Wie Österreich den Braindrain fördert
Unter dem Begriff „Braindrain“ können sich viele erstmal wenig vorstellen. Konkret bezeichnet der Begriff laut Duden „Abwanderung von Wissenschaftler[inne]n u.a. hoch qualifizierten Arbeitskräften ins Ausland, wodurch dem Abwanderungsland Fachkräfte und Wissen verloren gehen.“
Auch wenn einige Fachkräfte, auch in Österreich, ins Ausland abwandern, so ist das Problem primär von regionaler Natur: Die Jugend zieht es nämlich weiterhin stark in die Städte.
Das zeigt besonders eindrucksvoll die Bevölkerungskarte der Statistik Austria: Während das Durchschnittsalter in den Städten mit 40–42 Jahren verhältnismäßig gering ist, so ist das Durchschnittsalter auf dem Land deutlich höher. Die Region Nordsteiermark ist mit 48–50 Jahren besonders stark von Abwanderung betroffen.
Zusätzlich zur Abwanderung in die Städte ist die Geburtenrate in Österreich rückläufig. Bis 2050 wird eine Frau, nach aktuellen Prognosen, im Durchschnitt etwa 1,5 Kinder bekommen. Das bedeutet konkret, dass die Bevölkerung ohne Migration ab 2030 stagnieren würde – zumindest theoretisch. Beginnend mit 8,1 Millionen Österreicher:innen könnte die Bevölkerung im Jahr 2050 ohne Migration auf 5,7 Millionen abfallen.
Fallende Geburtenraten und die Abwanderung in die Städte lassen den ländlichen Raum Stück für Stück aussterben. Nun fragt sich, wie es dazu kommt, dass die Jugend nicht mehr am Land leben will.
Fehlende Infrastruktur
Die Mobilität ist ein wichtiges Thema für die Jugend. Nicht nur in der Freizeit: Auch zum Erreichen des Schul-, Arbeits- oder Lehrorts benötigt es eine gute öffentliche Anbindung. Auch wenn immer mehr Jugendliche den Führerschein schon mit 17 oder 18 Jahren machen – oder sogar schon vorab den Mopedführerschein –, ist der Individualverkehr nicht nur umwelttechnisch, sondern primär finanziell ein Problem.
Selbst nach der Ausbildung bleibt die fehlende Mobilität ein Hindernis bei der Jobsuche. Denn ohne eigenes Auto sind viele Pendelwege nicht oder nur schwer bestreitbar. So dauert beispielsweise eine Fahrt von Jennersdorf nach Eisenstadt mit dem Bus circa vier Stunden und 20 Minuten, wobei mindestens zweimal umgestiegen werden muss. Mit dem Auto benötigt man für die gleiche Strecke nur etwa eine Stunde und 50 Minuten. Auch diese Städte im Burgenland kämpfen stark mit dem Braindrain.
Auch günstiger Wohnraum und günstiger Baugrund sind eine Herausforderung am Land. Denn die primären Bauträger am Land sind nicht private Unternehmer oder Personen, sondern Genossenschaften, welche für eine Wohnung zwar eine verhältnismäßig niedrige Miete verlangen, jedoch einen immens hohen Genossenschaftsanteil. Dieser liegt meistens in Bereichen um die 20.000 Euro. Dazu kommen dann noch die übliche Kaution und andere Gebühren. Für junge Erwachsene kaum ein attraktives Angebot.
Umwidmungen von Acker zu Baugrund unterliegen in einigen Ortschaften auch mehr der Willkür als einem transparenten System. Einige Umwidmungen werden nicht aufgrund von Umweltverträglichkeit, Landschaftsschutz etc. blockiert, was nachvollziehbare Gründe wären, sondern aufgrund fehlender politischer Parteizugehörigkeiten und Kontakte in den Gemeinderat.
Startup-Mentalität? Nicht am Land.
Direkt nach der HTL oder der HAK einen guten Arbeitsplatz zu finden, ist in den Städten aufgrund der Dichte an Firmen ein leichtes Unterfangen. Wie bereits erwähnt, wird die Bevölkerung in Österreich immer älter. Daraus resultiert ein immer größerer Fachkräftemangel. Besonders Absolvent:innen aus dem MINT-Bereich werden in Österreich händeringend gesucht: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Sollte es Absolvent:innen in Richtung Selbstständigkeit ziehen, gibt es in den Städten viele Angebote und Coworking-Spaces.
Mit Blick auf den ländlichen Raum ist die Sache jedoch sehr suboptimal. Rund die Hälfte der Wertschöpfung im heimischen IT-Sektor ist in Wien konzentriert. Große Bundesländer, wie beispielsweise Niederösterreich, kommen nur auf acht Prozent der Wertschöpfung. Auch die Startup-Mentalität ist am Land keineswegs so ausgeprägt wie beispielsweise in Wien. Hier fehlen die notwendigen Coworking-Spaces und Büroflächen für Startups.
Die Folgen des Braindrain
Die Liste an Ursachen lässt sich noch weiterführen. Was jedoch nicht vergessen werden darf, sind die Folgen, die dieser Braindrain für ländliche Regionen mit sich bringt.
Die offensichtlichsten Folgen sind aussterbende Ortschaften und Stadtkerne von Kleinstädten. Damit verbunden ist ein reduziertes Angebot an Waren und Dienstleistungen, wenn Geschäfte wegen fehlender Nachfolge oder Personalmangel schließen müssen.
Es entwickelt sich ein Teufelskreis, der viele Ortschaften Schritt für Schritt immer weiter an Attraktivität verlieren lässt. Das bekommen auch deren älteren Bewohner:innen zu spüren, wenn beispielsweise das Lieblingscafé aufgrund fehlender Rentabilität den Betrieb einstellen muss.
Auch für die Städte ist der immer stärkere Zuzug ein Problem. Wohnraum wird teurer, und die Infrastruktur muss immer schneller und stärker erweitert werden, um den großen Bedarf bewältigen zu können.
Wie der Braindrain reduziert werden kann
Alles in allem ist der Braindrain kein unlösbares Problem. Wichtig ist, eine solide und angemessene Infrastruktur bereitzustellen. Dazu gehört beispielsweise eine gute öffentliche Verkehrsanbindung, Räumlichkeiten für die Jugend wie Jugendzentren und eine Nachtgastronomie, weiterführende Schulen bzw. Schulzentren, ein Kinderbetreuungsangebot und eine Förderung von jungen Unternehmen. Aber diese Maßnahmen müssen erstmal getroffen werden – und dafür braucht es den Willen der Landes- und Gemeindepolitik.