Wie liberal ist … Florida?
Florida ist für vieles bekannt: für Sonnenschein, die langen Strände, Alligatoren und Partys. Doch seit der Wahl-Floridianer Donald Trump zum US-Präsidenten und der konservative Republikaner Ron DeSantis zum Gouverneur gewählt wurden, rückt auch die politische Situation des 22-Millionen-Bundesstaats immer mehr in den Fokus.
Vor allem seit klar ist, dass Ron DeSantis – genauso wie Trump – 2024 Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden will, wird die Arbeit des Gouverneurs und wie er Florida gestaltet, noch genauer betrachtet. Und das wollen wir hier auch tun. Denn das, was DeSantis in Florida umsetzt, könnte auch sein Regierungsprogramm für die USA sein, sollte er nächstes Jahr im November die Wahl gewinnen.
Wirtschaftswunder mit Schattenseiten
Eines der Hauptargumente, die DeSantis in seiner Präsidentschaftskampagne gerne unterstreicht, ist, dass er Florida wirtschaftlich auf die Überholspur gebracht hat. Mit klassischer liberaler Wirtschaftspolitik hat DeSantis es tatsächlich geschafft, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu drücken, durch niedrige Steuern werden neue Betriebe angelockt.
Aktuell rangiert der „Sunshine State“ auf Platz 1 aller US-Bundesstaaten, was die Gründung neuer Unternehmen angeht, und auch beim Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ist Florida der beste aller großen Bundesstaaten. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen unter dem Level vor der Pandemie und unter dem US-Durchschnitt (der allerdings auch auf einem Rekord-Tiefststand ist). Vor allem die niedrigen Steuern helfen beim Anlocken neuer Betriebe, darüber hinaus ist Florida auch einer der wenigen Bundesstaaten, die auf die Einhebung einer Einkommensteuer verzichten.
Gleichzeitig sind Unternehmen und Betriebe auch erheblich weniger von Auflagen betroffen, da liegt Florida weit unter dem US-Bundesschnitt. Dies, zusammen mit sehr einfachen Vorgaben für das Gründen von Unternehmen, macht Florida zu einem beliebten Ziel für neue Betriebe. Das zeigt auch der Wohnungsmarkt: Während in anderen Bundesstaaten die Immobilienpreise sinken oder stagnieren, verzeichnet Florida ein gesundes Wachstum – eine klare Kennzahl für eine gut laufende Wirtschaft im Sinne der liberalen Idee.
Doch während diese Kennzahlen sehr gerne zitiert werden und klar eine liberale Handschrift zeigen, hat Florida in anderen wirtschaftspolitischen Aspekten große Probleme. Die Arbeitslosigkeit ist zwar niedrig, die Löhne aber trotzdem nicht hoch: 45 Prozent der arbeitenden Bevölkerung verdienen unter oder rund um die Armutsschwelle, sind also working poor. Florida ist nur auf Platz 35 aller US-Bundesstaaten, was das durchschnittliche Haushaltseinkommen betrifft. Und auch beim Human Development Index (HDI) rangiert Florida unter dem Bundesdurchschnitt.
Die Freiheit, die DeSantis meint
Während die Wirtschaftspolitik Floridas also eindeutig liberal ist, kann im gesellschaftspolitischen Bereich kein liberales Ideal gefunden werden. DeSantis beschrieb seinen Bundesstaat in einer Rede mit Florida is where woke goes to die – und setzt dieses Ziel konsequent um. Der Fokus auf Kulturkampf-Themen bedeutet, dass er sich als konservativer Hardliner darstellen und Florida entsprechend seinen Stempel aufdrücken kann.
Sein „Don’t say gay“-Gesetz hat im Bildungsbereich dafür gesorgt, dass Lehrkräfte nicht über Sexualkunde und vor allem nicht über LGBTIQ-Themen sprechen dürfen. Ursprünglich war das nur bis zur 4. Schulstufe vorgesehen, doch das Gesetz ist bewusst so schwammig formuliert, dass das Verbot auf alle Schuljahre ausgeweitet werden kann, da Eltern ihre Einwilligung dazu geben müssen, ob dieses Thema überhaupt behandelt werden darf. Ähnliches ist auch mit der Aufklärung über Rassismus und der Geschichte der USA und der Sklaverei geschehen. DeSantis hat Gesetze verabschiedet, die darauf abzielen, dass Schüler:innen durch den Unterricht nicht emotional herausgefordert werden dürfen – was rechte und konservative Gruppen dafür nutzen, den Lehrplan entsprechend „weißzuwaschen“.
Das betrifft nicht nur den Unterricht selbst, sondern auch die Entscheidung, welche Bücher behandelt und überhaupt in Schulbibliotheken aufgenommen werden dürfen. Während DeSantis behauptete, damit würden Schüler:innen vor „pornografischen oder verstörenden“ Inhalten geschützt, werden damit Klassiker wie To kill a mockingbird, die sich mit Rassismus oder auch LGBTIQ-Themen auseinandersetzen, verboten und aus den Bibliotheken verbannt. Unter anderem wurden auch die bekannte Graphic Novel über den Holocaust MAUS oder ein Kinderbuch über ein gleichgeschlechtliches Pinguin-Paar im New Yorker Zoo verboten.
Auch bei einem der „beliebtesten“ Culture-War-Themen der Rechten – der Frage nach Rechten von Transpersonen – versucht Florida, Kante zu zeigen. Im heurigen Mai trat das bisher strengste Gesetz in Kraft, das jedwede medizinische Unterstützung für Minderjährige verbietet. Darüber hinaus müssen alle Personen in öffentlichen Umkleidekabinen oder Toiletten jene Räume benützen, die ihrem Geburtsgeschlecht entsprechen, und Lokalen oder Geschäften, die Drag-Lesestunden für Minderjährige anbieten, kann die Lizenz entzogen werden.
Auch bei der Frage des Zugangs zu Abtreibungen setzt Florida auf einen möglichst restriktiven Kurs: Das Beenden der Schwangerschaft ist nur bis in die sechste Woche hinein erlaubt, und DeSantis hat auch ein generelles Verbot als Möglichkeit in den Raum gestellt. Das reiht sich in einen generellen Trend republikanisch geführter Staaten ein, die Möglichkeiten zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränken oder verbieten.
Liberales Florida?
Unterm Strich ist Florida als Blaupause für einen Präsidenten DeSantis bestenfalls in wirtschaftlichen Fragen liberal – allerdings ohne Regeln oder Überlegungen, wie jene, die nicht erfolgreich sind, aufgefangen werden können. Das ist eine Besonderheit der US-amerikanischen Spielart des Liberalismus – im Unterschied zu Europa, wo die Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit auch von liberaler Seite betont wird. In den USA ist diese Art der staatlichen Absicherung kein liberales Element, mit allen Vor- und Nachteilen.
Doch abseits der klar liberalen Wirtschaftspolitik Floridas wird schnell klar: In allen anderen Bereichen muss erkannt werden, dass der Sunshine State definitiv kein „Land of the Free“ ist. Die erzkonservative Gesellschaftspolitik bläht den Staat und das, was er kontrollieren kann, sogar noch auf.