Lasst uns statt dem Staat die Krise spüren!
In einer aktuellen Gallup-Umfrage wird der Sozialismus von 63 Prozent der Befragten entweder als „sehr“ oder „eher positiv“ bewertet. Gleichzeitig wird der Kapitalismus von 56 Prozent der Befragten negativ beurteilt.
Diese Präferenz für einen (sehr) starken Staat ist in Österreich (leider) stark verankert. Gleichzeitig vermittelte die Politik der letzten Jahre, dass der Staat über unbegrenzte Geldmittel verfügt. Dieser Cocktail führt in Zeiten von hoher Inflation zu einer hochgefährlichen Situation.
Papa Staat soll’s regeln
Staatsgläubigkeit ist in Österreich nichts Neues. Lange Zeit lebten wir in einem Staat, in dem alles durch eine der beiden Großparteien kontrolliert wurde – vom Autoverein (schwarzer ÖAMTC und roter ARBÖ) über die Sportclubs (schwarze Union und roter ASKÖ) bis zur Wirtschaft: Man denke nur an den riesigen Sektor der Verstaatlichten, der erst in den Neunzigern langsam privatisiert wurde. Da war es lange Zeit nur naheliegend, dass der Staat für einfach alles zuständig ist. Die zitierte Gallup-Umfrage unterstreicht, dass der Glaube an einen paternalistischen Staat in Österreich ungebrochen ist.
Das spiegelt sich auch in der sogenannten Staatsquote wider. Die Staatsquote gibt das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt wieder – und damit auch, wie stark der Staat in der Wirtschaft eines Landes mitmischt. „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus“, soll der deutsche Altkanzler Helmut Kohl sogar einmal gesagt haben. Österreich hat heute die dritthöchste Staatsquote aller EU-Staaten. Sie liegt in Österreich seit dreißig Jahren beinahe immer über 50 Prozent.
Auffällig ist, dass die Staatsquote besonders nach Krisen steigt – aber nie nachhaltig fällt. So ergibt sich ein bedenklicher Trend: Im Vergleich zu 2001 ist die Staatsquote in Österreich um 4,5 Prozentpunkte gestiegen. Das ist nur logisch: Die Politik hat schließlich kein Interesse daran, neu gewonnene Aufgaben und damit neugewonnene Macht wieder abzugeben, wie die Ökonomin Heike Lehner in der Materie feststellt.
Baby, bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld
„Koste es, was es wolle“: Wir erinnern uns wohl alle noch an diesen Ausspruch des ehemaligen Kanzlers bei der Präsentation des ersten Corona-Hilfspakets. Dieser Satz ist nicht einfach nur ein gelungener türkiser Spin, sondern zeugt von einem neuen Politikverständnis: Geld ist nicht das Problem. Insgesamt hat die Regierung während der Corona-Pandemie satte 85 Milliarden Euro für Corona-Hilfen budgetiert. Die Staatsverschuldung ist zwischen 2019 und 2022 um ganze 70 Milliarden Euro gestiegen.
Andreas Bablers Rede am SPÖ-Parteitag unterstreicht, dass dieses Politikverständnis gekommen ist, um zu bleiben. Zu seinem Ausspruch „Die Frage, wie soll denn das finanziert werden […] ist unmoralisch“, haben die roten Delegierten in Linz besonders laut geklatscht. Begründet hat Babler das unter anderem damit, dass auch die ÖVP während der Corona-Pandemie nicht auf nachhaltige Finanzierung von Hilfspaketen geachtet habe.
Man könnte glatt meinen, die (österreichische) Politik habe sich vom Rapper Cro inspirieren lassen: „Baby, bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld, gib mir nur deine Hand, ich kauf dir morgen die Welt.“ Diese Botschaft hat der österreichische Staat in den letzten Jahren seinen Bürgern gesendet. Und das ging erstmal gut – zumindest auf den ersten Blick.
Die Inflation ist zurück
Zwischen 2008 und 2022 war es für Staaten billig, sich zu verschulden. Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank musste die Republik kaum Zinsen auf ihre Schulden zahlen. Doch seit dem Comeback der Inflation ist alles anders.
Die größte wirtschaftliche Gefahr ist aktuell, dass die Inflation sich perpetuiert und das Wirtschaftswachstum sich gleichzeitig auf einem niedrigen Niveau einpendelt. Volkswirtschaftlich nennt man diese Kombination Stagflation. Um diese Gefahr zu verhindern, braucht es zweierlei.
Einerseits muss die EZB ihrer Rolle als Hüterin der Preisstabilität nachkommen und die Zinsen rasch auch weiterhin erhöhen, bis die Inflation nachhaltig wieder fällt. Die amerikanische Erfahrung in den 1970ern sollte eine Warnung sein. Damals hat die amerikanische Federal Reserve die Zinsen anfänglich zu langsam erhöht und musste sie später auf über 20 Prozent heben. Das führte zu einer starken Rezession, die in Kauf genommen werden musste, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Der damalige Gouverneur der Fed, Paul Volcker, hat das so zusammengefasst: „The standard of living of the average American has to decline.“ So etwas kann nur verhindert werden, wenn die Zinsen so früh wie möglich angehoben werden und den Märkten glaubhaft gemacht werden kann, dass die Zentralbank alles tun wird, um die Inflation nachhaltig in den Griff zu bekommen.
Plötzlich ist Geld ein Problem
Andererseits muss die Politik realisieren, dass Geld derzeit nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. Vereinfacht gesagt gilt: Gibt der Staat mehr aus, steigt die Inflation. Um die Inflation also nicht weiter anzuheizen, muss der Staat sich zurückhalten. Man kann also nicht mehr einfach so Geld auf Probleme werfen.
Gleichzeitig gibt es nicht weniger, sondern eher mehr Probleme. Die in Österreich besonders hohe Inflation ist für viele Haushalte sehr schmerzlich – insbesondere für einkommensschwächere Haushalte, die eine geringere Sparquote haben und dementsprechend nicht auf Erspartes zurückgreifen können. Und dennoch kann der Staat nicht einfach folgenlos die Haushalte mit Geld unterstützen. Obwohl er es versucht hat – man denke nur an alle Transferleistungen der letzten Monate und Jahre.
Eine Untersuchung der liberalen Agenda Austria hat ergeben, dass es sogar einen „Österreich-Aufschlag“ auf die Inflation gibt, der sich unter anderem aus den „Staatsausgaben und überdimensionierten Hilfsprogrammen“ ergibt. Hilfsprogramme, die auch jenen helfen, die es angesichts der Teuerung gar nicht brauchen würden, führen also zu mehr Inflation – und damit im Endeffekt zu mehr Armut.
Und jetzt?
Heißt das, dass der Staat komplett machtlos ist? Nein. Einerseits kann und muss er gezielt die wirtschaftlich Schwächsten unterstützen. Das sollte er aber nicht durch weitere kleinteilige Gießkannenmaßnahmen, wie etwa die Aussetzung einer Gebührenerhöhung oder den Antiteuerungsbonus tun, sondern z.B. durch fokussierte Einmalzahlungen, die Personen erhalten, die bereits bestimmte Sozialleistungen beziehen. Gießkannenmaßnahmen verstärken nur die inflationären Tendenzen und sind damit in der jetzigen Situation kontraproduktiv.
Gleichzeitig sollte der Staat endlich große Strukturreformen angehen, um den Bürgern mehr Leistung zu geben und weniger Geld zu nehmen. Es braucht also mehr Effizienz im Staatswesen, und damit einhergehend niedrigere Steuern. Teure staatliche Strukturen sollten gerade jetzt überdacht werden – es ist Zeit für einen gesamtstaatlichen Sparplan.
Der Ausbau Erneuerbarer Energien muss ebenfalls forciert werden, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Damit kann auch verhindert werden, dass die Energie auch in Zukunft Preistreiber bleibt.
Zum anderen muss aber auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Um das Arbeitskräfteangebot zu erweitern, muss auch das Pensionsantrittsalter weiter angehoben werden. Denn eine Erweiterung des Angebots an Arbeitskräften ist nicht nur für den Umstieg im Kampf gegen den Klimawandel notwendig – sondern auch, um dem Lohn- und Inflationsdruck, der mit einem geringen Angebot einhergeht, entgegenzutreten.
In der heutigen Situation ist die wirklich mutige Politik schlussendlich die, die den Bürgern erklärt, dass der Staat jetzt gerade eben nicht alle Probleme mit Geld lösen kann. Das tut natürlich kurzfristig weh. Aber nur so lässt sich vermeiden, dass wir irgendwann in einer Stagflation mit immer höheren Staatsschulden aufwachen.
Dieser Artikel ist aus einem Antrag zum XXVI. und XXVII. JUNOS-Bundeskongress entstanden. Mein Dank geht an alle Antragsteller (Gregor Stadler, Moritz Mairhofer und Fritz Noske) und insbesondere an Heike Lehner, die uns bei der Entwicklung des Antrags maßgeblich unterstützt hat.