Medienförderung: Was Deutschland von Österreich lernen kann
Deutschland hat eine andere Politik der Zuwendung an Medien und Journalismus als Österreich. Medienpolitik ist dort weitgehend Ländersache, und es gilt bekanntlich das Gebot der Staatsferne. Rundfunk- und Pressefreiheit ist dort vor staatlichen Eingriffen im Grundgesetz geschützt.
In Österreich geht es seit jeher um den gegenseitigen Einfluss von Politik und Medien, wobei Politiker gerne Anzeigen in Medien schalten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Auch öffentliche Stellen wie Regierung, Länder und öffentliche Unternehmen buchen Werbung im Volumen von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Ein Teil davon wird als informelle Medienförderung eingesetzt.
Und doch ist nicht alles schlecht, was aus Österreich kommt. Auch in Deutschland denkt man seit geraumer Zeit über die Einführung einer staatlichen Medienförderung nach. Sollte es wirklich dazu kommen, kann unser Nachbar – nolens volens – von Österreich viel lernen. Was genau?
Medienförderung im historischen Kontext sehen
Medienförderung ist ein komplexes Terrain. In Österreich ist es historisch gewachsen, hat sich aber im Laufe der Zeit stark abgenutzt. In der Politikwissenschaft wird dieser Prozess „Pfadabhängigkeit“ genannt: Man meint damit den Umstand, dass zurückliegende Ereignisse und Prozesse ihren Schatten auf Gegenwart und Zukunft werfen.
Meist sind Akteure beteiligt, die dem jeweiligen politischen System zugeordnet sind. Die Rigidität von Systemen gegenüber Wandel und sich selbst verstärkende Mechanismen führen dann gerne zur Herausbildung eines Pfades, der schließlich in ein „Lock-in“ mündet. In diesem Zustand ist eine Abweichung vom Pfad nur noch sehr schwer möglich.
Österreich hat im Bereich Medienförderung damit viel Erfahrung: Wechselnde Politiker waren pfadläufig wie -brüchig unterwegs. Konzentrationsverstärkende Mechanismen wie die „allgemeine Presseförderung“, die allen Medien unabhängig von ihrer Marktstellung nach dem Gießkannenprinzip Gelder gibt, wurde von Pfadbruchstrategien abgelöst, die in der Lage waren, lähmende selbstverstärkende Mechanismen außer Kraft zu setzen oder in eine neue Richtung zu lenken.
Die Presseförderung begann in Österreich im Jahr 1975, zwei Jahre nach Einführung der Umsatzsteuer auf Printmedien. Seitdem werden direkte staatliche Zuschüsse an alle Tages- und Wochenzeitungen gleich welcher Marktstellung vergeben. Das ist in Europa einzigartig.
War die Presseförderung zunächst nichts anderes als eine Steuererleichterung auf die eben eingeführte Umsatzsteuer für Zeitungen, erhielt sie nach weiteren Novellen 1985 erstmals auch ein qualitatives Kriterium. Zu Beginn profitierten davon Parteizeitungen wirtschaftlich am meisten. Gedruckte Parteimedien sind heute Geschichte.
Mit der Gesetzesnovelle von 1985, der „Besonderen Presseförderung“, die zur „Erhaltung der Medienvielfalt in den Bundesländern“ beitrug und jene Zeitungen erreichen sollte, die von „besonderer Bedeutung für die politische Meinungs- und Willensbildung“ sind, zugleich aber „keine marktbeherrschende Stellung“ innehaben, beschritt man einen ganz neuen Weg.
Um in den Genuss dieses größeren Teils der Förderungen zu kommen, mussten die Zeitungen jährlich Anträge stellen, die von einer Kommission beurteilt wurden. Jährlich bekamen so etwa ein halbes Dutzend Tageszeitungen zwischen etwa einer halben und rund zwei Millionen Euro an zusätzlicher Förderung. Die Kriterien für die Vergabe und die Höhe dieser Förderung war denkbarerweise umstritten und stetiger Kritik aus Parteien und Medien ausgesetzt, was zu häufigen Novellen des Gesetzes führte.
Erst 2004 übernahm die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) die Zuständigkeit über die Presseförderung. Eine wichtige Gesetzesnovelle trat am 1. Jänner 2004 in Kraft. Hierbei wurde die „Allgemeine Presseförderung“ durch die „Vertriebsförderung“ ersetzt (und zugleich von etwa sechs auf 5,5 Millionen Euro reduziert), und die „Besondere Presseförderung“ wurde in die zwei neuen Förderungskategorien „Besondere Förderung zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen“ und „Qualitätsförderung für Presseclubs, Ausbildungsinstitutionen und redaktionsinterne Ausbildungen“ aufgeteilt.
Die letzten Gesetzesinitiativen stellten jedenfalls neue Förderschienen auf, die neben der Bundespresseförderung an gedruckte Kaufzeitungen auch deren digitalen Transformationsprozess unterstützen („Digitaltransformationsförderung“). Seit 2022 zahlt der Bund dafür Gelder an private Print- und Rundfunkmedien aus. Weitere Fördergelder liegen seit 2024 im Topf der „Journalismusqualitätsförderung“, wobei 20 Millionen Euro pro Jahr an diverse Print- und Onlinemedien gehen, vergeben nach der Zahl der vollbeschäftigten Journalistinnen und Journalisten. All diese neuen Förderungen stärken die Medienvielfalt und stellen eine eigenständige Medienlandschaft sicher. Sie sind gelungen.
Dilemmata lösen
Prinzipiell verfolgt Medienförderung ein recht breites Arsenal an Zielen: Sie sichert journalistische Arbeitsplätze, greift umsatzschwachen Presseverlagen finanziell unter die Arme, trägt zum Erhalt der Vielfalt bei und garantiert auch in ländlichen Regionen die Zustellung der gedruckten Kaufzeitung.
Dabei ist Medienförderung zunächst mit einem zentralen Dilemma konfrontiert: Zwar soll der Staat ermöglichen, dass mediale Kommunikation im Sinne der Demokratiebelebung stattfinden kann, er soll sie aber nicht lenken oder gar stören. So gesehen stünde der Staat vor der heiklen kommunikations- wie wirtschaftspolitischen Aufgabe, als Fördergeber die Produktion und den Konsum eines qualitativ anspruchsvollen redaktionellen Angebots gerade auch von traditionellen publizistischen Massenmedieninhalten zu unterstützen.
Solche Eingriffe in den Markt würden zum anderen jedoch die redaktionelle Autonomie von Journalisten und Verlegern gefährden. Dieses Dilemma lässt sich aber lösen. Denn Medienförderung sollte nicht als Subvention einer notleidenden Branche missverstanden werden, sondern eben als „Investition in die Infrastruktur der Demokratie“, wie es der Presseclub Concordia in Wien treffend formuliert hat.
Ziel muss sein, Vielfalt und Qualität in allen Marktsegmenten anzuregen, demokratische und wirtschaftliche Wertschöpfung zu kombinieren, Innovation anzuregen und den Erhalt journalistischer Arbeitsplätze zu unterstützen. Der Fokus bei den Förderkriterien sollte also auf Medien liegen, die demokratiepolitisch relevant sind, ihrer Kontrollfunktion nachkommen und die Zugangschancen an Öffentlichkeit auch für benachteiligte gesellschaftliche Gruppen eröffnen.
Deutschland fördert nun doch nicht
Deutschland hat kein spezielles Gesetz zur direkten Förderung der Presse. Dort ist die im Grundgesetz niedergelegte Pressefreiheit prinzipiengebend. Es besteht in Deutschland nur eine indirekte Presseförderung in Form eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes.
In Deutschland hätte 2021 das Jahr werden sollen, in dem die öffentliche Hand erstmals substanzielle Summen in die direkte finanzielle Förderung des privatwirtschaftlich organisierten Journalismus investieren sollte. Diese Bundespresseförderung wäre dort ein Novum gewesen. Dazu kam es aber bis heute nicht. Das war und ist ein Versäumnis.
In den Jahren 2019 bis 2021 arbeitete das damalige Regierungsbündnis aus Union und SPD noch Pläne zur direkten Presseförderung aus. Der Bundesrechnungshof zerriss aber das Förderkonzept, das Online-Medium Krautreporter drohte gar mit Verfassungsbeschwerde, und selbst die Zeitungsverleger, für die das Geld gedacht war, wollten es am Ende nicht mehr nehmen. Auch im Bundeshaushalt 2024 wurde kein Geld für eine etwaige Bundespresseförderung veranschlagt.
Nochmals: Eine falsche Entscheidung. Denn mit Presseförderung hätte die Politik endlich auch ihre Digitalkompetenz aufrüsten können. Staatliche Presseförderung wird ja vor dem Hintergrund der Verortung des zentralen Problems der Presseverlage, dass Digitalisierung und Medienkonvergenz die Erlössicherung von traditionellen publizistischen Massenmedien substanziell gefährden, umso relevanter. Aber eben auch nicht einfacher.
Kritik am bestehenden System der Presseförderung
Staatliche Medienpolitik steht heute vor großen Herausforderungen. Sie benötigt eine makro-perspektivische Sichtweise über Markt- und Machtverhältnisse im digitalen Zeitalter. Nur so kann man sinnvoll darüber urteilen, welche Bedeutung Medienförderung als Garantie- und Anreizsystem für Demokratie, kulturelle Vielfalt und publizistische Innovation haben kann.
Wie gesagt, Medienförderung ist ein äußerst problematisches Politikfeld. Debatten sind kontrovers und wertstrittig geführt. Staatliche Medienförderung steht dabei als exponiertes Beispiel für den Widerstreit dogmatischer Interessen im Spannungsfeld zwischen Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft. Die angebotenen Systeme werden gerne als ineffizient, unfair und wenig innovativ wahrgenommen.
Aus liberalen ordnungspolitischen Kreisen ist deshalb gerne prinzipielle Kritik an staatlicher Intervention in den freien Marktwettbewerb (und daraus entstehenden Nettowohlfahrtsverlusten) zu hören. Zudem meint man, dass Medienförderung eine Verschwendung von Steuergeldern sei. Durch Subventionen würden Unternehmen am Leben gehalten, deren Produkte vom Markt nicht (mehr) gewünscht werden. Und außerdem würden die Systeme zentrale Schwachstellen betreffend erwünschte Leistungsfähigkeit aufweisen, Lobbys würden sich ungerechtfertigte Zahlungen verschaffen, und es sei überhaupt vielmehr von einem Politikversagen durch „regulatory capture“, also der Einflussnahme durch Lobbying und Klientelpolitik, auszugehen. Das mag alles stimmen. Aber: Wer mehr Medienvielfalt will, muss auch in sie investieren.
Presseförderung ist heute Querschnittsmaterie. Die historisch gewachsene, auch gesetzliche Trennung in Mediengattungen von Print und Rundfunk, ja gar in Presse- und Rundfunkförderung ist in einer konvergenten, digitalen und globalisierten Medienwelt von heute nicht mehr zeitgemäß. Und ebenso verlangen die Besonderheiten des Medienmarkts einen grundlegend anderen, umfassenden Förderansatz. Presseförderung ist Medienförderung ist Demokratieförderung.
Ziele für eine effektive Medienförderung
Effektive Medienförderung muss sich an evidenzbasierten Erfolgskriterien messen lassen. Fehlende Regulierungseffektivität, Mangel an Evidenz zu nachhaltigen Wohlstandsverbesserungen der Marktteilnehmer, aber auch die durch den digitalen Medienwandel hervorgerufenen Veränderungen setzen jedenfalls die Legitimität der staatlich definierten Zielsysteme und eingesetzten Instrumente stark unter Druck. Um die Medienförderung effektiv zu gestalten, wären mehrere Zielparameter wichtig:
- Förderung nachhaltiger Entwicklungsperspektiven im Qualitätsjournalismus
- Fairness der Allokationsmechanismen
- Umfassende Verantwortung gegenüber Stakeholdern
- Transparenz der Mittelbeschaffung, -allokation und -verwendung
- Subventionskontrolle
- Staatsferne
- Innovationsfreundlichkeit der Instrumente
- Treffsicherheit des Mitteleinsatzes
In der digitalen Ära müssen unbedingt auch Konvergenzmedien Fördergelder erhalten, und nicht nur traditionelle Qualitätsblätter mit ihren Online-Auftritten. Unabhängige Blogger und Bürgerjournalisten sollten gefördert werden. Sie haben demokratiepolitische Relevanz und üben eine Kontrollfunktion über dominante Medienangebote aus.
Österreich zum Vorbild nehmen
Es gibt noch viele offene Punkte bei der Ausgestaltung einer zukunftswirksamen Medienförderung – beispielsweise ob das Geld wirklich in gedruckte Zeitungen fließen sollte, oder nicht lieber in innovativen, digitalen Journalismus.
Falsch ist, Österreichs System der Medienförderung grosso modo als marode und fehlgeleitet abzutun. Selbst wenn demokratiepolitisch relevante Nischenmedien zu wenig bis gar kein Geld erhalten, während die ORF-Haushaltsabgabe für erhöhte Inhalte-Konzentration im Nachrichten-Segment sorgt, gibt es Erfolge.
Zahlreiche Medien erfüllen hierzulande öffentliche Aufgaben, die aus Geldern der Medienförderung finanziert werden. Inseratenförderung ist aber kein Heilmittel zur Finanzierungskrise der Medien. Als Einfallstor für Korruption sollte sie rasch abgeschafft werden.
PAUL CLEMENS MURSCHETZ ist Privatdozent für Medienmanagement und Medienökonomie und selbstständiger Medienberater (mmc – murschetz media consulting).