Sind denn wirklich alle gleich?
Wenn man sich die Situation genau ansieht, ist sie absurd: Ermittlungen gegen die FPÖ, die nach dem Ibiza-Skandal gestartet wurden, führten dazu, dass ein System von ÖVP-Korruption auffliegt. In Umfragen erholen sich aber vor allem die Freiheitlichen – und den Schaden haben neben der ÖVP auch die Parteien, die mit den Vorwürfen nichts zu tun haben.
Hinter dieser Entwicklung steckt nicht nur eine gewisse Ironie, sondern auch Strategie. Denn vom Eindruck eines korrupten Sumpfes, dem alle Parteien angehören, profitieren genau jene, die sich hinter diesem Bild verstecken.
Wie man differenzieren könnte
In aller Fairness muss man festhalten: Über alle aktuellen Ermittlungen und Korruptionsvorwürfe den Überblick zu behalten, ist nicht leicht. Wie soll man also als normaler Mensch, der sich nicht 24 Stunden am Tag mit Politik beschäftigt, differenzieren?
Schritt 1: Fragen wir uns, wer überhaupt betroffen ist. Wer Straches Fantasien von erkaufter Medienmacht nicht gut findet, sollte dafür an der Wahlurne prinzipiell die FPÖ bestrafen – er war immerhin ihr Obmann, konnte also in dieser Partei ganz nach oben kommen. Mit viel konkreteren Maßnahmen zur Medienbeeinflussung, ob durch Inseratenpolitik oder gefälschte Umfragen, sieht sich heute aber auch die ÖVP konfrontiert. Wer Beeinflussung der Medien ablehnt, sollte aus aktuellem Anlass also vor allem diese beiden Parteien anschauen.
Schritt 2: Denken wir an Alternativen. Wer die juristischen und moralischen Vorwürfe aus der türkis-blauen Regierungszeit nicht gut findet, könnte den anderen Parteien im Parlament eine Chance geben.
Schritt 3: Zusätzlich sollte man auch noch berücksichtigen, wo die Vorwürfe geäußert werden, also auf welcher Ebene. Sonst gibt es das Risiko, dass anständige Leute in der Landespolitik für die Performance ihrer Partei im Bund bestraft werden – und die Wechselwirkung zwischen Bund- und Länder-Ergebnissen ist in Österreich unbestritten. Besser wäre, man setzt sich bei einer Landtagswahl mit Landesthemen auseinander.
Der herbeigeredete Sumpf
De facto passiert aber das genaue Gegenteil dieser Differenzierung. Denn die zahlreichen Korruptionsermittlungen der letzten Jahre, gepaart mit absurden Angriffen auf die österreichische Justiz, lassen kaum einen anderen Eindruck zu, als dass Politik ohne Machtmissbrauch nicht geht. Dazu kommt, dass das Institutionenvertrauen durch die Pandemie ohnehin abstürzt und sich mehr Menschen emotional von der liberalen Demokratie verabschieden.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Genau das ist das Ziel jener Parteien, die echte Korruptionsprobleme haben: Wenn man nur genug Verwirrung stiftet und so tut, als wären alle in der Politik korrupt, sind am Ende alle im Sumpf. Parteien, die nie in der Bundesregierung waren, sind demnach „genau gleich“ wie jene, die gerade die Ermittlungsbehörden beschäftigen. Ob gerechtfertigt oder nicht. Frei nach dem Playbook von Steve Bannon, dem einflussreichen rechten Trump-Einflüsterer: Flood the Zone With Shit.
Es sind eben nicht alle gleich
Ja, gerade in den älteren Parteien des Landes gibt es gravierende Probleme, was Korruption oder zumindest die Haltung zur Transparenz angeht. Das heißt aber nicht zwingend, dass alle so sind – sondern viele, die man als „die Regierungspolitik“ wahrnimmt.
Parteien, die mit den Vorwürfen aus den Schmid-Chats nichts zu tun haben, kommen ins Kreuzfeuer eines Systems, das so tut, als ob es die gesamte liberale Demokratie abbilden würde. Wenn dieses Bild erfolgreich gezeichnet wird, wird nicht nur Politikverdrossenheit gefördert, sondern auch dafür gesorgt, dass sich erst recht nichts ändern wird.