Benko kam, sprach überraschend viel – und sagte wenig
Selbst kurz vor Sitzungsbeginn herrscht noch Rätselraten: Kommt er diesmal? Als René Benko an diesem letzten U-Ausschusstag tatsächlich erscheint, folgt eine lange, zermürbende Befragung – mit wenig Erkenntnis.
Es ist ungewöhnlich ruhig im Lokal 1, dem Sitzungssaal des U-Ausschusses. An den meisten anderen Befragungstagen überwiegt in der Früh, vor Sitzungsbeginn, eine heitere Stimmung. Abgeordnete und Mitarbeiter:innen aller Fraktionen und der Parlamentsdirektion pflegen ein beinahe freundschaftliches Verhältnis – was nicht verwundert, immerhin hat man schon viele, teils lange, Tage gemeinsam in diesem Raum verbracht.
Aber an diesem letzten Tag des COFAG-U-Ausschusses, dem Ersatztag, liegt eine gewisse Anspannung im Raum. Oder ist es Ehrfurcht? Es ist der Tag, an dem er kommen soll. Der Mann, der seit Beginn des U-Ausschusses auf sich warten ließ: René Benko hat sich angekündigt.
Als Benko das Lokal betritt, ist es mucksmäuschenstill. Das bleibt auch eine ganze Weile so, als die Befragung schon begonnen hat. Die üblichen Zwischenrufe oder launigen Sticheleien unter den Fraktionen finden anfangs überhaupt nicht statt. Erst als deutlich wird, wie träge die Befragung ablaufen wird, lockert sich die Stimmung.
Benko berät sich, wieder und wieder
Als Andreas Hanger als erster Abgeordneter die Befragung aufnimmt, muss er gleich bei der ersten Frage den Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand erklären. Das wird sich in der gesamten Befragung durchziehen: Auch Benko selbst will bei vielen Fragen keinen Zusammenhang erkennen und versucht so, eine Beantwortung zu umgehen.
Die andere, noch zermürbendere Taktik: Nach fast jeder Frage berät sich Benko zuerst mit seiner Vertrauensperson, seinem Anwalt Norbert Wess. Dabei beugen sich die beiden oft so weit nach vorne, dass es so aussieht, als würden sie unter dem Tisch nach einer Antwort suchen. Norbert Hofer, der an diesem Tag den Vorsitz innehat, lässt daraufhin unzählige Male die Sitzung unterbrechen – damit die Beratungszeit nicht zulasten der Befragungszeit geht.
Selbst auf simple Fragen wie „Haben Sie Wahrnehmungen, ob Person XY bei diesem Termin anwesend war?“ folgen minutenlange Beratungen, um sich letztlich nicht mehr erinnern zu können oder aufgrund laufender Verfahren zu entschlagen. Das ist zulässig, sofern man sich mit einer Antwort selbst belasten würde.
Weitere Methoden, um potenzielle Befragungszeit verstreichen zu lassen: Benko wartet oft lange nach dem Ende einer Frage, bis er mit seiner Antwort beginnt, was immer wieder zu Irritationen bei den Fragenden führt. Oder er lässt nach einer langen Beratung die Frage von den Abgeordneten wiederholen – „Natürlich, nach so einer langen Zeit weiß man die Frage gar nicht mehr“, stichelt einmal Kai Jan Krainer (SPÖ).
Dennoch ist Benko bemüht, den Eindruck zu vermitteln, er würde eh gerne antworten – da es aktuell aber „zahlreiche Anzeigen und Ermittlungsverfahren“ gegen ihn gäbe, so Benko bereits im Eingangsstatement, könne er leider, leider inhaltlich nicht viel beitragen. Und obwohl er an diesem Befragungstag überraschend viel spricht, behält er damit recht. Denn erkenntnisbringend ist letztlich vor allem das, was Benko nicht sagt.
Nervosität bei Türkis und Rot
Langsam wird es unruhiger im Lokal. Während der minutenlangen Beratungen von Benko und seinem Anwalt wird mittlerweile lauter getuschelt, Abgeordnete und andere Fraktionsmitarbeitende stehen auf, gehen zum Telefonieren raus, snacken. Die langen Wartezeiten lassen einige ungeduldig werden.
Benko wird mit zunehmender Befragungsdauer lockerer. „Kennen Sie den Gardasee?“, fragt Kai Jan Krainer. „Ja, ich kenne den Gardasee, ich kann ihn auch relativ genau auf einer Karte einordnen“, sagt Benko süffisant. „Heute ist aber die ÖVP-Fraktion nervöser als sonst“, hört man Christoph Matznetter (SPÖ) halblaut sagen, denn auf der anderen Seite des Lokals (bei der ÖVP) wird ebenso halblaut die Gardasee-Frage moniert. Es dauert noch eine Weile, bis auch die SPÖ unruhiger wird – nämlich, als es in der Befragung vonseiten der FPÖ um Alfred Gusenbauer und seine Rolle in der Signa geht.
Dieser Themenkomplex bringt wieder Diskussionen um die Zulässigkeit von Fragen mit sich. Was auch hier auffällt: Norbert Hofer ist die gesamte Befragungsdauer hindurch bemüht, die Fragen der Abgeordneten zuzulassen und versucht teilweise sogar, sie für Benko einfacher zu formulieren. Auch gegenüber Benko zeigt sich Hofer sehr verständnisvoll. Bei einer unrechtmäßigen Entschlagung sagt er zu Benko, man sehe, dass er sich bemühe, die Fragen so weit wie möglich richtig zu beantworten, und werde wegen dieser einen unrechtmäßigen Entschlagung wohl keine Beugestrafe beantragen. Bei dieser einen bleibt es dann aber nicht.
Tatsächlich ist es nicht nur für Benko selbst, der „kein Jurist“ ist, wie er sagt, sondern auch für seine Vertrauensperson und die Verfahrensrichterin immer wieder schwierig, den exakten Grund für die Entschlagung zu nennen, was auch an der Vielzahl der Verfahren gegen Benko liegt. Immer wieder wird daher diskutiert, welche Entschlagungsgründe es überhaupt gibt, welche auf Benko zutreffen und welche bei welcher Frage „angewandt“ werden können. Die Diskussionen sind ermüdend. Als Christoph Matznetter gegen 13:30 Uhr einnickt und einen kurzen Powernap einlegt, können das wohl viele im Raum nachvollziehen.
Beugestrafen und Danksagungen
Die letzte Befragungsrunde hat Yannick Shetty (NEOS) inne, und sie ist der Höhepunkt der Entschlagungen. Zuerst geht es um die Rolle Benkos bei der Signa und ob er nicht vielleicht doch faktischer Geschäftsführer war, danach um Benkos Hotel Chalet N. Benko weigert sich zu antworten, was eine Geschäftsordnungsdebatte und die erste Stehung des Tages bringt. Letztlich wird entschieden, dass eine Entschlagung hier nicht zulässig ist. „Sie müssen antworten“, sagt Hofer zu Benko, der zunehmend genervt wirkt, und stellt eine Beugestrafe von bis zu 1.000 Euro in den Raum. Er sagt das fast entschuldigend, als tue ihm das wirklich leid oder sei ihm zumindest sehr unangenehm. Es folgen noch weitere Anträge für Beugestrafen, weil Benko sich wiederholt unrechtmäßig entschlägt.
Es wirkt grotesk, als sich Norbert Hofer und die Verfahrensrichterin am Ende dennoch bei Benko dafür bedanken, dass er sehr viel mehr geantwortet habe als erwartet. Ganz so, als müsse man ihm dafür dankbar sein, dass er überhaupt vor dem U-Ausschuss erschienen ist.