Jetzt wäre die perfekte Zeit für Reformen
Heute, Mittwoch, präsentiert der Finanzminister das Budget für 2023. Und das in einer Phase, in der sich finanzpolitisch so etwas wie ein perfekter Sturm zusammengebraut hat: Die erste Stagflation seit 50 Jahren, also eine Phase hoher Inflation und ohne Wachstum. Eine Energiekrise, in der immer neue Subventionen vorgestellt werden. Und dann kommt noch dazu, dass die Abschaffung der kalten Progression das Einnahmenwachstum schmälert, während die Wertanpassung der Sozialleistungen die Ausgaben und das Ende der niedrigen Zinsen die Ausgaben erhöhen.
Es mag widersprüchlich klingen – aber genau dieser Mix an Herausforderungen sorgt dafür, dass jetzt die perfekte Zeit wäre, um Österreich zu reformieren.
Ein Budget ohne klare politische Antwort
Das Budget 2023 wird unter außergewöhnlichen Vorzeichen vorgestellt: Erstmals seit gut einem halben Jahrhundert befindet sich Österreich unbestritten in einer Stagflation, also einer Phase ohne Wachstum, aber dafür mit einer sehr hohen Teuerungsrate.
Traditionelle Wirtschaftspolitik stößt hier an ihre Grenzen und agiert oft widersprüchlich. Denn die Geldpolitik wird in den kommenden Monaten trotz der Rezessionsgefahr die Inflation bekämpfen und die Zinsen erhöhen. Die Europäische Zentralbank hat nach Monaten des Zögerns in Aussicht gestellt, die Inflation mit weiteren Zinsschritten senken zu wollen, das wird auch die Konjunktur belasten. Die Finanzpolitik wiederum agiert aktuell sehr expansiv: Großzügige Subventionen und Transferleistungen z.B. heizen die Inflation noch weiter an.
Das führt zur absurden Situation, dass konjunkturpolitisch sowohl Gas gegeben als auch gebremst wird. Das sorgt dafür, dass die Inflation wohl noch länger hoch bleiben dürfte.
Prinzipiell sind aber die Staatsfinanzen so etwas wie der geheime Profiteur hoher Inflationsraten. Nicht nur, weil die Steuereinnahmen dank der Inflation auch kräftig sprudeln und einzelne Steuern wie die Einkommen- und Lohnsteuer von der Teuerung überdurchschnittlich profitieren (Agenda Austria). Die kalte Progression verschafft traditionell auch so etwas wie einen „Inflationsbonus“. Dieser wird zwar in den kommenden Jahren immer wieder ausgeglichen, aber kurzfristig winken in einer hohen Inflationsphase deutliche Mehreinnahmen.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Teuerung so schnell steigt, dass die gesetzliche Anpassung der Tarifstufen kaum nachkommt. So sieht das Gesetz für 2022 eine Kompensation der kalten Progression im Ausmaß von 5,2 Prozent vor. Berechnet wird dieser Wert auf Basis der durchschnittlichen Inflation zwischen Juli 2021 und Juni 2022. Nur zwei Monate später liegt der Wert, um den die Tarifstufen steigen müssten, um die Inflationssteuer wirklich abzuschaffen, laut Berechnungen des NEOS Lab aber bereits bei 6,9 Prozent. Will der Staat also die Kaufkraft in der Stagflation schützen, sollte er sie über Steuersenkungen stützen, statt über konsumstützende Gutscheine und direkte Subvention von Energieverbrauch.
Die Schulden werden dank der Teuerung entwertet
Nicht nur die Staatseinnahmen profitieren durch die hohe Inflation. Weil sie mitunter die wichtigsten Schuldner in einer Volkswirtschaft sind, werden die hohen Staatsschulden von einer außergewöhnlich hohen Teuerung mit der Zeit entwertet. Die Schuldenquote – also der Schuldenstand eines Staates in Relation zu seiner Wirtschaftsleistung – wird in einer Phase hoher Teuerung also eher zurückgehen, weil der Nenner (das nominale BIP) deutlich steigt.
Dabei regiert bei der österreichischen Budgeterstellung traditionell das Prinzip Hoffnung, man geht immer davon aus, dass man in den kommenden Jahren die Schulden abbauen werde. Ob die aktuelle Prognose des Stabilitätsprogramms hält, ist offen.
Tatsächlich ist die Inflation aktuell auch wesentlich höher als die Verzinsung lang laufender Staatsanleihen. Das führt dazu, dass die Kosten für den Schuldendienst kaum ins Gewicht fallen. Negative Realzinsen kommen Schuldnern deutlich zugute – und gehen zulasten von Sparern.
Die Zinswende leitet das Ende des Rückenwinds ein
Aber das Budget 2023 ist auch das Ende einer angenehmen Ära für den Finanzminister. Denn in den vergangenen Jahren haben sich die Finanzminister einerseits über die automatischen Mehreinnahmen der kalten Progression gefreut. Die aktuelle Regierung hat sich vorgenommen, zu zwei Dritteln basierend auf einem Automatismus in den kommenden Jahren ohne diese „Inflationssteuer“ auszukommen.
Gleichzeitig werden die Sozialleistungen nun mit der Teuerung angepasst. Das eine wird die Dynamik bei den Steuereinnahmen dämpfen, das andere die Dynamik bei den Staatsausgaben erhöhen.
Dazu kommt noch, dass die Zinskosten erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt deutlich steigen. Nominal werden im nächsten Jahr wohl rund doppelt so hohe Zinsen fällig wie im Vorjahr. Das wird das Budget mit rund 5 Milliarden Euro belasten.
Warum jetzt die perfekte Zeit für Reformen ist
Diese spezielle Situation spricht dafür, dass jetzt die perfekte Phase für strukturelle Reformen wäre. Denn wenn die kalte Progression keinen zusätzlichen „Spielraum“ für den Finanzminister schafft, muss man ihn selber schaffen.
Reformen sollten nicht die Nachfrage erhöhen – und damit die Inflation weiter anheizen –, sondern für budgetäre Spielräume sorgen. Dafür müssen wir z.B. über die Pensionen reden; sowohl darüber, um wie viel wir sie Jahr für Jahr erhöhen, als auch darüber, ob man das Pensionsantrittsalter nicht ehrlicherweise anpassen muss. Aber auch ausgabenseitig gäbe es einiges an Einsparungspotenzial: Wenn man sich die komplexe, föderalistische Ausgabenstruktur im Gesundheitsbereich ansieht, wäre da einiges zu holen.
Man muss politisch nur wollen. Und angesichts der Herausforderungen sollte man das auch. Die US-Ratingagentur Fitch hat etwa gewarnt, dass ohne Reformen der Schuldenabbau stocken könnte und daher seinen Ausblick für das Rating der Republik auf „negativ“ gesenkt.
Zugleich gilt, dass es dringend eine Neuausrichtung des Budgets in Richtung Zukunft braucht. Österreichs Haushalt verfügt über eine vergleichsweise niedrige Zukunftsquote, wie wir in einer aktuellen Studie im NEOS Lab gezeigt haben. Die Bedeutung von Zukunftsinvestitionen und Ausgaben für Elementarpädagogik oder Bildung allgemein bleiben hinter Ländern wie Schweden und Dänemark zurück.
Gleichzeitig subventioniert der Haushalt den laufenden Konsum deutlich. In der aktuellen Stagflationsphase wäre eine deutliche Verschiebung der Ausgaben auf die Zukunft in mehrerer Hinsicht wünschenswert: Anders als die Unterstützung des aktuellen Konsums treiben die Zukunftsausgaben die Inflation nicht weiter an, und sie heben auch das Wachstumspotenzial. Weniger Inflationsdruck und mehr Wachstumselan sind die beiden wichtigen Voraussetzungen, um möglichst rasch aus der Stagflation auszubrechen. Der Finanzminister sollte das aktuell im Blick haben.