Wie liberal ist … Star Wars?
„So this is how liberty dies, with thunderous applause.“
Senatorin Padmé Amidalas Worte im Senat der Galaktischen Republik direkt nach der Ausrufung des „First Galactic Empire“ durch den ab dann Imperator Sheev Palpatine sind eine Warnung und eine überraschend luzide Einschätzung über die Gefahren, denen liberale Demokratien ausgesetzt sind. Ja, es geht um die weit, weit entfernte Galaxis vor langer Zeit. Es geht um Star Wars.
Star Wars ist seit der Erscheinung des ersten Films 1977 ein kaum zu überschätzender Teil der Popkultur geworden, nicht nur in den USA oder dem Westen, sondern weltweit. Die Geschichten haben sich weiterentwickelt, Charaktere haben mehr Hintergrund bekommen, neuere Serien wie Andor haben dem strengen Schwarz-Weiß-Schema zwischen Gut und Böse dringend notwendige Grautöne verpasst, aber wenn wir uns die grundlegenden moralischen und damit politischen Grundaussagen anschauen, sehen wir, dass sie gleich geblieben sind. Star Wars ist ein flammender Appell für eine gerechte, tolerante, offene, aber vor allem auch liberale Weltordnung.
Weißes Imperium, bunte Rebellion
Wo die Sympathien des Erfinders von Star Wars – George Lucas – innerhalb seiner Geschichten lagen, das kann deutlich an den ästhetischen Entscheidungen abgelesen werden, die im Zusammenspiel mit der Handlung eine klare Sprache sprechen. In der Ursprungstrilogie, den ersten drei Filmen, wurden „die Bösen“ als weiße, mächtige alte Männer dargestellt, mit britischem Akzent sprechend, ihre Kleidung an Naziuniformen angelehnt. In den Prequel-Filmen wurde diese Ästhetik weitergezogen, mit dem Untergang der Republik werden auch die ästhetischen Anlehnungen an das Imperium immer stärker. Und in der Sequel-Trilogie ist auch die Nachfolgerin des Imperiums, die Erste Ordnung, ganz klar im selben Stil angelegt. Die Versammlung der Soldat:innen in Episode VII zitiert deutlich die Inszenierung von NS-Aufmärschen durch Filme Leni Riefenstahls.
Als Kontrast dazu wird der Widerstand gegen den immer machtvoller werdenden obersten Kanzler Palpatine, das Imperium und gegen die Erste Ordnung auch bewusst multikulturell und divers gezeichnet. Aliens, wie Chewbacca, gibt es im Imperium nicht als handelnde Akteur:innen, Menschen mit nichtweißer Hautfarbe ebensowenig. Das der Schwarze Lando Calrissian in der Original-Trilogie zum General der Rebellion aufsteigt, war genauso eine bewusste Entscheidung wie die Wahl einer Frau – Rey – als neuer Hauptprotagonistin in den Sequels oder Padmé Amidala in den Prequels. Und auch die Hauptdarsteller in der Serien The Mandalorian und Andor sind mit Latinx-Schauspielern besetzt.
Das, was diese ästhetischen Entscheidungen in der Inszenierung der Filme klar macht, ist eine Aufladung der Handlung mit politischen Aspekten. Der Kampf einer Rebellenbewegung gegen eine autoritäre Herrschaft ist an sich noch wenig aussagekräftig, wenn es nicht weitere Indizien dafür gibt, wofür diese zwei Gruppen stehen. Doch das Aussehen der Charaktere der beiden Seiten macht den politischen Hintergrund sehr deutlich.
Star Wars – oder wie man eine Republik stürzt
Noch deutlicher wird die politische Ebene durch die Handlung der Prequels, die Lucas nach der Originaltrilogie drehte, die aber davor spielen. Hier wird über drei Filme und einige Serien der Niedergang einer demokratischen Republik – mit all ihren Problemen – durch einen konsequent planenden Machtpolitiker beschrieben, der die verschiedenen Bereiche der Institutionen langsam mit Vertrauten infiltriert und sich am Ende – unter tosendem Applaus des Parlaments – zum Diktator ausruft.
Der so freundlich und umgänglich wirkende Sheev Palpatine wird durch eine Krise im Senat vom Senator zum Kanzler. Diese hat er, wie wir später erfahren, als sein Alter Ego – Sith-Lord Darth Sidious – selbst vom Zaun gebrochen. Die Republik muss sich dann unter seiner Kanzlerschaft in einem Sezessionskrieg behaupten, wird in dieser Zeit immer autoritärer, das Militär wird unter der direkten Leitung Palpatines die einzige Sicherheitsbehörde, Durchhalte-Propaganda mit seinem Antlitz wird allgegenwärtig. Als die Jedi schlussendlich erkennen, dass er der dunkle Sith-Lord ist, kann er mit seinem Schüler – dem Jedi Anakin Skywalker – einen Verhaftungsversuch der Macht-Nutzer:innen vereiteln, es als Putschversuch darstellen, den Jedi-Orden zerschlagen und als Imperator alle Macht an sich binden. Die Galaktische Republik ist tot, langsam von innen verrottet in einem blutigen Krieg, der ebenso im Hintergrund von Palpatine gestartet wurde.
Noch viel tiefer geht dieser Videoessay auf den Fall der demokratischen Republik ein. Doch was klar wird, ist wie besorgt Lucas über die Fragilität der republikanischen Herrschaftsform war, zu einer Zeit, als eigentlich Optimismus über den Siegeszug der liberalen Demokratie nach dem Fall der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten herrschte. Diese politische Aussage wird künstlerisch, in diesem Fall durch den Komponisten John Williams, verdeutlicht. Wenn die Truppen der Republik vom Hauptplaneten Coruscant am Ende von Episode II aufbrechen, um im von Palpatine orchestrierten Sezessionskrieg zu kämpfen, ertönt der Marsch des Imperiums – ein warnender Ausblick auf das, wozu sich die Republik entwickeln wird.
Imperator Richard Nixon
Diese Allegorie auf machthungrige Individuen, die eine alte, so stabil wirkende Demokratie aushebeln können, ist bewusst in Star Wars eingeschrieben. George Lucas hat 2005 in einem Interview deutlich gemacht, woran er dachte, als er Anfang der 1970er Jahre anfing, Star Wars zu planen:
„It was really about the Vietnam War, and that was the period where Nixon was trying to run for a [second] term, which got me to thinking historically about how do democracies get turned into dictatorships? Because the democracies aren’t overthrown; they’re given away.“
George Lucas
Nixon war damals für Linke und Liberale das erklärte Feindbild, das Symbol des konservativen Backlash gegen die die Öffnung der Gesellschaft, die die Hippie-Bewegung, die Frauenbewegung und die schwarze Bürger:innenrechts-Bewegung erkämpft hatten. Die Watergate-Affäre zeigte, dass sich die konservativen Republikaner auch nicht unbedingt an die demokratischen Spielregen hielten, für viele Liberale war die Sorge über einen zu großen Machthunger Nixons eine tatsächliche Bedrohung der Republik. Lucas wollte mit Star Wars Popcorn-Kino machen, einen Weltraum-Eskapismus, in dem die Guten schlussendlich über die Bösen siegen können, doch seine politische Überzeugung, seine Warnungen vor der dunklen Seite der Macht fungierten als Grundlage der Erzählung. Nicht von ungefähr kreierte er den Imperator mit Richard Nixon im Hinterkopf.
Man kann Star Wars einfach als Popkultur-Unterhaltung abtun und genießen. Sieht man sich Lucas’ reale Vorbilder und die bewusst liberal, divers und welt(en)offene Allianz/Rebellion an, kann man aber zumindest die liberale politische Dimension nicht völlig leugnen. Star Wars, oder besser gesagt: die politische Aussage von Star Wars, ist eindeutig liberal.