ChatGPT in der Schule: Schulschluss für Lehrer:innen?
Künstliche Intelligenz ist kein schulischer Weltuntergang, sondern eine Chance, Schule personenorientierter zu gestalten.
„New Yorker Schulen verbieten ChatGPT“, „Werden Lehrer:innen jetzt überflüssig?“, „Wer hat Angst vor der KI?“
Unter solchen und ähnlichen Titeln erschienen zuletzt einige Beiträge in den Medien. Was die künstliche Intelligenz für die Schulen bedeutet, war dabei eine der vordringlichen Fragen. ChatGPT ist sicher die beeindruckendste KI, die aktuell verfügbar ist: Mit einer simplen Eingabe, was herauskommen soll, produziert sie authentisch wirkende, sogar kreative Texte. Gehören Hausübungen damit der Vergangenheit an? Sollte man vollständig zu Füllfeder und Papier zurückkehren, um Schummeleien zu verhindern? Wird sich die Schule nun radikal verändern (müssen)?
Ganz abgesehen davon, dass all diese Ängste lediglich die Tatsache kaschieren, dass es zu jedem Zeitpunkt Möglichkeiten für „Betrug“ an Schulen gab, sind sie wohl auch mehrheitlich unbegründet. Einerseits gibt es bereits Tools, die Lehrer:innen helfen sollen, herauszufinden, ob ein Text mithilfe von OpenAI verfasst wurde oder ein eigenes Werk darstellt. Andererseits illustrieren die Ängste vor dem Ende des Lehrer:innendaseins – eine etwas eigenwillige Befürchtung in Zeiten des akuten Lehrkräftemangels – sowie vor Missbrauch und dem Untergang der Hausübungen einen elementaren Mangel an Bereitschaft, sich auf technologische Veränderungen einzustellen.
Die „Angst vor der KI im Klassenzimmer“ offenbart durchaus ein antiquiertes Bild dessen, was im Unterricht passiert oder zu passieren hat. Was nicht heißen soll, dass Handschriftübungen nicht auch in Zukunft ihren Platz im Unterricht haben sollen.
Was durch ChatGPT möglich wird
Die Diskussion über das Verhältnis von künstlicher Intelligenz und Schule sollte uns dazu veranlassen, die Perspektive zu wechseln. Was und wie sollen Schüler:innen unserer Meinung nach in der Schule eigentlich lernen? Wollen wir, dass sie lediglich Wissen reproduzieren, sich also eigentlich nur wie „Wissenscontainer“ verhalten, die sogenanntes „Wissen niederer Ordnung“ wiedergeben können? Dann ist ChatGPT tatsächlich eine Gefahr für den konventionellen Unterricht.
Oder wollen wir, dass unsere Kinder mit Wissen umzugehen lernen, zu diesem Stellung nehmen, es zu der ihnen vertrauten Realität in Beziehung setzen und kreativ verarbeiten können, also ein höheres Wissensniveau entwickeln? Dann ist künstliche Intelligenz eine Chance, die Schule personenorientierter zu gestalten. Das heißt, dass wir den persönlichen Interessen, Perspektiven und Sinn-Momenten der Kinder mehr Raum geben können.
Mediendidaktiker:innen haben bereits auf einen möglichen Zugang hingewiesen: das Abfragen von Beurteilungen und unkonventionellen Zugängen statt nach einer Auflistung von Sachverhalten zu fragen. Dazu muss auch das sprichwörtliche Rad nicht neu erfunden werden, es müssen lediglich vermehrt Aufgabenstellungen formuliert werden, die höhere Kompetenzniveaus erfordern. Engagierte Lehrkräfte tun das seit Jahren.
Die Frage, wo man im persönlichen Alltag die Auswirkungen des Klimawandels wahrnimmt, ist beispielsweise schon jetzt eine gängige Essay-Frage, um inhaltliches Verständnis zu schulen oder zu überprüfen. KI-gestützte Textgeneratoren könnten in so einem Setting ein inhaltlicher oder struktureller Gegencheck für die eigene Argumentation sein. ChatGPT wird darin zu einer inhaltlichen Ressource, die einem als Faktenchecker dienen kann. Das Programm wird damit an den Platz verwiesen, der ihm zusteht: als ein zusätzliches Werkzeug, das man bei Bedarf verwendet.
ChatGPT – ein neues Werkzeug für den Unterricht
Werden KI-basierte Textgeneratoren die Schule verändern? Möglicherweise. Allerdings vor allem dahingehend, dass Lehrer:innen und Schüler:innen ein neues Werkzeug zur Verfügung steht, das man in den Lernprozess integrieren kann. Das setzt voraus, dass man – wie auch schon Bernhard Gmeiner im Standard geschrieben hat – sich der neuen Technologie gegenüber nicht verschließt, sondern passende Unterrichtsmethoden entwickelt. Die Stärke von ChatGPT liegt – Stand heute – im Reproduzieren von vorhandenen Inhalten, nicht in der kreativen Auseinandersetzung mit Inhalten.
Vielleicht wäre es also an der Zeit, reine Reproduktionsfragen im Schulkontext zu hinterfragen und stattdessen den persönlichen Perspektiven der Schüler:innen auf Bildungsinhalte einen größeren Raum zu geben. ChatGPT könnte so eine Chance sein, Schule stärker an den handelnden Personen zu orientieren, um weniger zu lehren, dafür mehr und vertiefter zu lernen.