Forschungsstandort Österreich: Da geht noch mehr
Reden wir über Forschung. Sie ist nicht nur wichtig, um neue Dinge zu erfahren. Sie ist auch ein wesentlicher Faktor für die Bildung, die Innovationskraft und den Wohlstand eines Landes. Forschung schafft nicht nur die neuen Erkenntnisse, sondern auch Know-how und hochqualifizierte Arbeitsplätze, und die Schaffung von neuem Wissen wirkt sich wiederum positiv auf den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes aus.
In Österreich können aber viele Forschungsvorhaben gar nicht verschenkt werden, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Risikokapital? Fehlanzeige. Dafür eine hohe Steuer- und Abgabenlast. Grundlagenforschung? Chronisch unterfinanziert. Und der Zugang für Wissenschaft und Forschung zu den wichtigen Daten? Ein Hürdenlauf, nicht gewünscht. Darum blicken wir heute auf die Herausforderungen, vor denen der Forschungsstandort Österreich steht. Und auf Wege, wie man ihn verbessern könnte.
1. Der Forschungsstandort hat nichts vom Finanzstandort
Das österreichische Finanzsystem bietet aktuell keinen Anreiz für Unternehmensgründungen. Risikokapital bekommt man hierzulande nur schwer, die Finanzierungsstruktur für Venture Capital ist unzureichend, der Kapitalmarkt ist vergleichsweise klein. Der Anteil von Private Equity am BIP beträgt in Österreich 0,22 Prozent, im europäischen Durchschnitt sind es 0,75. Das sind ernsthafte Hindernisse für den Forschungsstandort – es gibt keinen Anreiz, mit innovativen Ideen ein Unternehmen zu gründen.
Gerade im Forschungsbereich wäre Risikokapital dringend nötig, um Innovation zu fördern: Momentan reicht die bereitgestellte Finanzierung oft nicht aus, um Ideen aus der Forschung in marktfähige Produkte oder Dienstleistungen umzumünzen. Das zeigt sich auch in diversen Rankings: Während die „Innovation Leaders“ seit 2009 und die EU im Durchschnitt seit 2013 ununterbrochenes Wachstum im Bereich Risikokapital verzeichnen, hängt Österreich hinterher – während andere vorbeiziehen.
2. Keine Willkommenskultur für Talente
Ein zweites großes Hindernis für erstklassige Forschung in Österreich: Für hochqualifizierte Arbeitskräfte und die größten Namen der Spitzenforschung sind wir kein interessantes Land. In Sachen „Willkommenskultur“ hinkt die Republik hinterher. Besonders attraktiv sind Länder wie Neuseeland, Schweden und die Schweiz – wenn es um die Attraktivität für qualifizierte Zuwanderung geht, landet Österreich lediglich auf Platz 26 von 36 im OECD-Ranking. Es ist das uninteressanteste deutschsprachige Land für Forschung. Das schadet der Wettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung des Forschungsstandorts.
Die Gründe dafür: Für Fachkräfte ist die Dauer der Visa-Erteilung entscheidend. Und genau da enttäuscht Österreich mit langwierigen bürokratischen Verfahren und undurchsichtigen, teilweise intransparenten Antragserfordernissen, Nachweisen über Deutschkenntnisse – und einer hohen Ablehnungsrate. Dazu kommt, dass die Zuständigkeiten zwischen den Behörden unklar sind, was dazu führt, dass die durchschnittliche Rot-Weiß-Rot-Karte innerhalb von 25 Tagen bearbeitet wird. Ein Weg, den hierzulande viele kennen, etwa aus dem Gesundheitssystem. Für ausländische Talente ist dieser Zustand aber nicht normal – sondern uninteressant.
3. Wenig Geld für Grundlagenforschung
Ein weiterer Faktor für einen attraktiven Forschungsstandort wäre erfolgreiche Grundlagenforschung. Auskunft darüber, wie es um sie steht, gibt der „FTI-Monitor“ des Rates für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung. Er zeigt die wissenschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit Österreichs – und zeigt besorgniserregende Ergebnisse. In Sachen projektbasierte Finanzierung von Grundlagenforschung liegt Österreich konstant weit abgeschlagen hinter den Top-3-Ländern, den Innovation Leaders und dem EU-Durchschnitt insgesamt.
Das ist wenig überraschend: Immerhin muss an vielen Stellen Personal eingespart werden, es stehen kaum genügend Fachleute zur Verfügung. Ein Beispiel dafür liefert Sepp Hochreiter vom Wiener Institute of Advanced Research: Der Pionier der künstlichen Intelligenz, der mit einem „Austro-ChatGPT“ schon früh große Erfolge vorweisen konnte, war 2023 gezwungen, 20 Fachleute zu kündigen – es gab schlicht zu wenig Geld. Und das in einer Zeit, in der vergleichbare KI-Produkte gerade durchstarten. Gerade hier wäre eine deutliche Erhöhung des Budgets für Grundlagenforschung notwendig. Nicht nur um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, sondern auch um den Forschungsstandort Österreich zu festigen.
4. Der zähe Gründungsprozess in Österreich
Wer aus dem Ausland nach Österreich kommt, um mit seinem Unternehmen zu forschen, zu gründen oder zu investieren, braucht vor allem eines. Die Antwort ist nicht „Talent“, sondern: einen Notariatsakt. Diese absurde Formvorschrift führt zu zusätzlichen finanziellen Belastungen und enormem Zeitaufwand. Die Tatsache, oft nicht persönlich zur Unterzeichnung erscheinen zu können, erfordert Vollmachten, die wiederum notariell beglaubigt werden müssen – ein Teufelskreis. Das ist ein Aufwand, den viele Gründerinnen und Gründer nicht tätigen können. Oder wollen.
2024 gibt es noch immer keine Möglichkeit, eine Gründung auf Englisch durchzuführen. Das macht Österreich international enorm unattraktiv. Die Republik mag gut im Verwalten sein, aber an Innovationsgeist und Erfindungsfreude fehlt es ihr: Eine Tatsache, die zahlreiche internationale Rankings unterstreichen. Während die Schweiz im Global Innovation Index seit 2018 kontinuierlich den ersten Platz belegt, rutscht Österreich weiter ab – und verliert seinen Anschluss an die internationale Spitze.
Ein 6-Punkte-Plan für den Forschungsstandort
Aus diesen Problemen speist sich ein recht einfach verständlicher Plan, mit dem Österreich zum attraktiven Forschungsstandort wird.
- Förderung für Grundlagenforschung: Forschung kostet Geld – und es kann nicht sein, dass eine österreichische Variante von ChatGPT nie das Leben erblickt, weil es daran mangelt. Hier sollte der Staat gezielt fördern, um Talente aufzubauen und zu halten.
- Günstige Rahmenbedingungen für Risikokapital: Es kann aber nicht alles vom Staat kommen: Forschung soll sich auch rechnen können. Dafür braucht es Privatkapital und Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass es bei uns investiert wird.
- Qualifizierte Zuwanderung: Um international gefragte Fachkräfte nach Österreich zu holen, braucht es ein Bekenntnis dazu. Statt permanent zu überlegen, wie man Migration verhindern kann, braucht die Republik ein Rebranding – zum interessanten Standort für Talente.
- Massiver Bürokratieabbau: Eine Gründung sollte einfach, schnell und auf Englisch gehen. Es gibt keinen Grund, warum gerade die, die so wichtig für unseren Forschungsstandort wären, lange warten sollten.
- Mehr Daten nutzen: Da es am rechtlichen Rahmen fehlt, tappt die Wissenschaft oft im Dunkeln. Das ist nicht nur für den Forschungsstandort ein Problem – die Politik nimmt sich auch selbst die Möglichkeit, bessere Entscheidungen zu treffen.
- Regulatory Sandboxes: So wie Kinder in der Sandkiste etwas ausprobieren, brauchen auch Forscherinnen und Forscher die Möglichkeit, im geschützten Rahmen innovative Ideen auszuprobieren.
All diese Punkte sind nicht neu: Sie sind seit Jahren bekannt. Entsprechend liest sich auch das Forschungs-Kapitel im Regierungsprogramm, auf das sich die Grünen und die ÖVP 2019 verständigt haben. Sie „wollen auch in Zukunft Österreich zu einem attraktiven Standort für Lehrende und Studierende machen“, steht dort, genau wie das Versprechen „verbesserte Anreize als privates Risikokapital für innovative Start-ups und KMUs und eine Stärkung des öffentlichen Risikokapitalmarktes“.
Auch Regulatory Sandboxes wären dort vorgesehen, sind aber nie gekommen. Es war noch die Ministerin Elisabeth Köstinger, die 2021 das Reallaborrahmengesetz versprochen hatte, drei Jahre später warten wir noch immer darauf. Und das, obwohl es inzwischen auch Finanzminister Brunner und Staatssekretär Tursky versprochen hätten, genau wie den „Data Governance Act“. Im Ausschuss hieß es zuletzt, dass das Gesetz spätestens Ende 2023 kommen sollte. Fazit: Viele Gesetze, die groß angekündigt worden waren, sind nach wie vor ausständig.
Und auch im „Österreichplan“, dem Wahlprogramm der ÖVP unter Karl Nehammer, steht: „Bei der Forschungsquote Nummer 1 in Europa zu werden“. Die ÖVP ist seit 37 Jahren in der Regierung – geliefert hat sie wenig. In Österreich sind Forscherinnen und Forscher nach wie vor Gefangene der Bürokratie. Die Maßnahmen, die eine fortschrittliche Bundesregierung zu tätigen hätte, liegen aber auf dem Tisch. Höchste Zeit, sie umzusetzen.