Krisensicherheitsgesetz: Regierung setzt auf Arbeitskreise
Corona hat uns gezeigt, was wir in einer Krise brauchen: im Vorhinein ausgearbeitete Notfallpläne, eine klare Kompetenzverteilung mit temporären Durchgriffsrechten über Verwaltungsgrenzen hinweg, und ein mit Kompetenzen ausgestattetes Koordinationsorgan. Das Krisensicherheitsgesetz dagegen bringt uns Arbeitskreise ohne Einbindung des Parlaments: das Schlechteste aus beiden Welten.
Eine Pandemie stand viele Jahre lang hoch oben auf der Liste der wahrscheinlichsten Bedrohungen in der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau des Verteidigungsministeriums. Trotzdem war die Regierung völlig überrumpelt, als Corona ausbrach, und musste im Blindflug arbeiten: Es wurde improvisiert, wo die Informationen zusammenlaufen, wer das Kommando hat oder wer was wann kommuniziert. Der türkise Bundeskanzler und der grüne Gesundheitsminister widersprachen sich öffentlich – sehr zum Schaden der Glaubwürdigkeit der letztendlich in Kompromissen beschlossenen Maßnahmen.
Zur Planlosigkeit kam noch dazu, dass mächtige Landesfürsten sich gegen Maßnahmen des Bundes querlegten, um lokale Interessen zu verteidigen. Die „Corona-Ampel“ wurde in dem Moment überstimmt, als die Lokalpolitik nicht mit den Konsequenzen einer Einstufung einverstanden war.
Wie es zum Krisensicherheitsgesetz kam
Logisch, dass jetzt versucht wird, Österreich für Krisen der Zukunft besser zu wappnen. So kam es schon im Oktober 2021 zu einem Treffen aller Parlamentsparteien, bei dem die ÖVP und die Grünen der Opposition vorschlugen, gemeinsam ein „Krisensicherheitsgesetz“ zu erarbeiten. Doch Corona ebbte ab – und mit der Pandemie schwand der Eifer der Regierung. Ein Jahr lang passierte gar nichts.
Dann kam plötzlich eine Gesetzesvorlage, erarbeitet ohne Einbindung der Opposition, die nichts von dem beinhaltete, was ursprünglich wichtig schien. Im Gesetzesentwurf findet sich ein Krisenstab ohne echte Kompetenzen – ein Wirrwarr an Arbeitskreisen in den verschiedenen Ministerien, und eine Benachrichtigungspflicht gegenüber den Landesfürsten, Städten und Gemeinden. In Artikel 7, der sich über mehr als eine Seite zieht, werden nur Zuständigkeiten, Gremien und Wege definiert. Alles ohne klar definierte Durchgriffsrechte.
Auch enthalten ist das Herzensprojekt des Bundeskanzlers, noch aus seiner Zeit als Innenminister: ein Lagezentrum in Form eines Bunkers im Innenministerium. Als ob die Pandemie uns nur deshalb so schwer erwischt hätte, weil in Wien keine geeigneten Räumlichkeiten für einen Krisenstab zur Verfügung gestanden wären.
Jetzt droht Österreich sich für die nächste Krise in ähnlicher Art vorzubereiten. Denn das neue Krisensicherheitsgesetz ändert nichts am unklaren Informationsfluss, an komplizierten Zuständigkeiten und an mangelndem Risikomanagement. Es wäre nicht weniger als die Wiederholung aller Systemfehler, die während der Corona-Pandemie gemacht wurden.
Was ein Krisensicherheitsgesetz leisten müsste
Ein Krisensicherheitsgesetz, das diesen Namen verdient, müsste mehrere Kriterien enthalten, die im aktuellen Entwurf fehlen.
1. Risiken erkennen und vorsorgen
Ein Krisensicherheitsgesetz muss Bedrohungen prognostizieren, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen einschätzen und Pläne zur Verhinderung, Vorsorge oder Bewältigung erarbeiten.
Einen Teil dieser Arbeit macht das Verteidigungsministerium bereits: Bedrohungen werden identifiziert und nach Wahrscheinlichkeit gereiht, außerdem gibt es regelmäßig Debatten über ihre möglichen Auswirkungen.
Krisenpläne, die die Regierung im Notfall aus der Schublade holen und sofort implementieren kann, gibt es aber nicht – und das, obwohl andere Staaten, wie etwa Taiwan und Südkorea, schon aus SARS und MERS gelernt haben und Pandemie-Notfallpläne bereithalten.
2. Sinnvolle Informationsflüsse ermöglichen
Zweitens: Alle notwendigen Informationen müssen beim Krisenstab zusammenlaufen, die Ministerien müssen zur Weitergabe aller relevanten Informationen verpflichtet werden und auch auf Verlangen Expertise an den Krisenstab zur Verhinderung oder Bewältigung der Bedrohung bereitstellen.
Die Bundesregierung schafft hingegen ein Gewirr an Gremien innerhalb von und zwischen Ministerien – und beruft sich auf die gesetzlich festgelegten Kompetenzen der Ministerien, aufgrund derer niemand von außerhalb Informations- oder Kooperationspflichten einverlangen dürfe. Ein Krisenstab, der nicht einmal die Befugnis hat, Informationen verpflichtend einholen zu dürfen, ist in einer Ausnahmesituation aber nutzlos – und braucht auch keinen 50 Millionen teuren Bunker.
Da der Bundeskanzler als Koordinator der Regierung fungiert, ist ein im Bundeskanzleramt angesiedelter Krisenstab dazu geeignet, Informationsflüsse zu koordinieren, und auch darüber zu wachen, dass alle Ministerien im Falle einer Krise an einem Strang ziehen.
3. Gesamtstaatliche Zusammenarbeit ermöglichen
Drittens: Sobald eine Krise erklärt wird, müssen alle Ebenen des Staates koordiniert zusammenarbeiten, eine Gesamtkoordination über Verwaltungsgrenzen hinweg muss möglich sein. In einer existenziellen Krise müssen sich auch Länder, Städte und Gemeinden den Maßnahmen unterwerfen, die zur Krisenbewältigung notwendig sind – wenn auch temporär beschränkt.
Diese Neuerung wäre übrigens minimal, denn bereits heute obliegt dem Bundeskanzler die „anlassbezogene Koordination innerstaatlicher Maßnahmen zur Bewältigung überregionaler oder internationaler Krisen oder Katastrophen“. Die Länder sind im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung weisungsgebunden.
4. Freiheit auch im Ausnahmezustand sichern
Klar ist aber auch, dass sich Krisen ausgezeichnet eignen, um Bürgerrechte oder die Verfassung auszuhebeln. Daher muss es eine Grundbedingung sein, dass eine Krise ausschließlich mit einer qualifizierten Mehrheit und für einen eng befristeten Zeitraum ausgerufen werden kann – und nur Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise auch für Länder, Städte und Gemeinden verpflichtend sein können.
Schon 2015 erdachte die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein weit überschießendes Gesetz für einen „Ausnahmezustand“, in dem die Regierung die Bürgerrechte einschränken könnte. Auch der Einsatz des Bundesheers über die verfassungsrechtlich gedeckten Hilfs- und Assistenzeinsätze hinaus geht zu weit. Im Gegenteil: Zur Stärkung des Bundesheers sollte man seine Assistenzeinsätze deutlich beschränken. Ständige Einsätze als Hilfspolizei vor Botschaften oder als Assistenzgrenzschutz lenken von den wirklichen Aufgaben des Heeres ab – und sind für Rechtsexpert:innen und auch den Rechnungshof rechtswidrig.
Das Krisensicherheitsgesetz ist mangelhaft
Wichtig wäre ein Krisensicherheitsgesetz zur Vorsorge oder Bewältigung von Bedrohungen, weil wir immer wieder sehen, dass wir trotz Warnungen durch die Sicherheitspolitische Jahresvorschau im Ernstfall dennoch völlig unvorbereitet sind. Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen – aber ein derartiges Gesetz muss Schwachstellen im System mit minimalen Eingriffen in den normalen Ablauf der Regierung des Staates korrigieren. Und darf keinesfalls ein Freibrief für eine Regierungsmehrheit sein, sich der lästigen Opposition zu entledigen.