Karin Doppelbauer: „Wir sind vom Gutdünken eines Despoten abhängig“
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine propagiert die Regierung bereits „Raus aus russischem Gas!“. Passiert ist seither wenig, und die Zahlen zeigen ein ernüchterndes Bild: Der Anteil an importiertem Gas aus Russland lag im Dezember 2023 auf einem Rekordhoch von 98 Prozent. Die hohe Abhängigkeit ist aber nicht nur ein moralisches Dilemma gegenüber der Ukraine, sie gefährdet auch die Versorgungssicherheit und beschert uns höhere Gaspreise, sagt Karin Doppelbauer. Sie ist NEOS-Sprecherin für Budget, Finanzen, Energie, Landwirtschaft und den ländlichen Raum – und sie drängt die Regierung auf rasche, konkrete Schritte.
Seit zwei Jahren führt Russland Krieg gegen die Ukraine – und Österreich finanziert diesen fleißig mit, durch hohe Importe von russischem Gas. Müssten wir nicht alleine deshalb schon längst unabhängig davon sein?
Andere Länder haben vorgezeigt, dass es durchaus möglich ist, sich von russischem Gas loszumachen. Kaum ein europäisches Land importiert nach wie vor so viel Gas aus Russland wie Österreich. Wir haben derzeit das Schlechteste aus beiden Welten: die höchste Abhängigkeit von russischem Gas und die höchste Inflation beim Gas in Europa. Um die Menschen und die Unternehmen zu entlasten und Österreich endlich aus Putins Würgegriff zu befreien, führt an einem Ausstieg aus russischem Gas kein Weg vorbei. Hier weiter die Hände in den Schoß zu legen und auf Zeit zu spielen, ist nicht nur teuer, sondern auch sicherheits- und wirtschaftspolitisch fahrlässig.
Das heißt, den Kundinnen und Kunden sollte es auch abgesehen von der moralischen Komponente nicht egal sein, woher ihr Gas kommt?
Keine Diversifikation ist die teuerste Variante, denn russisches Gas ist nicht billig. Dass dieses Scheinargument nicht hält, zeigt allein schon der Blick auf die Gasinflation in Europa. Zwischen Jänner 2021 und Dezember 2023 war sie in Österreich so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. Diese Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten treibt nicht nur die Preise, sondern stellt auch ein erhebliches Risiko für die österreichische Versorgungssicherheit dar.
Ministerin Gewessler hat jetzt eine Diversifizierungspflicht für Gasversorger angekündigt – eine gute Idee?
Eine Diversifizierung wird von NEOS bereits lange gefordert. Insofern begrüßen wir diese Idee auch grundsätzlich. Um einen plötzlichen Preisschock zu verhindern, der mit einem abrupten Stopp der Gasflüsse aus Russland zwangsläufig einhergehen würde, stellt eine Diversifizierungspflicht wohl eine angemessene und verträgliche Möglichkeit dar, den Anteil russischen Gases schrittweise zu reduzieren. Doch diese Maßnahmen hätten besser gestern als morgen umgesetzt werden müssen. Mit dem Auslaufen der Gastransitverträge zwischen der Ukraine und Russland Ende 2024 steuern wir sehenden Auges auf die nächste Energiekrise zu, weil es die Regierung bis heute verabsäumt hat, eine sanfte Transformation einzuleiten. Damit haben wir wertvolle Zeit verloren. Es bleibt abzuwarten, ob die jetzige Ankündigung der Ministerin tatsächlich umgesetzt wird, oder es wieder nur bei Lippenbekenntnissen bleibt. Ein weiteres Zögern könnte verheerende Folgen für Österreich nach sich ziehen.
Wie kann der Ausstieg aus russischem Gas funktionieren? Geht sich das überhaupt aus?
Es war noch nie so einfach für Österreich, aus russischem Gas auszusteigen. Derzeit steht ausreichend Gas am europäischen Markt zur Verfügung, die Großhandelspreise haben fast wieder Vorkrisenniveau erreicht, und die Speicher sind gut gefüllt. Gleichzeitig bereitet die EU einen gesetzlichen Rahmen vor, der den Ausstieg aus russischem Gas ermöglichen soll. Es gibt also keinen Grund mehr, weiter zu zögern und zu zaudern. Für den schrittweisen Ausstieg aus russischem Gas ist alles angerichtet. Die Regierung muss nur endlich ins Handeln kommen. Daher werden wir nächste Woche im Plenum einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen, mit dem wir die Bundesregierung dazu auffordern, das Gaswirtschaftsgesetz zu ändern, sodass eine stufenweise Beendigung russischer Erdgasimporte bis 2027 gewährleistet wird – bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungssicherheit und einem Ausstieg aus dem OMV-Gazprom-Liefervertrag.
Dieser Vertrag wird immer wieder ins Spiel gebracht. Wieso dauert es so lang, einen möglichen frühzeitigen Ausstieg zu prüfen?
Die OMV ist der einzige westeuropäische Energiekonzern, der immer noch einen aufrechten Liefervertrag mit Russland hat und nicht juristisch gegen die einseitigen russischen Lieferdrosselungen 2022 vorgegangen ist. Der privatrechtliche Gazprom-Vertrag ist nur ein Scheinargument, um Österreichs Stillstand beim Diversifizieren weiter rechtfertigen zu können. Alle führenden Expertinnen und Experten sind sich längst einig, dass ein Ausstieg definitiv möglich ist – vorausgesetzt, es gibt den nötigen politischen Willen. Außerdem wird es auf EU-Ebene schon bald noch bessere rechtliche Rahmenbedingungen dafür geben. Über den entsprechenden Vorschlag soll im April 2024 im EU-Parlament abgestimmt und damit den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt werden, Lieferungen aus Russland oder Belarus durch gesetzliche Maßnahmen einzuschränken.
Der Economist hat Österreich einst als „Putins nützliche Idioten“ bezeichnet. Machen wir uns international lächerlich mit unserer Energiepolitik?
Während nahezu alle europäischen Staaten ihren Ankündigungen, sich von russischem Gas abkoppeln zu wollen, auch entschlossene Taten folgen lassen, steckt Österreich den Kopf weiter in den Sand und hofft darauf, dass alles wieder so wird wie früher. Wir überweisen wöchentlich bis zu 250 Millionen Euro nach Russland und sind weiterhin vom Gutdünken eines Despoten abhängig, der den Gashahn jederzeit zudrehen kann. Dies sorgt international zu Recht für Kopfschütteln und beweist einmal mehr, dass die Regierung unfähig ist, Österreich vor der nächsten Energiekrise zu bewahren. Das ist nicht nur lächerlich, sondern auch zutiefst unverantwortlich.