Keine Vollzeit ohne Aufstiegsversprechen
Die Teilzeit-Debatte polarisiert. Nach einem Vorstoß des Arbeitsministers, der Vollzeit fördern will, diskutiert man nicht nur in der Politik, wie lange die Menschen arbeiten sollen. Dazu mischt sich eine Diskussion um die 4-Tage-Woche und eine generelle Arbeitszeitreduktion.
Gleich vorab: Ich habe überhaupt nichts gegen Teilzeit. Trotzdem glaube ich, dass jetzt nicht der beste Zeitpunkt ist, über eine generelle Arbeitszeitreduktion zu reden. Der Arbeitskräftemangel macht es Unternehmen ohnehin schon schwer, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, und die Pensionen der geburtenstarken Generationen machen jetzt schon den größten Teil des Budgets aus. Das ist Geld, das uns für Bildung, Klimaschutz und andere Zukunftsinvestitionen fehlt. Wir brauchen also mehr Arbeitsstunden, mehr versteuerte Stundengehälter – nicht weniger.
Trotzdem habe ich Verständnis für alle, die gerade freiwillig Teilzeit arbeiten. Ich betone „freiwillig“ – denn es gibt genug Menschen in Österreich, vor allem Frauen, die einfach keine Wahl haben. Alleinverdienerabsetzbeträge sorgen dafür, dass es steuerlich einfach die bessere Wahl ist, wenn in einer Beziehung nur ein Teil arbeiten geht. Der, oder meistens die andere bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder, wenn das Betreuungsangebot mangelhaft aufgestellt ist. (Und das ist es in vielen Teilen Österreichs.)
Freiwillige Teilzeit also. Das Modell, das sich gerade junge Menschen oft aussuchen. Das gängige Narrativ besagt, sie bevorzugen die „Work-Life-Balance“ und nehmen Gehaltseinbußen in Kauf. Die Rede ist von einer Generation, die sinnstiftend arbeiten und sich nicht totarbeiten will. Das sind alles verständliche Punkte – aber sie lassen einen wesentlichen Faktor aus.
Warum sollten junge Menschen denn Vollzeit arbeiten?
Aus anekdotischer Evidenz können wohl viele bestätigen: Die Generation, die sich heute über die „faule“ Jugend aufregt, ist die gleiche Generation, in der ein Mann mit ungelernter Arbeit eine Familie mit Kindern im Wohneigentum finanzieren konnte. Ein Lebensstatus, der für Jugendliche heute unerschwinglich ist – nicht nur in Wien landet man mittlerweile schnell bei Millionenbeträgen, wenn man im Eigenheim leben will.
Gleichzeitig werden auch die Mieten teurer, genau wie das gesamte restliche Leben. Die Energiekrise und die Inflation verpassen den ohnehin beschränkten Finanzen vieler junger Erwachsener den Todesstoß – das Gehalt reicht zum Leben, zu mehr aber auch nicht. Auch relativ zu den Generationen davor haben sich die Einkommen der Millennials deutlich verschlechtert.
Aus dieser Sicht ist es nur verständlich, wenn viele sich für Teilzeit entscheiden. Wenn der Unterschied zwischen Voll- und Teilzeit keine neuen Optionen im Leben eröffnet, ist es nur logisch, sich für die Variante mit mehr Freizeit zu entscheiden.
Wer Vollzeit fördern will, fördert Aufstiegsmöglichkeiten
Wer also wirklich will, dass die Menschen wieder mehr Vollzeit arbeiten – sei es aus nostalgischer Weltsicht, dass das schon immer so war und alles andere faul wäre, oder aus Sorge um den Sozialstaat –, muss für junge Menschen einen Anreiz schaffen, warum sich das lohnt.
Das heißt, dass sich, um einen beliebten Wahlkampfspruch zu zitieren, Leistung wieder lohnen muss. Solange die Löhne und Gehälter nicht nur kurzfristig von der Teuerung, sondern langfristig durch hohe Steuern und Abgaben aufgefressen werden, bleibt das aber genau das – ein Spruch, mit dem die Illusion von Wirtschaftskompetenz gegeben wird.
Aber nicht nur Steuerreformen wären ein gangbarer Weg. Man kann und soll auch darüber diskutieren, wie Eigentum für junge Menschen wieder leistbar wird. Und zwar nicht nur, indem wir es doch wieder erlauben, sich schon früh über 40 Jahre lang mit hohen Beträgen zu verschulden, die man eventuell nie wieder abzahlen kann. Reformen oder Freibeträge bei der Grund- und Grunderwerbsteuer wären auch einfache Stellschrauben.
Der Fokus der Debatte ist also ein falscher. Teilzeit unattraktiver zu machen, macht Vollzeit nur im Kontrast weniger schlimm – aber immer noch nicht beliebt. Auch Strafen werden an der Mentalität junger Menschen nichts ändern. Dafür braucht es ein neues soziales Aufstiegsversprechen.