Schulfächer neu denken: Ein Plädoyer für mehr Praxisbezug
In der Regel zwölf Jahre Schule mit abschließender Matura – danach ist man vorbereitet auf das Leben. Zumindest ist das der Idealfall. Das Problem? Der Idealfall ist und bleibt genau das: Ein Idealfall und nicht die Realität. Nach Abschluss der Schule kann man zwar jegliche Art von mathematischer Funktion aufstellen, ableiten und integrieren, aber wie man sich im österreichischen Steuersystem zurechtfindet, wie das Parlament arbeitet oder die Justiz funktioniert, weiß man nicht. Dabei sind das doch genau die essenziellen Dinge im Leben, die ein:e junge:r Erwachsene:r wissen sollte – und in seinem beginnenden Berufs- und Erwachsenenleben benötigt. Richtig erklärt wird einem das System nie, irgendwann muss man es einfach können.
Natürlich gibt es das Elternhaus, aber die wenigsten Eltern bringen ihren Kindern diese Dinge umfassend bei – und selbst wenn, dann ist gerade die „politische Bildung“ durch die Meinung der Eltern stark beeinflusst. Auch die Schule sieht sich nicht wirklich betraut mit dieser Aufgabe. Somit liegt es an den Kindern selbst, sich zu informieren und weiterzubilden. Genau hier liegt aber auch der Haken. Die Webseiten, die angeblich einfach erklären, wie derartige Systeme funktionieren, sind in einer komplizierten Beamtensprache geschrieben, die kein:e 18-jährige:r versteht. Nach einer Zeit vergeht einem die Laune, jeden Begriff nachzuschlagen, weil man kein Wort versteht. Wieder mal eine typische Lösung auf österreichische Art. Zwar könnte man jetzt argumentieren, dass es doch in der Schule Fächer wie „Geschichte und Politische Bildung“ oder „Geografie und Wirtschaft“ gibt, aber aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass ich in diesen Fächern über Politik und Wirtschaft in etwa gleich viel gelernt habe, wie in Mathematik über das Kochen. Es ist also mehr ein theoretischer Lösungsansatz als ein praktischer.
Warum also nicht die Fächer aufteilen oder sogar neue einführen? Zwar müsste man dann wahrscheinlich bestehende Fächer kürzen, aber das kann ja durchaus ein Vorteil sein. Nimmt man als Beispiel das Fach Mathematik, gibt es dort viele Möglichkeiten, den Lehrplan umzuschreiben und neue Themengebiete unterzubringen. Statt intensiver Geometrie oder zwei Jahre lang Funktionen verschiedener Art durchzurechnen, könnte man Steuerausgleich oder Wirtschaftsmathematik behandeln. Eine andere Möglichkeit wäre, Mathematik nur bis zur 6. Klasse als Pflichtfach weiterzuführen, und danach Alternativen wie Wirtschaftsmathematik oder Finanzen anzubieten.
Auch für Fach Geografie genügen vier Jahren Unterricht, und in der Oberstufe könnte man sich vermehrt auf wirtschaftliche Themen konzentrieren. Auch in Biologie braucht niemand in dem derzeitig vorgesehenen Ausmaß über die Zellenbiologie des Menschen zu wissen. Umgekehrt könnten so wichtige Stunden für realitätsnahe Inhalte freigeschaufelt werden.
Hier bietet sich das Themengebiet Politik an. Ob das Fach „Leben in einer Demokratie“, „Parlamentarismus“ oder „Politik“ heißt, sollte eine Nebenrolle spielen. Viel wichtiger ist, sich einen Lehrplan zu überlegen, mittels dem den Schüler:innen möglichst neutral und sachorientiert die verschiedenen Parteien, die dahinterstehenden Systeme oder internationale politische Geschehen näher gebracht wird, ohne politische Positionierung der Lehrkraft.
Damit stellt man sicher, dass sich Jugendliche zumindest ein bisschen in der Politik auskennen und nicht völlig planlos eine Meinung vertretenen, die sie – überspitzt gesagt – von den Eltern übernommen haben.
TERESITA RUDNAY befindet sich in ihrem Gap Year und nutzt die Zeit, um neue Erfahrungen zu sammeln und ein Praktikum im NEOS Parlamentsklub zu absolvieren. Danach plant sie, ein Jusstudium in Wien zu beginnen.