Aufsichtsräte: Ein Plädoyer für Grundqualifizierung
In Unternehmen der öffentlichen Hand spielen Aufsichtsräte eine entscheidende Rolle. Ihre Besetzung erfolgt oft politisch – ein nicht zu kritisierendes Instrument, ist es doch dem Demokratieprinzip geschuldet. Doch genau hier offenbart sich ein kritisches Defizit: Viele Mitglieder solcher Aufsichtsgremien betreten ihre Position ohne grundlegende Kenntnisse ihrer Rechte und Pflichten. Diese Unkenntnis ist nicht allein ihnen anzulasten; häufig sind auch die entsendenden Stellen unzureichend informiert über die Tragweite und Anforderungen dieser Rollen.
Aus eigener Erfahrung in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen weiß ich, dass das Qualifikationsspektrum breit gefächert ist: Von der ausgewiesenen Finanzexpertin bis hin zum Politiker, der ohne qualifizierten Hintergrund seine Meinung durchsetzen möchte. Es ist nicht die Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden, diesen Personen während der Sitzungen Nachhilfe zu geben. Glücklicherweise gibt es eine vorbildhafte Minderheit von Aufsichtsräten in kommunalen Unternehmen, die sich freiwillig weiterbilden und zertifizieren lassen.
Die Verantwortung für eine adäquate Qualifikation liegt auf mehreren Ebenen:
Erste Verantwortung: das Aufsichtsratsmitglied selbst. Es ist unerlässlich, dass Mitglieder eines Aufsichtsrats oder Beirats die Eigenverantwortung für ihre Weiterbildung und Qualifizierung übernehmen. Denn im Fall der Fälle haften sie für ihre Entscheidungen. Unwissenheit schützt nicht.
Zweite Verantwortung: der Entsender. Dieser sollte sicherstellen, dass die entsandten Personen das notwendige Wissen und die Fähigkeiten für ihre Rolle besitzen. Denn die entsandten Personen überwachen letztendlich das Unternehmen des Entsenders.
Dritte Verantwortung: der Aufsichtsratsvorsitzende. Zu seinen Pflichten gehört auch die Förderung der laufenden Weiterbildung der Aufsichtsratsmitglieder. Er muss im Falle einer unzureichenden Qualifikation dafür sorgen, dass diese behoben wird.
Die Mehrheit dieser Gremien findet sich in kleinen und mittelgroßen GmbHs mit kommunalem Auftrag. Die Übernahme solcher Aufsichtspositionen wird oft als Dienst an der Gemeinschaft, dem Land oder dem Staat angesehen. Dennoch ist es entscheidend, dass diese Personen eine praxisnahe und zeitlich umsetzbare Basisqualifikation erhalten.
Eine sinnvolle Lösung könnte die Einführung einer freiwilligen Verpflichtung sein: Innerhalb von sechs Monaten nach Amtsantritt sollte die erforderliche Qualifikation nachgewiesen werden. Ein Modell, das sich bereits bei Aufsichtsräten im Finanzsektor in Deutschland bewährt hat.
Ich bin überzeugt, dass es allen Beteiligten, direkt oder indirekt, enorm zugutekommt, wenn Aufsichtsräte im kommunalen und öffentlichen Bereich verpflichtet werden, innerhalb von sechs Monaten nach Amtsantritt das notwendige Basiswissen nachzuweisen. Diese Maßnahme könnte eine wesentliche Verbesserung in der Effizienz und Effektivität der Unternehmensführung im öffentlichen Sektor bewirken.
VIKTORIA KICKINGER ist Aufsichtsrätin und Unternehmerin. Nach Managementpositionen bei ORF, ÖBB, ÖIAG und Österreichischer Post war sie in zahlreichen Aufsichtsräten tätig, so etwa an der Wiener Staatsoper, dem Burgtheater oder dem Technologiekonzern S&T. Derzeit ist sie im Aufsichtsrat der Polytec Holding AG sowie im Universitätsrat des Mozarteum Salzburg.
2016 gründete sie die Directors Academy Hamburg, eine Online-Weiterbildungsplattform für Aufsichtsräte in Deutschland.