Woke, links – und autoritär: In sechs Schritten zum nützlichen Idioten
In diesem Artikel geht es um nützliche Idioten und Idiotinnen. Aber keine Sorge, hier wird niemand persönlich beleidigt, zumindest nicht bewusst. Es geht um einen Begriff, der gar nicht beleidigend, sondern eher historisch gemeint ist. Auszug aus dem Wikipedia-Artikel zu „Nützlicher Idiot“:
Der Ausdruck nützlicher Idiot bezeichnet eine Person, die für Zwecke, die dieser nicht bewusst sind, als Handlanger oder unwissender Helfer missbraucht wird oder deren selbständiges Handeln dieser zugedachten Rolle entspricht, beispielsweise Propagandazwecken dienend.
Heute wird der Begriff vor allem im Zusammenhang mit russischer Propaganda verwendet, wie auch Wikipedia weiter ausführt. Nicht nur, weil es den Mythos gibt, dass ihn Lenin selbst für westliche Intellektuelle verwendet hat. Sondern auch, weil es eine lange Tradition der nützlichen Idiot:innen gibt, die im Auftrag des Kreml autoritäre Narrative übernehmen: ob Sowjetunion oder Russland.
Für gewöhnlich werden dafür vor allem Rechte beschrieben. Und das nicht zu unrecht: Die FPÖ hat immerhin einen aufrechten Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ und verfolgt einen offen prorussischen Kurs. Aber heute soll es um eine andere Gruppe gehen, der Moskau nur danken kann: woke Linke.
Nützliche Idioten von links
Das klingt natürlich nach einem Kampfbegriff. Darum zuerst der Versuch einer Annäherung: Es geht hier nicht um Debatten über Political Correctness, sondern es geht um eine links orientierte, akademisch geprägte Szene, die oft nur in den schrägsten Ecken der sozialwissenschaftlichen Fakultäten laut wird. Man nennt sie oft auch „Postmoderne“.
Warum dann „nützliche Idioten“ und nicht einfach nur „Postmoderne“? Weil dieser Begriff auch eine stolze Geschichte hat. Grundsätzlich geht es dabei um eine berechtigte Skepsis gegenüber einfachen Wahrheiten und „Meta-Erzählungen“, die unser Verständnis von der Wirklichkeit verzerren. Unter dem sperrigen Namen „Dekonstruktivismus“ beschäftigen sich Größen der Philosophie wie Jacques Derrida mit der Frage, was „echt“ ist und was nur Interpretation. Aber das ist nicht der Kern der Kritik – sondern die Ausmaße, die eine übertriebene Ideologisierung dieser philosophischen Richtung annimmt.
Es geht um eine Denkweise, die sich damit begnügt, sich aus dem Diskurs zurückzuziehen und den Begriff „Wahrheit“ vollkommen aufzugeben – und die damit autoritärer Propaganda den Boden bereitet. Denn wo die FPÖ immerhin noch konsequent ein autoritäres Menschen- und Politikbild verfolgt, helfen die Linken auf andere Weise: Unter intellektuell klingenden Schlagworten wie „postmodern“ oder „poststrukturalistisch“ und langem Zerdenken polit-philosophischer Themen landet sie bei einem Narrativ, das Putin nicht besser helfen könnte. Also, gehen wir’s durch: Was macht die woken nützlichen Idioten aus?
Die 6 Regeln der postmodernen Weltsicht
1. Die Wirklichkeit, die gibt es gar nicht
Wie stellt man denn fest, was überhaupt „real“ ist und was nicht? Immerhin nehmen wir alles nur mit unseren Sinnen wahr – und die können uns täuschen, wie wir längst durch wissenschaftliche Erkenntnisse wissen. Die persönliche emotionale Situation, die eigene Biografie, der eigene Wissensstand: All das prägt unsere Wahrnehmung. Man könnte das als Aufruf zum kritischen Denken und zur Selbstreflexion lesen. In woken Kreisen werden diese Faktoren aber gerne übertrieben: Am Ende gibt es gar keine „Wirklichkeit“ mehr, auf die man sich einigen kann.
2. Es gibt nichts Objektives, nur verschiedene Agenden
Wer sich auf diese Vorstellung zu sehr einlässt, verfällt leicht in den Kulturrelativismus. Denn wenn nichts wahr ist, gibt es auch keinen Grund, sich auf ein Narrativ mehr einzulassen als auf das andere: Alle Meinungen sind gleich wertvoll, vielleicht sogar gleich richtig. Auch gesellschaftliche Fragen werden zur legitimen Meinungsverschiedenheit gleichwertiger Gewichtung. Politische Ansagen werden so zur Frechheit umgedeutet: Wie kann man denn überhaupt zum Schluss kommen, dass eine Kultur „rückständig“ wäre, nur weil Frauen nicht wählen dürfen und wie Eigentum betrachtet werden? Wieso muss man Demokratie in Ländern einfordern, die das nicht als „Teil ihrer Kultur“ sehen?
3. Die westliche Brille ist falsch und ungerecht
Worauf wir uns aber verlassen können, ist, dass unsere westliche Brille auf die Dinge falsch ist: Wie wir die Welt sehen, das ist durch Rassismus und Kolonialismus verzerrt, und all unser Wohlstand ist auf Ausbeutung und Krieg erbaut. Während im Umgang mit Diktaturen ein sehr lockerer Umgang mit dem Begriff Wirklichkeit gelebt wird, wird das konsequent als „Wahrheit“ gesehen.
4. Reiche böse, Arme gut
Begleitet von einem immergleichen Gegensatz: In einem Konflikt zwischen Reich und Arm sind die Armen gut. Das sorgt für „interessante“ Verzerrungen im geopolitischen Weltbild. In Israel etwa sind die „nützlichen Idiot:innen“ konsequent auf der Seite der Hamas, da die Palästinenser:innen ein nichtweißes, armes und unterdrücktes Volk sind. Die Armen da, die Reichen dort: Der Schuldige ist gefunden. In diesem Duktus wird der Polizeistaat der Kommunistischen Partei Chinas als „aufstrebende Macht“ gesehen, die einer Art Mobbing des Westens ausgesetzt ist – Tibet hin, Taiwan her.
5. Gewalt ist immer falsch
Die wahrscheinlich einzige Regel, die auch im neutralen Österreich stammtischtauglich wäre. Die Ablehnung von Gewalt ist löblich, aber nicht immer durchdacht. Soll sich die Ukraine etwa Putin ergeben, während er auf ihrem Grund und Boden Kriegsverbrechen begeht? Oder kann Gewalt unter gewissen Umständen, etwa der Verteidigung des eigenen Lebens, der eigenen Freiheit, auch etwas Gerechtes sein? So weit denken die woken nützlichen Idiot:innen nicht. Sie fordern „Friedensverhandlungen“ um jeden Preis, damit sie sich nicht mehr mit der Wirklichkeit – oder das, was sie als westliche Sicht darauf bezeichnen – beschäftigen müssen. Und unterstellen der Ukraine, den Krieg zu wollen.
6. Unterdrückte dürfen trotzdem zur Gewalt greifen
Gleichzeitig ist Gewalt aber kein Problem, wenn sie von „Unterdrückten“ kommt. Was wiederum heißt: nicht weiß, nicht westlich, nicht reich. Wenn Israel Krieg führt, ist Gewalt immer falsch. Wenn die Hamas 1.139 Menschen an einem Tag ermordet und 240 Geiseln nimmt, spiegelt sie nur das Böse zurück, das den Ihren angetan wurde. Wenn die Ukraine ihr Territorium verteidigt, ist Krieg immer abzulehnen, aber wenn Russland einen Krieg in Europa startet, nimmt es legitime Sicherheitsinteressen gegen den imperialen Westen wahr. Alles ist möglich – unter dem richtigen Etikett.
Das postmoderne Narrativ bereitet den Boden für Autoritäre
Dieses Weltbild, das vor allem in akademisch geprägten linken Milieus vorherrscht, öffnet Tür und Tor für Autoritäre, die ihre Agenda umsetzen. Und es wird auch aktiv gefördert: Mit sogenannten aktiven Maßnahmen arbeitete Russland schon zu Sowjet-Zeiten daran, den Glauben an die Institutionen unserer Gesellschaft zu untergraben. Erst wenn wir komplett die Orientierung verloren haben, sind wir offen für die autoritäre Machtübernahme.
Das zeigt nicht nur unsere Geschichte – sondern auch die jüngere russische. Der Autor Peter Pomerantsev, der sich kritisch mit der russischen Propaganda auseinandersetzt, beschreibt in seinen Büchern, was eigentlich für die hohe Zustimmung für Putin sorgt. Es ist nicht die Euphorie: Es ist der Zweifel. Denn die Erosion der Wahrheit führt dazu, den Status quo nicht mehr zu hinterfragen. Wenn niemand die Wahrheit anzubieten hat, sondern nur Propaganda, hört man auf zuzuhören. Wenn Regierung und Opposition lügen, gibt es keinen Grund, sich mit irgendeiner Kritik zu beschäftigen. Wenn alle Politiker gleich sind, ist es auch nicht wichtig, wählen zu gehen.
Aber es ist eben nicht alles wahr. Realität ist das, was bleibt, auch wenn wir nicht daran glauben wollen. Ob man Putin nun als neo-imperialistischen Kriegstreiber, als Beschützer traditioneller Werte oder als Diktator sieht, der sich in der Pandemie mit Geschichtsbüchern radikalisiert hat: Der Krieg in der Ukraine bleibt eine Tatsache, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Und solange wir nicht alle dem Glauben verfallen sind, dass sich grundsätzliche Fragen um Werte, Weltbild und den Stellenwert des menschlichen Lebens nicht lohnen, lohnt es sich auch, über ein wehrhaftes Europa zu reden. Aber das wäre dann wieder „westliche Kriegspropaganda“.
Für Putin, aber auch für Autoritäre auf der ganzen Welt gibt es kaum bessere Freund:innen als die die woken nützlichen Idiotinnen und Idioten. Denn die FPÖ glaubt immerhin an ein illiberales, nationalistisches und erzkonservatives Weltbild – Postmoderne glauben an gar nichts mehr. Wo sich diese postmodernen Narrative durchsetzen, verfallen Gesellschaften in Paralyse. Nicht umsonst fasst Peter Pomerantsev die wichtigste Aussage schon in seinem Buchtitel zusammen: „Nothing Is True And Everything Is Possible“.