Bablers Murks mit dem Marxismus
Ein Gespenst geht um in der SPÖ: das Gespenst des Marxismus. Mehr als 30 Jahre, nachdem sich die SPÖ von der Sozialistischen in die Sozialdemokratische Partei Österreichs umgetauft hat, dreht sich die mediale Diskussion um einen Kandidaten für den Vorsitz der Partei um die Frage, wie dieser zum Marxismus steht.
Dazu fallen unterschiedliche Antworten: Bei Armin Wolf, der wissen möchte, wie Andreas Babler es mit dem Marxismus hält, der Privateigentum vergemeinschaften und eine Diktatur des Proletariats einführen will, lautete die Antwort: „Natürlich“ sei er kein Marxist, „wenn man das so interpretiert“. Bei Corinna Milborn, die Babler nach der analytischen Brille des Marxismus fragt, klang es noch anders: „Ich bin Marxist.“
Jetzt könnte man das Thema als Treppenwitz abtun: „Sozialismus ist eine wunderbare Idee, die nur in der Realität jedes Mal ein Desaster war“, um Thomas Sowell zu zitieren. Doch Andreas Babler hat mit dem Wort Marxist wohl ein größeres Problem als die meisten Wähler:innen, die für ideologische Systemdebatten normalerweise wenig Begeisterung aufbringen. Aber mit seinen flapsigen Antworten sorgt er dafür, dass die Zweifel an seiner politischen Standfestigkeit gesät sind – selbst der Standard schreibt von Babler als „Schwurbler“.
In einem Wahlkampf, in dem das Wort Klarheit überstrapaziert wird, gerät man schnell in die Defensive: Die SPÖ wolle nach Jahren der Führungsdiskussion endlich eine klare Position, hört man allerorts. Kann die ein selbsternannter Marxist liefern?
Wofür der „Bablerismus“ steht
Bablers Wirtschaftsprogramm ruft an allen Ecken und Enden nach dem starken Staat: beim Wohnraum, bei Energie, bei Lebensmittelpreisen. Auf Twitter schreibt er: „Wir müssen einen Großteil des Bodens der Spekulation entziehen.“ Zur Forderung nach Enteignung ist es da nicht mehr weit. Denn wer einen „Großteil des Bodens“ entziehen möchte, kündigt eigentlich an, dass private Eigentümer:innen mit ihrem Eigentum nicht mehr so verfahren dürfen, wie sie wollen. Bablers großer Sprung in die Medienöffentlichkeit offenbart jedenfalls: In der SPÖ gibt es sehr wohl große Teile, die mit der sozialen Marktwirtschaft nichts anfangen können.
Babler steht für jenen Teil der Sozialdemokratie, der mit der Demokratie seine Probleme hat: Wettbewerb, Eigentumsrechte und Rechtsstaatlichkeit in Wirtschaftsfragen werden hier gerne zur Seite gewischt, als wären es unangenehme Nebengeräusche der Wohlstandsmaschinerie. Dabei ist es die Überzeugung von liberalen Demokraten und Anhängern einer sozialen Marktwirtschaft, dass sie das notwendige Schmiermittel sind, um die Maschine überhaupt am Laufen zu halten.
Doch die österreichische Sozialdemokratie gehört im internationalen Vergleich zu den wenig marktwirtschaftlichen Vertreterinnen ihrer Art. Während schwedische oder dänische Sozialdemokrat:innen natürlich auch eine kapitalgedeckte Säule der Altersvorsorge fordern und ausbauen, verunglimpft die heimische SPÖ jedes Engagement am Kapitalmarkt als „Spekulation“. Wer davon spricht, sich Eigentum aufbauen zu wollen, ist sofort ein „G’stopfter“, während die Länder des Nordens das Immobilieneigentum viel stärker auch in der Mitte fördern.
Sind wir nicht sozialistisch genug, Herr Babler?
Das ist auch deshalb interessant, weil der Staat in Österreich unter den jüngsten Regierungskonstellationen auch ganz ohne SPÖ immer größere Teile der ökonomischen Ressourcen verteilt. Es gibt das Bonmot, als Zitat ist es zu schlecht abgesichert, dass ab einer Staatsquote von 50 Prozent der Sozialismus beginne. Wenn das denn stimmt, dann hat sich Österreich sehr klar wieder in sozialistische Gefilde entwickelt: Rekordhohe Ausgaben für Förderungen und eine Sozialquote von mehr als 30 Prozent des BIP haben die Staatsausgaben massiv steigen lassen – in einem Niedrigzinsumfeld, wohlgemerkt.
Wenn schon die Volkspartei, wahlweise mit Blau oder Grün, derart sozialdemokratische Wirtschaftspolitik des Blähstaates macht, dann muss die sozialdemokratische Partei nun offenbar sozialistische Politik einfordern. Das Team Babler, dominiert von linken Teilen der Wiener SPÖ wie Nikolaus Kowall oder Natascha Strobl, ist eng verflochten mit der Arbeiterkammer und daher stets vorne dabei, wenn Eingriffe oder Umverteilung gefordert werden. Um nun ein klares Alleinstellungsmerkmal in Abgrenzung zu einer wirtschaftspolitisch entkernten ÖVP zu haben, könnte die rote Revolution also parteitaktisch sinnvoll sein.
Anti-europäischer Marxismus
Doch es gibt eine Stärke von Babler, die auch sein großes Problem ist: Er inszeniert sich gekonnt anders, rede nicht wie einer „da oben“, sondern sei einer aus der Basis. Das merkt man auch bei dem jüngst medial aufgegriffenen Video zur EU, ausgerechnet in einem Podcast mit Rudi Fußi und Natascha Strobl. Darin merkt man überdeutlich, wohin eine klar sozialistische bzw. marxistische Ideologie führt: zur direkten Konfrontation mit dem gemeinsamen Europa.
Denn die EU ist eben alles andere ein zentralistischer Sozialismus. Durch Institutionen, eine klare Wettbewerbspolitik und die Regeln des Binnenmarkts existieren einige zentrale wettbewerbliche, liberale Elemente, die Österreich immer wieder zu Reformen und Modernität gezwungen haben: Wir waren z.B. eines der letzten Länder mit einem Privatfernsehgesetz, und auch die Liberalisierung der Energiemärkte wurde nur sehr halbherzig umgesetzt, was uns in der Energiekrise höhere Preise beschert.
Wenn Babler nun die EU als „neoliberalistisches Konstrukt“ verunglimpft, ist er klarer sozialistisch positioniert als durch jede der Forderungen aus seinem Programm. Die Ablehnung der EU ist die Konsequenz seines Weltbilds. Das ist wohl das wahre Gespenst, das derzeit in der SPÖ umgeht. Ein Parteitag, der Babler zum neuen Parteivorsitzenden macht, müsste konsequenterweise als nächsten Schritt auch die Umbenennung in „Sozialistische Partei“ auf die Tagesordnung setzen.