Warum Wolfgang Sobotka zurücktreten sollte
Der Nationalratspräsident ist schon lange eine der unbeliebtesten politischen Figuren des Landes. Jetzt werden erneut Rücktrittsforderungen laut. Dafür gibt es viele Gründe. Ein Überblick.
Im Vertrauensindex ist er längst der unbeliebteste Politiker des Landes – der einzige hinter Herbert Kickl. Und doch bekleidet er als Nationalratspräsident das dritthöchste Amt des Staates.
Über die Medien taucht der Name Wolfgang Sobotka immer wieder auf, und das nicht immer in positivem Zusammenhang. Ob durch wütende Bilder, vergoldete Klaviere oder durch das Vertrauen, das Karl Nehammer seinem Parteikollegen vor kurzem ausgesprochen hat. Aber warum das eigentlich notwendig geworden ist, wissen viele nicht. Zu unübersichtlich sind die Vorwürfe, Ermittlungen und Chatprotokolle der letzten Jahre in ihrer Gesamtsumme. Darum geben wir einen Überblick, warum jetzt erneut der Rücktritt von Wolfgang Sobotka gefordert wird.
Dafür ist wichtig zu wissen: Der oder die Nationalratspräsident:in muss unabhängig sein. Eine Regel, die man unterschiedlich beurteilen kann – immerhin waren bisher alle Parteimitglieder, die ihr Weltbild nicht mit dem neuen Amt abgelegt haben. Es geht also mehr um den Anschein von Unbefangenheit und um eine faire Vorsitzführung. Und die beschränkt sich nicht nur auf den Nationalrat.
Parteitaktik im U-Ausschuss
Deutlich wird Sobotkas Partei-Agenda im U-Ausschuss, wo er den Vorsitz führt. Dort geht es teilweise auch um ihn selbst: Denn der Ibiza-Untersuchungsausschuss behandelte auch Zahlungen an das Alois-Mock-Institut. Dieses Institut war ein ein ÖVP-naher Verein, der von der Novomatic Geld bekam, es ging um über 100.000 Euro. Dieses Geld könnte Teil einer versteckten Parteispende gewesen sein, das Institut wurde mittlerweile aufgelöst. Wegen dieser Causa wurde Sobotka selbst als Zeuge geladen. Befangenheit sah er darin keine, den Vorsitz legte er nicht zurück.
Das ist nicht nur ein Problem, wenn es um seine eigenen Themen geht – auch bei anderen Befragungen im ÖVP-Umfeld sabotierte Sobotka den U-Ausschuss, um möglichst wenige Erkenntnisse zu gewinnen. Sebastian Kurz etwa konnte stundenlang reden, ohne eine Aussage zu tätigen, was dazu führte, dass NEOS und Grüne keine Fragen mehr stellen konnten. Ein unabhängiger Vorsitz hätte entsprechend reagiert, unterbrochen oder auf eine Antwort gedrängt.
Mittlerweile hat die Schiedsstelle des U-Ausschusses auch entschieden, dass Sobotka Fragen ungerechtfertigterweise nicht zugelassen hat.
Vorwürfe und Ermittlungen gegen Sobotka
Nicht nur die Causa Alois-Mock-Institut oder seine parteitaktische Vorsitzführung machen Sobotka zu einer problematischen Figur. In den zahlreichen Korruptions-Geschichten der letzten Jahre kommt immer wieder sein Name vor. In Chatprotokollen eines ÖVP-Manns im Innenministerium geht es etwa um eine gewünschte Beförderung für einen Wunschkandidaten der Partei. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Amtsmissbrauchs.
Dass Sobotka zumindest die strukturelle Dimension der Korruption nicht fremd ist, sieht man auch an seinen eigenen Aussagen. Auf oe24TV gibt er etwa offen zu, dass Inserate – also Werbeschaltungen in Medien – mit einer Gegenleistung verbunden sind. Dafür gibt es einen Begriff: Inseratenkorruption.
„Sie kennen das Geschäft ja. Fürs Inserat gibt’s a Gegengeschäft.“
Wolfgang Sobotka auf oe24TV
Und auch die jüngsten Vorwürfe fallen in den Bereich Korruption: Der mittlerweile verstorbene hohe Beamte Christian Pilnacek sagt in einer Tonbandaufnahme im privaten Rahmen, dass Sobotka bei ihm interveniert habe. Pilnacek habe aus rechtsstaatlichen Gründen nichts machen können, aber der Nationalratspräsident habe das nicht verstanden.
„In jedem Gespräch sagt der Sobotka: Du hast selber versagt. Du hast es nie abgedreht. Aber das geht nicht, und ich mache es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat.“
Christian Pilnacek
Dieser Ton von Sobotka wäre zumindest nicht überraschend. Denn laut früheren Medienberichten soll er sogar eine Liste mit Interventionen führen, um zu wissen, wer wann in seiner Schuld stehe und wen er noch „unterbringen“ müsse.
Sobotka schadet dem Ansehen der Demokratie
Und genau darum wäre es so wichtig, dass Wolfgang Sobotka zurücktritt: Er ist ein Parteisoldat im zweithöchsten Amt des Staates. Hier kann er seine Macht nutzen, um die ÖVP zu schützen, statt der parlamentarischen Untersuchung und der Aufklärung verpflichtet zu sein.
Wenn die zahlreichen Ermittlungen und Vorwürfe nichts ergeben, kann Sobotka in einigen Jahren immer noch als tadelloser Politiker in die Geschichte eingehen. Aber fürs Erste bleibt der Eindruck, dass „die da oben“ es sich richten – und das Vertrauen in die Demokratie sinkt. Darum sollte die ÖVP endlich aufhören, an ihrem Nationalratspräsidenten festzuhalten, und den Weg freimachen. Herr Sobotka, treten Sie zurück.