Peter Westenthaler – eine Drohung für den ORF
Sag, wie hältst du’s mit dem ORF? Diese Frage bestimmt immer wieder die politische Debatte. Denn ob es um Social-Media-Postings von ORF-Angestellten oder die Sitcom-Dichte auf ORF1 geht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Reizthema.
Der ORF ist aber auch immer Gegenstand der Politik – ob er will oder nicht. Denn sein wichtigstes Gremium, der Stiftungsrat, wird nach wie vor durch die Politik beschickt. Das sorgt nicht nur dafür, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF mit Interventionen auseinandersetzen müssen. Es ist auch deshalb keine gute Lösung, weil sich der Stiftungsrat eigentlich mit der wirtschaftlichen Zukunft des Rundfunks befassen sollte, nicht mit politischen Interventionen – was in der Praxis aber oft der Fokus ist.
Und dieser Stiftungsrat hat in Kürze ein neues Mitglied: Peter Westenthaler.
Ex-Politiker mit Hang zur Intervention
Peter Westenthaler ist ein Name, der politisch interessierten Menschen schon öfter untergekommen sein kann. Der Politiker vergangener Tage war zuerst Gemeinderat in Wien, später wechselte er in den Nationalrat. Dort war er Klubobmann der FPÖ-Fraktion unter Jörg Haider, bevor die beiden sich von den Freiheitlichen abspalteten und das BZÖ gründeten.
Das BZÖ gibt es heute nicht mehr – Westenthaler schon. Neben mehreren Auftritten bei OE24-TV war er etwa auch bei Alles Roger tätig. Das Magazin wurde vom Mauthausen-Komitee als „tendenziell antisemitisch“ bezeichnet und verbreitete Verschwörungstheorien über geheime Eliten, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Medien aus dem rechten Spektrum, die Desinformation und russische Propaganda verbreiten, gibt es viele – finanziert werden sie oft über Inserate der FPÖ und ihrer Vorfeldorganisationen. Daher wenig überraschend: In der türkis-blauen Regierung gab es auch Steuergeld für Alles Roger.
Und auch mit dem ORF hat Peter Westenthaler bereits Erfahrung gemacht: Schon im Jahr 1999 wurde er von der FPÖ in das oberste Gremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsandt. Dort war er gleich an zwei „Umfärbungen“ beteiligt, also an zwei parteipolitisch gesteuerten Ernennungen an höchster Stelle. Zuerst setzte die erste schwarz-blaue Bundesregierung Österreichs Monika Lindner im ORF ein, bevor Westenthaler später – schon beim BZÖ – die SPÖ mit ihrem Wunschkandidaten Alexander Wrabetz unterstützte.
Westenthaler will den ORF umfärben
Genau die gleiche Entwicklung wie damals könnte auch heute drohen: In einem Interview mit dem Standard kündigt Westenthaler an, schon bald mit einer Neuwahl im ORF zu rechnen. Immerhin zwinge ein VfGH-Urteil die (momentan noch) türkis-grüne Bundesregierung, ein neues ORF-Gesetz vorzulegen. Und damit würde auch das Spitzenpersonal neu besetzt werden.
Die nächste Regierung, egal wer sie ist, muss ein neues ORF-Gesetz machen, mit so vielen Änderungen, dass auch das Management neu gewählt wird. Es wird eine Neuwahl im ORF geben, spätestens in 15 Monaten. Ich bin fest davon überzeugt. Das ist das Gleiche, wie wir es 2001 gemacht haben.
Peter Westenthaler
In 15 Monaten wird es in Österreich aber eine neue Bundesregierung geben – denn spätestens im Herbst wird der Nationalrat neu gewählt. In den Umfragen werden Westenthalers Partei deutliche Zugewinne vorhergesagt. Seine Bestellung ist also kein Zufall: Die FPÖ rechnet sich aus, schon bald mitentscheiden zu können, wer den ORF führt. Und besetzt eine Schlüsselposition mit jemandem, der Erfahrung hat – denn laut einer Aussendung des ORF-Redaktionsrats sparte der Ex-Politiker auch bei seinem letzten Stelldichein nicht mit Interventionsversuchen.
Ein Warnschuss des autoritären Mediensystems
Gut, das alles ist nichts Neues: Der ORF wird seit jeher parteipolitisch besetzt, er führt einen permanenten Abwehrkampf gegen politische Interventionen. Aber besonders bedroht ist er, wenn die FPÖ das Sagen hat. Diese will nicht nur die Haushaltsabgabe abschaffen, um den ORF aus dem Budget zu finanzieren – was, je nach Ausgestaltung, den ORF erpressbar machen könnte. Sondern sie beschwört auch immer wieder Viktor Orbán als Vorbild: und damit einen Todesstoß für unabhängigen öffentlich-rechtlichen Journalismus.
Denn in Ungarn stand mit dem Wahlsieg von Viktor Orbán eine „Armee“ bereit, die den ungarischen Rundfunk unterwandern sollte. Kritische Journalistinnen und Journalisten wurden gekündigt, viele andere wurden schikaniert, bis sie von selbst das Handtuch warfen. Davon erzählt auch Krisztina Rozgonyi, die frühere Leiterin der ungarischen Telekom-Regulierungsbehörde, im Materie-Podcast: Heute gibt es in Ungarn kaum noch Journalismus, der sich traut, Orbán und sein System zu kritisieren.
Und genau aus diesem Grund ist die neueste FPÖ-Postenbesetzung relevant. Sie bietet nicht nur einen neuen Anlass, um über Medienpolitik und die parteipolitische Einflussnahme auf den ORF zu sprechen – sie zeigt auch ganz deutlich, wohin die Reise geht. Peter Westenthaler, der mit Interventionen nie gespart hat und einen deutlichen Einfluss ankündigt, soll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Linie bringen. Und wenn die FPÖ in der nächsten Bundesregierung vertreten sein sollte, könnte der ORF schon bald deutlich mehr Druck ausgesetzt sein. Und im schlimmsten Fall „auf Linie“ gebracht werden.