blättern, die mit Desinformation und Propaganda auffallen.
Da wäre etwa der rechte TV-Sender „AUF1“, ein Sender, der von Stefan Magnet betrieben wird. Der tauchte schon vor dem Medienprojekt einmal auf dem blauen Radar auf: In Oberösterreich, wo die FPÖ regiert, finanzierte die Landesregierung dessen Agentur. Wie ernst es sein heutiger Sender mit ernsthaftem Journalismus nimmt, wird etwa in einem Doppel-Interview mit Herbert Kickl und der Chefin der rechten Alternative für Deutschland klar, Alice Weidel. Dieses leitet AUF1-Chef Stefan Magnet mit der Ankündigung ein, ausreden zu lassen und keine kritischen Fragen zu stellen, weil das nicht sei, was das Publikum sehen wolle. In der Corona-Pandemie rief Magnet zur Teilnahme an Demos gegen die Corona-Maßnahmen auf, weil die Pandemie eine „groß angelegte Verschwörung der Globalisten“ sei, berichtet das „Profil“.
Aber AUF1 ist nur ein Beispiel der Medienprojekte, die nicht nur positiv über die FPÖ berichten, sondern auch teilweise von ihr unterstützt werden. Einen frühen Start hatte der Blog „Unzensuriert“, der seit mehr als zehn Jahren Falschmeldungen verbreitet und polarisiert. Für die Seite, auf der auch namhafte FPÖ-Politiker wie Norbert Hofer, Martin Graf oder Andreas Mölzer bereits Beiträge geliefert haben, ist nebensächlich, was stimmt – das sagt auch der frühere Chefredakteur der Plattform, Alexander Höferl, später Pressesprecher von Herbert Kickl in dessen Zeit als Innenminister.
„Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen. Im Prinzip wollen wir versuchen, dass wir uns mittelfristig vor allem gegenüber der AfD ähnlich positionieren, wie wir in Österreich gegenüber der FPÖ positioniert sind. (…) Eine reine Positiv-Berichterstattung zu fahren.“
Schwarz-Blau wäre Hiobsbotschaft für freie Medien
Streng genommen haben die beiden Parteien also keine gemeinsame Linie, wenn es um Medienpolitik geht: Die einen setzen auf die Verhaberung und das Kapern des bestehenden Systems, die anderen auf eine Parallelöffentlichkeit. Aber beide haben eines gemeinsam: Eine objektive, freie und unbeeinflussbare Presse ist ihnen kein großes Anliegen. Das zeigen die Interventionsversuche, die Verhaberung in den Chatprotokollen, die rhetorischen Angriffe auf die Medien – und mittlerweile auch die offenen Ankündigungen der FPÖ.
Die will den Vertreterinnen und Vertretern des freien Journalismus nämlich wieder das „Benehmen lehren“. Ein deutlicher Fingerzeig, wohin die Reise gehen soll. Und nicht der erste: Wenn Herbert Kickl auf seinen Wahlveranstaltungen „Machen wir es wie der Orbán“ sagt, sollte man die Drohung dahinter hören. In Ungarn ist der unabhängige Journalismus ausgeschaltet – der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde gekapert, private Medien wurden von Orbán-Freunden aufgekauft, wer kritisch berichten will, findet keinen Job mehr.
Eine Neuauflage einer türkis-blauen Koalition – eventuell auch unter umgekehrten Vorzeichen – wäre also eine Hiobsbotschaft für die österreichische Medienlandschaft. Denn auf das Korrektiv einer schwachen ÖVP zu hoffen, deren Führungspositionen sich selbst mit Vorwürfen der Medienkorruption beschäftigen müssen, gibt wenig Hoffnung. Die langfristige Konsequenz einer solchen Koalition wohl ein Stellvertreterkrieg zwischen der verhaberten und der gesteuerten Öffentlichkeit. Ohne ausgleichendes Korrektiv dazwischen. Und ohne unabhängigen Journalismus.