Airbnb: Freiheit oder Verknappung?
Erstmal klingt es logisch: Mit meinem persönlichen Eigentum, in diesem Fall einer Wohnung oder einem Wohnhaus, kann ich machen, was ich will. Plattformen wie Airbnb geben mir die Möglichkeit, mit meinem Eigentum Geld zu verdienen, und verhelfen mir damit zu mehr Unabhängigkeit und Freiheit.
Leistbare, unkomplizierte Unterkünfte, die es ermöglichen, wie ein „Local“ zu leben und die soziale Interaktion mit Einheimischen fördern – auch aus der Sicht der Gäste ist Airbnb eine liberale Art des Reisens.
Das ursprüngliche Konzept von Airbnb, gegründet 2008, war gleichzeitig Namensgeber: Airbed and Breakfast, also Luftmatratze und Frühstück. Man lässt also jemanden bei sich zu Hause auf der Couch, Luftmatratze oder im Gästebett übernachten, gewährt Zugang zur Küche (und eventuell auch zum Inhalt des Kühlschranks), gibt vielleicht noch ein paar „Insider-Tipps“ für den Aufenthalt der ortsfremden Person – und kann sich damit einen kleinen Zuschuss zur eigenen Miete verdienen. Fährt man selbst auf Urlaub, überlässt man eben die gesamte Wohnung in der Zwischenzeit einer Untermieterin oder einem Untermieter.
Künstliche Verknappung
Das ursprüngliche Konzept von Airbnb ist aber nicht nur schlau, weil win-win, es ist auch anfällig für Missbrauch. Dass es nicht lange dauern würde, bis findige Wohnungseigentümer:innen ihre leerstehenden Wohnräume gezielt an Tourist:innen vermieten würden, war abzusehen. Dass schnell weitere Plattformen mit ähnlichem Angebot aus dem Boden sprießen würden, auch. Längst handelt es sich beim Großteil der angebotenen Unterkünfte nicht mehr um Privatwohnungen, sondern um gewerbliche Ferienunterkünfte. Na ja, auch egal – solange ich das entsprechende Gewerbe angemeldet habe, die Wohnung entsprechend umgewidmet wurde und ich meine Einnahmen korrekt versteuere, ist doch alles okay, oder? Könnte man meinen.
Ich meine das aber nicht. Ich meine, die regelmäßige kurzzeitige Vermietung von Wohnraum stellt eine Verknappung des Angebots am Wohnungsmarkt dar, die uns allen schadet. Das marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage wird so künstlich gestört. Denn die Wohnungen gibt es ja, sie werden nur nicht am Wohnungsmarkt angeboten. Das Angebot wird also künstlich klein gehalten, denn wo bereits Wohnhäuser stehen, kann kein weiterer Wohnraum geschaffen werden.
Durch den steigenden Druck auf den Wohnungsmarkt und die steigenden Preise befeuern Airbnb-Wohnungen die Gentrifizierung und Verdrängung aus zentralen Lagen und somit die soziale Ungleichheit. Denn Wohnen ist kein Luxusgut, auf das man halt verzichten muss, wenn man es sich nicht leisten kann. Wohnraum ist ein Grundbedürfnis, und das muss für alle leistbar und zugänglich sein, wenn man gleiche Voraussetzungen für alle schaffen möchte. Die derzeitige Situation am Wohnungmarkt lässt es nicht zu, dass Mieter:innen sich aus den vorhandenen Wohnungen das beste Angebot aussuchen – oft muss einfach genommen werden, was man kriegt. Dass Mieten und Einkommen in völlig unterschiedlichem Maße gestiegen sind, verschärft diese Problematik noch.
„Gleiche Voraussetzungen“ ist auch das Stichwort in Bezug auf Wettbewerbsverzerrung gegenüber der Hotellerie. Schließlich gelten für Hotels und andere gewerbliche Unterkünfte strenge Auflagen – etwa bei Hygienemaßnahmen oder dem Brandschutz –, die bei Airbnb-Wohnungen nicht greifen. Und nicht zuletzt sind die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer:innen bzw. Mieter:innen eines Wohnhauses zu beachten. Denn nicht nur die erhöhte Frequentierung hausfremder Personen inklusive etwaiger Lärmbelästigung und erhöhter Verschmutzung kann zu Beschwerden führen. Auch die Umstrukturierung der Wohngegend durch Anpassung an die Konsum- und Nutzungsbedürfnisse von Tourist:innen stellt einen Konfliktherd dar, der sich auf die gesamte Nachbarschaft ausweiten kann.
Unverhältnismäßige Ungleichheit
Die gewerbsmäßige kurzzeitige Vermietung von Wohnraum wird mittlerweile in vielen touristischen Hotspots reglementiert. Das unterstreicht auch ein Urteil des EuGH, wonach die EU-Länder bei dieser Art der Vermietung eingreifen dürfen, solange sie nicht „unverhältnismäßig“ agieren – weil Wohnraummangel einen „zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ darstellt.
Jetzt ist es natürlich nicht (allein) die Schuld von Vermieter:innen, dass der Wohnungsmarkt kaputt ist. Vielmehr liegt es am Staat, größere Anreize zu schaffen – für den Bau neuer Wohnungen genauso wie für die Vermietung bestehender bzw. leerstehender Wohnräume (auf den wünschenswerten Anstieg leistbaren Eigentums gehe ich hier gar nicht erst ein). Ja, das ursprüngliche Konzept von Airbnb ist liberal, und wenn man will, sogar völkerverbindend. Die künstliche Verknappung von dringend benötigtem Wohnraum zugunsten des Profits Einzelner ist es nicht.