Was passiert mit den Empfehlungen des Klimarats?
2 Millionen Euro. So viel hat die österreichische Bundesregierung im Jahr 2022 für den Klimarat der Bürger:innen springen lassen. Das Endresultat? 93 Empfehlungen von Maßnahmen für die österreichische Bundesregierung, mit dem Ziel, Österreich bis 2040 zur Klimaneutralität zu verhelfen. Diese wurden am 4. Juli 2022 offiziell übergeben. Wie hat der Klimarat gearbeitet, und was hat sich in den knapp zwei Jahren getan? Ein Rückblick.
Es begann mit dem Klimavolksbegehren im Juni 2020, das von fast 400.000 Menschen unterstützt wurde. Der Nationalrat hat die Bundesregierung mit Entschließung vom 26. März 2021 ersucht, einen Klimarat der Bürger*innen einzurichten.
Es war ein historisches Ereignis – denn zum ersten Mal wurde ein landesweiter Bürgerrat in Österreich installiert. Die Auswahl der Bürger:innen wurde mittels Zufallsprinzip von der Statistik Austria durchgeführt. Der Klimarat spiegelte die österreichische Bevölkerung im Hinblick auf Alter, Geschlecht, höchste abgeschlossene Schulbildung, Einkommen, Regionen, Geburtsland und Urbanisierungsgrad wider. Es wurden auch die Einstellung zum Thema Klimawandel und die Bereitschaft, am Klimarat teilzunehmen, erfragt. Der Klimarat kam an sechs Wochenenden zusammen – jeweils Samstag und Sonntag in Wien oder Salzburg.
„Es hätte eines Klimarates überhaupt nicht bedurft, wenn politische Entscheidungsträger den Warnungen der Wissenschaftler entsprochen hätten.“
Franz Zlanabitnig, Bürger des Klimarats
Wie arbeitete der Klimarat?
Das erste Wochenende in Wien fand noch unter der damaligen 2G+-Regelung statt. Nach der offiziellen Begrüßung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundesministerin Leonore Gewessler gab es das erste Kennenlernen der Teilnehmer:innen untereinander. Es wurden Vereinbarungen fürs Arbeiten miteinander und ein sogenanntes „Wirkungsmanifest“ erstellt, in denen die Teilnehmer:innen die Ziele des Klimarats festlegten. Nach den ersten Einführungsvorträgen von Klimaforscher Georg Kaser und Umweltökonomin Birgit Bednar-Friedl, die auch den wissenschaftlichen Beirat koordinierten, wurden von den Bürger:innen erste Zukunftsbilder eines klimagesunden Österreichs entwickelt: Wie könnte das Leben in einem klimaneutralen Österreich im Jahr 2040 aussehen?
„Die Transformation wird sowieso kommen, die Frage ist nur, ob es ‚by design‘ oder ‚by disaster‘ passiert, ob wir es also mitgestalten können, oder ob es uns um die Ohren fliegt.“
Georg Kaser, Wissenschaftlicher Beirat
Basierend auf dem „Wirkungsmanifest“, Informationsinputs und verschiedenen Vorträgen von Wissenschafter:innen wurden im Laufe der sechs Wochenenden in zehn Arbeitsgruppen Empfehlungen für Maßnahmen erarbeitet. Diese waren aufgeteilt in die Handlungsfelder Mobilität, Ernährung und Landnutzung, Produktion und Konsum, Wohnen und Energie. Die Bürger:innen arbeiteten im ständigen Austausch mit dem wissenschaftlichen Beirat, mit dem klaren Ziel, Maßnahmen zu finden, die helfen, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Am Ende einer jeden Arbeitsphase gab es einen sogenannten Marktplatz: Alle erarbeiteten Ergebnisse des Tages wurden hier ausgestellt, und die „Marktbesucher:innen“ aus den anderen Kleingruppen konnten die Ergebnisse hinterfragen, kommentieren und ergänzen.
Am vierten Wochenende in Salzburg fand der Dialog mit Interessen- und politischen Vertreter:innen statt. Der Wunsch besserer Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg war deutlich spürbar, und das Angebot des Klimarats an die Politik war eindeutig: „Hört auf, an die nächste Wahl zu denken. Traut euch, wir stehen hinter euch.“ In der Vorbereitung auf den Austausch des „Mini-Österreichs“ mit dem „großen Österreich“ wurden Inhalte ausgewählt und auf der Online-Beteiligungsplattform unter dem Titel „Der Klimarat fragt Österreich“ an die österreichische Bevölkerung gestellt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dieser Umfrage wurde weiter intensiv an den Empfehlungen gearbeitet, wie immer im engen Austausch mit den Wissenschafter:innen. Themen wie Gebäudesanierungen und Pendlerpauschale, bei denen Kontroversen sichtbar wurden, wurden separat in Kleingruppen diskutiert.
Am sechsten und letzten Wochenende stand der inhaltliche Abschluss im Vordergrund. Letzte offene Punkte und Formulierungen in den Arbeitsgruppen wurden geklärt, bevor am Samstagabend die finale Zustimmungsabfrage stattfand: Wenn nicht mehr als neun schwerwiegende Einwände eingebracht wurden (die im Sinne der Transparenz formuliert und im Endbericht dokumentiert wurden), galt eine Empfehlung als beschlossen. Das Ergebnis: Der Klimarat nahm alle 93 Empfehlungen an.
Zwischen den einzelnen Wochenenden betrieben einige Bürger:innen aktiv Öffentlichkeitsarbeit in ihrem Umfeld und in ihren Gemeinden, manche organisierten Veranstaltungen, gaben Interviews, führten Gespräche mit Entscheidungsträger:innen und standen für Medien zur Verfügung. Viele waren positiv vom motivierten Arbeitsklima und dem Austausch auf Augenhöhe mit den Wissenschafter:innen überrascht. Für ihre Bereitschaft, am Klimarat teilzunehmen, wurden für die Teilnehmer:innen die Kosten der Verpflegung und Nächtigung sowie Reisekosten und eine Aufwandsentschädigung in der Höhe von 100 Euro pro Wochenende übernommen.
Die Übergabe am 4. Juli 2022
Am 4. Juli 2022 fand in Wien eine Pressekonferenz statt, dann wurde der Endbericht mit den Empfehlungen offiziell an Leonore Gewessler und Martin Kocher, die stellvertretend für die Bundesregierung anwesend waren, übergeben. Leonore Gewessler betonte, dass sie die Ergebnisse des Klimarats ernst nehmen würde, und Martin Kocher bedankte sich für dessen Engagement und Arbeit. Auch Wolfgang Sobotka und Alexander Van der Bellen wurde ein Exemplar des Endberichts überreicht, wobei besonders der Bundespräsident die Wichtigkeit dieser Arbeit betonte.
Im November 2022 kam dann die lang ersehnte Rückmeldung zu den Empfehlungen des Klimarats – die, obwohl sie 130 Seiten lang war, eher ernüchternd ausfiel. Zu einer der Hauptforderungen, nämlich der Einführung des Grundrechts auf Klimaschutz, äußerte sich das Umweltministerium eher pessimistisch, da die Zweidrittelmehrheit im Parlament fehlte. Des Weiteren wurde mehrheitlich auf bereits Erreichtes verwiesen, wie etwa die CO2-Bepreisung, die Forcierung des öffentlichen Verkehrs und die Sanierungsoffensive im Wohnbereich im Rahmen der Umweltförderung. Beim schon lange überfälligen Klimaschutzgesetz blieb man vage. Und obwohl die im Klimarat vertretenen Wissenschaftler:innen auf die Antworten verhalten positiv reagierten, fehlte ihnen doch die politische Ansage.
Und danach?
Durch den Klimarat sensibilisiert und motiviert, schlossen sich einige der Bürger:innen zu einem Verein zusammen, um über den offiziellen Klimarat hinaus für das Klima aktiv zu bleiben. Dazu gehören unter anderem die Organisation von und Teilnahme an Veranstaltungen und Vorträgen in den einzelnen Bundesländern. Außerdem fand am 4. Juli 2023 eine Kundgebung zum einjährigen Jubiläum der Übergabe der Empfehlungen vor dem Parlament statt. Auf übersichtlichen Tafeln wurde gezeigt, dass sich die im vergangenen Jahr wirklich umgesetzten Empfehlungen leider an einer Hand abzählen ließen. Das Signal der Teilnehmer:innen des Klimarats an die Bundesregierung war eindeutig:
„Uns ist bewusst, dass unpopuläre Maßnahmen bei Wähler:innen oft auf Widerstand treffen – und das ist problematisch, wenn eine Regierung nur von einer Wahl zur nächsten, von einer Legislaturperiode zur nächsten denkt. Wir, die Bürger:innen des Klimarats, sind davon überzeugt, dass die Menschen, die Bevölkerung Österreichs, für weitreichende Klimaschutzmaßnahmen bereit sind.“
Bleibt also nur noch die Frage: Ist die Politik es auch?
Alle schriftlichen Informationen und Videos sowie den vollständigen Endbericht des Klimarats finden Sie hier.
AERON TREIBLMAYR, selbst Bürger des österreichischen Klimarats gewesen, studiert Sozialwirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz und engagiert sich auch in der Freizeit für den Klimaschutz – unter anderem im Verein des österreichischen Klimarats der Bürger:innen.