Österreich war schon mal besser im Bekämpfen der Inflation
Wenn man aus den achtziger Jahren lernen will, merkt man, dass neben der Hochzinspolitik auch liberale Reformen eine große Rolle bei der Senkung der Preise spielten – vor allem mehr Wettbewerb.
Heute aber betont der ÖVP-Generalsekretär im Interview mit der ZIB2, die Inflationsbekämpfung sei Aufgabe der EZB. Die Politik wiederum solle sich lediglich auf die Erhaltung der Kaufkraft konzentrieren.
„Wie es begonnen hat, mit der Inflation schwierig zu werden, haben uns die Wirtschaftsforscher gesagt: Inflationsbekämpfung ist an sich Aufgabe der EZB. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Kaufkraft erhalten bleibt.“
Christian Stocker, ÖVP-Generalsekretär, am 6. Juli 2023 in der ZIB2
Es scheint also, als würde die Bundesregierung die Lektionen der Vergangenheit ignorieren. Sie setzt auf eine schuldenfinanzierte fiskalische Unterstützung, mit der sie die Inflation umso mehr anheizen könnte. Mutlose Politik riskiert einen Vertrauensverlust – und könnte in die Geschichte eingehen als die Periode, in der Österreich die Teuerung nicht in den Griff bekommen hat.
Die Achtziger und heute
Anfang der achtziger Jahre war die Inflation in Österreich in etwa vergleichbar: 6,4 Prozent 1980, 6,8 Prozent 1981 und 5,4 Prozent 1982. Sie war also wie heute: hartnäckig und anhaltend. Aber trotzdem weniger dramatisch – dank einer anderen Fiskalpolitik.
Fragt man beim damaligen Finanzminister Hannes Androsch nach, erklärt dieser: Die grundsätzliche Problematik sei damals die gleiche wie heute, aber die Reaktionen wären grundverschieden. Die rote Regierung war der Meinung, dass der Konsum nicht durch den Staat gestützt werden sollte. Stattdessen investierte Österreich und kurbelte durch Steuererleichterungen auch private Investitionen an. Es ging immerhin auch um Wettbewerbsfähigkeit.
„Ich zahle lieber Investitionen für die Zukunft und halte Leute beschäftigt, als für Arbeitslosenunterstützung aufzukommen und noch dazu weniger Lohnsteuer und Pensionsversicherungsbeiträge einzuheben.“
Hannes Androsch, Ex-Finanzminister (SPÖ)
Neben der Geldpolitik hat Österreich in den 80er Jahren – unter SPÖ-Führung – folgende Maßnahmen ergriffen:
- Liberalisierungsreformen: Durch die Einführung von Wettbewerbsmaßnahmen und Marktliberalisierungen wurde der Wettbewerb erhöht. Dadurch konnten die Preise gesenkt werden, was wiederum die Inflation nach unten drückte.
- Zurückhaltung bei den Ausgaben: Obwohl die Realeinkommen der Haushalte sanken, wurden die öffentlichen Ausgaben zurückgehalten. Das bedeutet, dass der Staat weniger Geld ausgegeben hat, um die Nachfrage zu limitieren – und wiederum die Inflation weiter zu bremsen.
- Förderung von Investitionen statt Gutscheine: Anstatt den Konsum durch staatliche Maßnahmen zu stützen, wurden Investitionen gefördert – also anders, als von Generalsekretär Stocker zitiert. Das geschah durch Steuererleichterungen, um private Investitionen anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Regierungen müssen die Inflation bekämpfen
Aus diesem Teil der österreichischen Geschichte könnte die Bundesregierung viel lernen: Zum Beispiel, dass eben auch der Finanzminister und die gesamte Bundesregierung ihren Beitrag leisten müssen, um die Inflation zu bekämpfen.
Die Chefs der wichtigsten Zentralbanken der Welt warnen, dass ihre Aufgabe noch nicht erfüllt ist – und dass es noch ein langer Weg sein wird, um die Inflation auf das gewünschte Niveau zu senken. Der Tenor war stets: Das Niveau ist hauptsächlich auf die hohen Energiepreise zurückzuführen. Aber nun wird immer deutlicher, dass die zugrunde liegende „Kerninflation“ hartnäckig bleibt.
Inflationsdynamik auf beiden Seiten des Atlantiks
Eine interessante These besagt, dass die Inflation auch von geografischen Faktoren beeinflusst wird. Wenn dies zutrifft, müsste die Inflation im energieabhängigen Europa, das von Russland abhängt, wesentlich höher sein. Tatsächlich war dies eine Zeitlang der Fall.
Jedoch zeigen sich immer mehr Ähnlichkeiten bei den Inflationsproblemen auf beiden Seiten des Atlantiks. In beiden Regionen sind es lokale Dienstleistungen, die die Inflation antreiben. Energie ist davon weniger stark betroffen, als man denken würde. Zwar steigen dadurch auch die Kosten für Unternehmen, die wiederum weitergegeben werden – aber es ist eben nicht nur das. Der Trend deutet darauf hin, dass starke lokale Ausgaben Preiserhöhungen verursachen.
Wenn man dies auf vergleichbarer Basis betrachtet, stellt sich heraus, dass die Kerninflation in der Eurozone höher ist als in den USA, ebenso wie das Lohnwachstum. Das heißt, man sollte die Ursachen auf die Kosten- und Preisdynamik im Dienstleistungssektor suchen.
Behandlung der Baumol’schen Kostenkrankheit
Das Dienstleistungsproblem: ein weiteres interessantes Phänomen, das die Inflation beeinflusst, ist die sogenannte Baumol’sche Kostenkranheit. Baum-was? Baumol! Kurz gesagt beschreibt sie, dass die Kosten für Dienstleistungen im Vergleich zu Gütern steigen, weil die Produktivität bei Dienstleistungen nur begrenzt verbessert werden kann.
Ein Beispiel dafür ist die Musikbranche: Hier steigen die Kosten menschlicher Arbeit, es kann aber nur begrenzt automatisiert werden. Konzerte werden also eher teurer. Die Kosten für elektronische Geräte wiederum sinken – weil technischer Fortschritt zu sinkenden Produktionskosten führt, steigt die Produktivität.
Um die Baumol’sche Kostenkrankheit zu bekämpfen, bedarf es Innovationen und Verbesserungen der Produktivität in der Dienstleistungsbranche. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz neuer Technologien, effizientere Arbeitsmethoden, die Migration von Fachkräften oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erreicht werden. Durch solche Maßnahmen könnte es möglich sein, die Kostensteigerungen in der Dienstleistungsbranche zu begrenzen und eine ausgewogenere wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Der Vorschlag einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist in diesem Kontext äußerst kontraproduktiv.
Die Bundesregierung muss aufwachen
Es ist an der Zeit, aus der Geschichte zu lernen und verantwortungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Inflation zu bekämpfen. Denn anders, als Stocker insinuiert, ist das nicht nur die Aufgabe der EZB – und die Vergangenheit zeigt uns, dass politische Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung auch wirken können.
Eine koordinierte Anstrengung der politischen Entscheidungsträger:innen, der Zentralbanken und der Finanzminister:innen ist notwendig, um das Vertrauen in das politische System wiederherzustellen und die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Nur durch solche Maßnahmen können die Inflationsprobleme erfolgreich bewältigt werden. Die Bundesregierung sollte schleunigst an die Arbeit gehen.