ORF-Landesabgabe: Die Mär vom Mehrwert
Nur noch vier österreichische Bundesländer wollen unbedingt an der Landesabgabe festhalten, anstatt die Menschen in einer Zeit massiver Teuerung finanziell zu entlasten.
Das neue Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich wird ab Jänner 2024 auf neuen Beinen stehen. Die Beine werden zahlreicher, es werden deutlich mehr Haushalte und Betriebe für den ORF zahlen müssen als mit dem bisherigen GIS-Modell. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) argumentiert, dass man in der Smartphone-Ära nicht mehr am Empfangsgerät festmachen kann, wer zahlen soll – und wer nicht. Ihr Gegenüber beim Koalitionspartner, Sigrid Maurer (Grüne), gab zu Protokoll, dass 95 Prozent der Menschen in Österreich unterschiedliche Angebote des ORF konsumieren.
Die Verteilung der ORF-Finanzierung auf mehrere Schultern ist also argumentier- und nachvollziehbar. Nicht zuletzt, weil der ORF damit für alle etwas günstiger wird. Nicht nachvollziehbar ist, dass die damit verknüpfte Landesabgabe in einigen Bundesländern weiterhin eingehoben werden soll. Namentlich in Kärnten, Tirol, dem Burgenland und der Steiermark. Oberösterreich und Vorarlberg heben gar keine Landesabgabe ein, Niederösterreich verzichtet bald darauf, auch Salzburg wird zumindest im Jahr 2024 darauf verzichten. Die Wiener Stadtregierung gab kürzlich bekannt, die Abgabe generell abzuschaffen.
Was hinter der Landesabgabe steckt
Unter der ORF-Landesabgabe versteht man eine Art Zusatzsteuer, die in der Steiermark bundesweit mit 6,20 Euro pro Monat am höchsten ausfällt. Beschlossen im Jahr 1975, wurden den Steirer:innen auf diese Art schon mehr als 700 Millionen Euro aus der Tasche gezogen – ohne dass der ORF davon auch nur einen Cent gesehen hätte. Für Irritationen sorgt dabei, dass das für viele Bürger:innen nicht deutlich erkennbar war und bis heute nicht ist. Daher war lange Zeit auch nicht klar, wofür die Landesregierungen ihre Mehreinnahmen verwenden.
Am Beispiel Steiermark lässt sich beobachten, dass es heute nicht mehr ganz so einfach ist, völlig ressortfremde Zusatzabgaben einzuheben. Mittlerweile sind die Einnahmen zweckgewidmet: Mit dem Geld wird vor allem der Kulturbetrieb kofinanziert, auch Sport. Das war lange Zeit nicht der Fall, und damit war die Landesabgabe eine Art „Körberlgeld“ für allfällige Budgetlöcher oder Leuchtturmprojekte. Ein Umstand, der in Zeiten massiver Teuerung kaum noch zu argumentieren ist.
Dazu kommt, dass die Liaison aus ORF-Gebühr und Landesabgabe zwar künftig geringer ausfallen, dafür aber von deutlich mehr Menschen zu entrichten sein wird. Bundesweit könnte es 525.000 zusätzliche Haushalte treffen, insgesamt wären das dann bis zu 3,7 Millionen Haushalte. Die Zahlen sind geschätzt, die GIS macht aus ihren Kund:innen und Einnahmen ein Geheimnis.
Kultur ja, aber bitte aus dem Budget
Trotzdem – oder gerade deshalb – will etwa der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) noch immer nicht von der Landesabgabe abrücken. Ansonsten, so Drexler, würden Kunst und Kultur im Land darben. Ein Drittel der für den Kulturbereich reservierten Gelder kommt aus dem Landesabgabe-Topf. Dass die Kulturszene in Vorarlberg oder Oberösterreich vital und gut ausgestattet ist, obwohl dort keine Landesabgaben eingehoben werden, lässt der LH unerwähnt.
Und natürlich hält dieses Scheinargument, mit dem zugleich Künstler:innen und Kultur-Akteur:innen gegen Abgabe-Kritiker:innen aufgewiegelt werden, einer näheren Betrachtung nicht stand. Denn ohne Landesabgabe müssten Kultur und auch Sport natürlich trotzdem finanziert werden – allerdings über fixe Zuweisungen aus dem offiziellen Budget, nicht über zusätzliche Zwangsabgaben. Das wäre dann ein aufrichtiges Bekenntnis zur steirischen Kunst und Kultur. So wie es die Menschen in dieser identitäts- und diskursstiftenden Branche auch verdienen würden.