Viktor Orbán – Putins nützlicher Vasall
Ungarns Regierungschef ist seit Jahren der Gottseibeiuns der EU-Politik. Es gibt kaum ein großes Thema bei den EU-Gipfeln, bei dem Viktor Orbán nicht bremst, für Verstimmung oder Unruhe sorgt. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist Orbáns Kurs aber noch gefährlicher geworden – als Putins nützlicher Bremser der Sanktionen.
Als Viktor Orbán 1998 zum ersten Mal ungarischer Premierminister wurde, galt er als liberale Hoffnung in Osteuropa, vor allem als Gegengewicht zur autokratisch regierten Slowakei unter Vladimír Mečiar. Bis 2002 sollte Orbáns erste Periode als Regierungschef dauern, in der er sich innerhalb der Europäischen Volkspartei und allgemein in der EU einen guten Ruf erarbeiten konnte. Das sollte sich rasch nach seiner Rückkehr ins Amt 2010 ändern.
Orbán hat seitdem systematisch die freie Presse unterminiert, das Justizsystem umgebaut und sich dem Kampf gegen die liberale Demokratie verschrieben. Auf EU-Ebene ist es er, der manchmal zusammen mit anderen EU-skeptischen Regierungschefs Einigungen blockiert oder verwässert. So weit nichts Neues – doch der Überfall Russlands auf die Ukraine hat seinem Handeln auf EU-Ebene eine neue, noch dunklere und destruktivere Seite gegeben.
In den Verhandlungsrunden der Staats- und Regierungschef und der EU-Kommission über die verschiedenen Sanktionspakete gegen Russland ist es immer Viktor Orbán gewesen, der Einigungen verzögert oder verwässert hat. Als es Anfang Mai 2022 um ein Erdöl-Embargo der EU gegen Russland ging, war Orbán das Sprachrohr einer Gruppe von vier Mitgliedsstaaten (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Bulgarien), die eine Einigung verweigerten und auch nicht auf Kompromissvorschläge eingehen wollten. Dem litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis platze vor den Medien während der zähen Verhandlungen der Kragen: Ungarn hielte die Union als Geisel.
Auch wenn man sich im Europäischen Rat schlussendlich auf ein Embargo mit großzügigerer Übergangsfrist einigen konnte, der Schaden war verursacht. Orbáns Hinhalten hat das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit der EU an der Seite der Ukraine bei den anderen großen Playern USA, Großbritannien, Kanada und eben auch der Ukraine erschüttert – wer sich am meisten darüber freuen konnte, war Vladimir Putin.
Und diese Taktik verfolgt Orbán weiterhin. Mit dem Ringen um alternative Gasquellen, nachdem Putin auch die Lieferungen über Nord Stream 1 auf 20 Prozent der vereinbarten Menge drosseln ließ, schert Ungarn ein weiteres Mal aus der Front der EU-Staaten aus – und verhandelt direkt mit Russland über Gaslieferungen, während die EU-Kommission einen Plan für das Einsparen von Gas vorlegt. Der Zeitpunkt wahr wohl nicht zufällig gewählt, war Ungarn schlussendlich diese Woche doch die einzige Stimme gegen den adaptierten Sparplan der EU-Kommission. Und auch Orbáns „gemischte Rassen“-Rede vom Wochenende lässt von außen immer größere Zweifel an der Einigkeit der EU aufkommen.
Der immer autokratischer regierende Orbán scheint weniger und weniger Skrupel zu haben, zu zeigen, was er denkt und seine Interessen ohne Rücksicht auf die EU und die weltpolitische Lage zu verfolgen. Zu groß dürfte die Angst sein, dass ein wirtschaftlicher Abschwung in Ungarn seine politische Macht ins Wanken bringen würde. Dass Orbán damit willentlich oder unwillentlich zum nützlichen Vasall Putins innerhalb der EU wird, scheint der ungarische Premier in Kauf zu nehmen. Den Schaden haben die EU und vor allem die Menschen in der Ukraine.