Auf der Suche nach Rezepten gegen die Teuerung
Wer gehofft hat, dass der Lebensmittelgipfel der Bundesregierung mit über 40 Teilnehmer:innen große Lösungen gegen die Teuerung bringen würde, wurde enttäuscht. Politik und Handel haben offensichtlich unterschiedliche Ansichten zur Inflationsbekämpfung, bereits vorliegende Konzepte scheitern entweder an ihrer fragwürdigen Wirksamkeit oder mangelnder Entschlossenheit. Letztendlich blieb der Gipfel also ohne Ergebnis: eine reine Politikshow, um Besorgtheit vorzuspielen und zu signalisieren, dass die Anliegen der Menschen im Mittelpunkt stehen.
Dabei liegt das Kernproblem in der langjährigen Praxis der Bundesregierung, jede Krise mit Milliardenhilfen durch die „Gießkanne“ zu bewältigen. In anderen EU-Ländern sinkt die Inflation seit Monaten, nach zwei Rückgängen steigt sie in Österreich wieder an: In März lag sie bei 9,2 Prozent, im April bereits bei 9,8. Das ist weit entfernt vom jährlichen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent – aber auch vom europäischen Durchschnitt.
Hauptgrund für die Inflation sind die Energiepreise, die in weiterer Folge auch die Produktion und Lebensmittel verteuert haben. Laut Statistik Austria stiegen die Preise im Vergleich zwischen März 2022 und 2023 um 14,6 Prozent, eine EZB-Studie spricht von 13 Prozent höheren Preisen als Deutschland.
Spanien deckelt die Preise
Ein Vorschlag, der von den Grünen ins Spiel gebracht wird, ist die vorläufige Senkung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel. Diese würde zwar alle erreichen, aber auch die Nachfrage nach Lebensmitteln als „Anti-Inflations-Produkte“ steigern – was die Teuerung zusätzlich befeuern würde. Es ist nicht nachgewiesen, dass eine Mehrwertsteuersenkung auf alle Lebensmittel tatsächlich an der Supermarktkassa ankommt, vielmehr ist sie eine vergleichsweise teure finanzielle Maßnahme. Und auch die soziale Treffsicherheit ist umstritten – auch in Zypern bezweifelt der Vorsitzende des Verbraucherverbands, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer bei den Verbraucher:innen ankommen würde.
„Hohe Preise regen zu Substitution, Investitionen und Innovation an und sollten nicht konterkariert werden.“
Institut für Höhere Studien (IHS) in einem Policy Brief
Vor allem aus SPÖ-Kreisen wird gerne das Beispiel Spanien betont, wo mit „Preisdeckeln“ gearbeitet wird. Sieht man sich die Statistik an, zeigt sich aber: 12 Prozent der Hilfszahlungen gingen an private Haushalte, 88 Prozent wurden an alle ausgezahlt – unabhängig von ihrem finanziellen Bedarf. Und auch eine Mietpreisbremse, die in der Regel bald nach ihrer Einführung aufgehoben wird, weil sich Bauen, Vermieten und Sanieren nicht mehr lohnt, wurde dort ausprobiert: Die Gießkanne hat auch auf der Iberischen Halbinsel Hochsaison.
Die Folge der Preiseingriffe: Die Inflationsrate in Spanien liegt mit 4,1 Prozent bei etwa der Hälfte des österreichischen Werts. Trotzdem verlieren die Haushalte in Spanien an Kaufkraft – denn höhere Preise für Gas verschwinden nicht, indem der Staat den Preis deckelt. Die Differenz zum Marktpreis wird vom Staat übernommen. Die Kosten fallen also nach wie vor an, sie werden nur vom Staat bezahlt.
Frankreich setzt auf freiwillige Preissenkungen
Bereits vor dem Gipfel lobte Finanzminister Brunner das „französische Modell“ zur Dämpfung der Teuerung: Dort einigten sich der Lebensmittelhandel und die Regierung darauf, auf freiwilliger Basis die Preise bei bestimmten Lebensmitteln nicht anzuheben und so niedrig wie möglich zu halten. Diese Lösung wurde im März beschlossen, sie soll bis Juni gelten.
Zum Teil zeigt dieser Ansatz Erfolg: Carrefour, immerhin Europas größte Supermarktkette, fror die Preise für 200 Produkte ein, darunter hundert, die man täglich braucht – Waschmittel, Mehl oder Babywindeln. Die anderen hundert bezogen sich auf „gesunde“ Produkte, also z.B. Joghurt oder frisches Obst und Gemüse. Aber dass die Regierung in Paris auf Freiwilligkeit setzte, führte dazu, dass sich nicht alle Supermarktketten an der Maßnahme beteiligten: Manche machen nicht mit, manche legen selbst fest, welche Produkte mit dem Etikett „Anti-Inflation“ ausgezeichnet werden.
Für Österreich wäre ein solches Modell riskant – denn der Wettbewerb im Lebensmittelhandel ist hierzulande besonders beschränkt. Alleine die Konzerne REWE und Spar vereinen 70 Prozent des Markts auf sich, durch das europaweit stärkste Filialnetz haben es potenzielle neue Konkurrenzunternehmen schwer einzusteigen. Das führt zu überproportional hohen Kosten. Und einer Marktstellung, die man ausnutzen könnte.
Ungarn hat höchste Teuerung bei Lebensmitteln
Einen oft geforderten „Preisdeckel“ auf Grundnahrungsmittel hat bisher die Regierung von Viktor Orbán in Ungarn eingeführt. Seit 1. Februar letzten Jahres wurden die Preise auf eine Reihe von Grundnahrungsmitteln auf dem Niveau von 15. Oktober 2021 „eingefroren“ – geplant bis 30. Juni dieses Jahres. Im Endeffekt hat die Preisregulierung aber das Gegenteil dessen bewirkt, was sie sollte: Die Preise anderer Lebensmittel wurden stark angehoben, für viele in Ungarn ist das Leben mittlerweile unleistbar geworden.
Das zeigt sich auch an der Inflation: Auch wenn Österreich kein Musterschüler ist, unsere Inflationszahlen sind wesentlich angenehmer als die in Ungarn. Seit September 2022 steht die Inflation bei über 20 Prozent, im Dezember waren es knapp 25 Prozent. Seit November 2022 beträgt die Inflation auf Lebensmittel durchschnittlich 45 Prozent. Orbáns Ungarn hat damit die höchste Inflationsrate der EU.
Und was kann Österreich gegen die Teuerung tun?
Weder die Senkung der Umsatzsteuer noch ein „Preisdeckel“ sind praktikable Lösungen gegen die Inflation. Auch die Wirtschaftsinstitute IHS und WIFO raten von staatlichen Eingriffen in den Preismechanismus ab. Die „einfachen Lösungen“, die auch international durchprobiert werden, scheitern also in Theorie und Praxis. Was also tun?
Zuerst könnte der Staat z.B. auf die Erhöhung seiner eigenen Gebühren verzichten – diese machen immerhin 11 Prozent der durchschnittlichen Ausgaben aus. Eine spürbare Steuerentlastung auf Einkommen, kombiniert mit treffsicherer Hilfe für soziale Härtefälle, könnte die schlimmsten Folgen der Inflation abfedern. Nimmt man noch Anreize zu sparen und die Nachfrage kurzfristig zu senken dazu, etwa durch eine Senkung der KESt auf Giro- und Sparkonten, wäre schon viel geschafft.
Langfristig helfen aber nur strukturelle Maßnahmen. Wer hohe Energiepreise bekämpfen will, braucht mehr Angebot: also einen deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und einen entsprechenden Ausbau der Netzinfrastruktur. Wer die Lebensmittelpreise reduzieren will, sollte auf Wettbewerb setzen – und dadurch auch über die hohen Zutrittshürden im österreichischen Markt reden. Das bedeutet auch ein Bekenntnis zum freien, grenzüberschreitenden Handel.
Die richtige Antwort auf die Teuerung liegt also nicht in den einfachen Lösungen, sondern in einer langfristigen, strategischen Wirtschaftspolitik. Ja, das klingt weniger sexy und wirkt erst auf Dauer. Umso wichtiger wäre es, schon jetzt damit anzufangen.