Warum der Föderalismus abgeschafft gehört
Bildung, Gesundheit, Verkehrspolitik. Egal, welches Thema man in Österreich regeln will – früher oder später landet man immer beim Föderalismus, der die Lösung um ein Vielfaches komplizierter macht.
Denn dass sich Österreich als relativ kleines Land neun Bundesländer leistet, ist wenig effizient. Meist führt das nämlich nicht zu einem Wettbewerb der besten Modelle, sondern zu einem Fleckerlteppich aus Lösungen der Landesfürsten.
Föderalismus in Theorie und Praxis
Dabei wäre der Föderalismus an sich keine schlechte Idee. Theoretisch geht es darum, Entscheidungen dort zu treffen, wo sie auch wirken. Auch in der EU tun wir das selbstverständlich: Wer im EU-Binnenmarkt handeln will, muss sich an EU-weite Regeln halten, statt 27 verschiedene Standards erfüllen zu müssen. Und auch in den USA nutzen die Bundesstaaten ihren Gestaltungsspielraum, z.B. um eigene Standortvorteile zu bestimmen. Das führt, siehe Waffen- und Abtreibungsrecht, nicht immer zu guten Resultaten – aber es liegt in der Entscheidungsmacht der Staaten, ihren eigenen Gesellschaftsentwurf durchzusetzen.
In Österreich haben wir aber keinen Wettbewerb zwischen den Bundesländern. Ob ich in Salzburg oder in Niederösterreich im Spital liege, macht keinen großen Unterschied, und obwohl die Länder im Bildungsbereich einiges mitzureden haben, wird nur wenig ausprobiert. Das einzige Bundesland, das einen echten Standortvorteil durch Entscheidungen im eigenen Wirkungsbereich hat, ist Wien – denn dort ist ganztätige Kinderbetreuung flächendeckend verfügbar, wodurch Eltern frei entscheiden können, ob und wann sie arbeiten wollen. Sonst ist in Österreich tote Hose. Es ist kein Wettbewerbs-, sondern ein Verteilföderalismus.
Föderalismus: Die große Geldverteilung
Denn im österreichischen Modell dient der Föderalismus hauptsächlich dazu, Geld zu verpulvern. Die Steuern und Abgaben dafür werden zwar vom Bund eingenommen – ausgeben dürfen es aber in vielen Fällen die Länder. Das passiert einerseits durch sogenannte 15a-Vereinbarungen, die alle paar Jahre durch den Finanzausgleich zwischen den Bundesländern und dem Bund angepasst werden. Aber einen echten Plan, was österreichweit mit dem Geld für Bildung, Gesundheit und Kinderbetreuung passieren soll – geschweige denn, welche Ziele erreicht werden sollen! -, das gibt es nicht.
Für die Länder ist das eine absurd bequeme Situation: Sie müssen sich nicht um die Einhebung des Geldes kümmern, dürfen es aber freihändig ausgeben. Und alle paar Jahre richten rote und schwarze Landeskaiser – wo die einzige Frau regiert, ist das Gendern verboten – ihrer Bundesregierung aus, wo die Musi spielt. Es gibt keinerlei Ansätze für Sparsamkeit, Effizienz oder gar strukturelle Reformen: Das Geld kommt sowieso, egal wie man es macht.
Neunmal Allmacht
Jetzt könnte man sagen, dass das nur ein Problem ist, wenn das politische Personal dementsprechend unverantwortlich handelt. Aber selbst in einem Best-Case-Szenario, in dem wir annehmen, dass alle Landeshauptleute die besten und ehrenhaftesten Absichten haben und sparsam mit Steuergeld umgehen, führt der Föderalismus zu fragwürdigen Ergebnissen. Warum etwa braucht es neun Landesjugendschutzgesetze? Ist der Alkohol in der Steiermark so viel härter als der in Kärnten? Oder gehen die Länder davon aus, dass ihre eigenen Leute einfach besser saufen können als andere?
Und das ist nicht das Einzige, was in Österreich Ländersache ist. In deren Wirkungsbereich fallen etwa auch das Fischen, das Jagen und das Bauen. Es gibt neun Abfallwirtschaftsgesetze und neun verschiedene Gesetze für Polizei, Rettung und Feuerwehr. Auch der Schutz gehört den Bundesländern: Wald- und Naturschutz, Katastrophenschutz, Artenschutz und Kinderschutz sind Ländersache. Und mit der Raumordnung haben die Bundesländer einen ganz entscheidenden Hebel, wenn es um den hohen Bodenverbrauch geht – eine ökologische Frage, die nicht nur für die Klimaziele, sondern auch für die Ernährungssicherheit wichtig wäre.
Unbescheidener Preis für eine bescheidene Leistung
Und auch wie viel Geld in die Landespolitik fließt, ist – no na – Ländersache. Die Parteienförderung in den Bundesländern ist in vielen Fällen höher als die des Bundes, und sie wird regelmäßig noch weiter erhöht. Das Einzige, worauf der Bund in der Landespolitik Einfluss nimmt, ist die Höhe der Gehälter von Abgeordneten, Klubchef:innen und Vorsitzenden in den Landtagen, in der Regel normiert mit ca. 80 Prozent dessen, was man im Bund für die gleiche Rolle verdient. Für einen Nationalratspräsidenten Sobotka leisten wir uns neun Mini-Sobotkas.
Man könnte diese Liste nahezu beliebig fortführen und noch das Fass aufmachen, dass viele Gesetze zwar auf Bundesebene beschlossen werden, aber in ihrer Vollziehung Ländersache sind. Der Staat Österreich gibt also Regeln vor, die in unterschiedlichem Tempo mit unterschiedlichen Mitteln und in variierender Motivation vollzogen werden. Ein weiteres Manko in einem kleinen Staat, der Geld gerne von A nach B schiebt.
Abschaffen als einzige Lösung
Sogar im bestmöglichen Fall merkt man also, dass die Länder sinnlose Doppel-, nein, Neunfachstrukturen schaffen. Man kann trefflich darüber streiten, welche Aufgaben auf welcher Ebene am besten erfüllt werden. Sicher ist aber, dass der Status Quo ineffizient ist – und eine enorme Menge an Geld verschwendet. Aber was tun? Auf besseres politisches Personal warten, das neunmal gleichzeitig auf diese Pfründe verzichtet und im Sinne des effizienten Staatswesens freiwillig abgibt?
Man muss kein Fan des Zentralismus sein, um zur Conclusio zu gelangen, dass das unrealistisch ist – und dass dieser Ausgabenföderalismus eigentlich abgeschafft gehört. Selbst, wenn wir den politischen Willen hätten, diesen Föderalismus zu ändern, wäre das rechtlich kaum möglich. Denn im Parlament gibt es auch die „Länderkammer“, den Bundesrat, die ihrer eigenen Abschaffung (durch die Abschaffung der Bundesländer, die den Bundesrat beschicken) zustimmen müsste.
Schon der zweite Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes schreibt fest, dass Österreich ein Bundesstaat ist, der aus den neun Ländern gebildet wird, die wir haben. Für diese Gesamtänderung der Bundesverfassung bräuchte es also nicht nur politischen Konsens – sondern eine Volksabstimmung. Denn vor dem zweiten Artikel steht nur der erste und wichtigste: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“