Die Kammern und das liebe Geld
Die 13 Kammern Österreichs sind, wie in einem anderen Text bereits ausgeführt, finanziell sicher ausgestattet. Die Reserven, die sie haben, die Gehälter und Pensionen, die sie an ihre Angestellten zahlen – all das sind sichere Indikatoren dafür, dass es gut läuft. Gut bezahlte Mitarbeiter:innen sind kein Problem, sind die Kammern doch nach dem Gesetz für Beratung und das Vertreten der Interessen der Mitglieder zuständig. Doch was die Kammern neben den Fixkosten mit dem Geld, das Pflichtmitglieder beitragen, veranstalten, wirft oft ein schiefes Licht auf das ganze Kammernsystem. Eine Aufzählung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Landwirtschaftsministerin und der Muttertag in der Bauernzeitung
Den Gesetzen zufolge, die die Kammern definieren, ist ihre wichtigste Aufgabe die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder. Beispiel: Die Wirtschaftskammer soll sich um die Anliegen der Unternehmer:innen kümmern. Das gilt natürlich auch für die Landwirtschaftskammer und die größte Fraktion dort – den ÖVP-nahen Bauernbund. Die Fraktionen in den Kammern sollten die Ziele der Institutionen unterstützen, haben aber oft ganz andere Interessen.
Der aktuelle Untersuchungsausschuss zur Korruption der ÖVP hat unter anderem eine kuriose Kooperation des Landwirtschaftsministeriums unter der Kurz-Vertrauten Elisabeth Köstinger in der Bauernbund-Mitgliederzeitung zutage gefördert. Und die geht kaum als Interessenvertretung für die Landwirtschaft durch. Zwei Wochen vor der EU-Parlamentswahl im Mai 2019 lachte Köstinger unter der Überschrift „Muttertagsgrüße von der Ministerin“ aus der Zeitung. Im Text empfiehlt die Ministerin, den Muttertag „nicht nur traditionell mit Blumen“, sondern „auch mit einem regionalen Frühstückskorb“ zu zelebrieren.
Um auf das Engagement von Österreichs Bäuerinnen und Bauern „aufmerksam zu machen“, würde die Bauernzeitung gemeinsam mit dem Ministerium „diese Woche auch Zehntausende Unsere Bäuerinnen sind Powerfrauen-Aufkleber“ versenden, heißt es weiter. Ein Inserat ist die strahlende Ministerin allerdings nicht – denn das würde unter das Kopfverbot fallen, Inserate dürfen nicht mehr mit Bildern von Amtsträger:innen abgedruckt werden. Der redaktionelle Mehrwert hinter dem Artikel ist allerdings auch fragwürdig, und die Stickeraktion kostete das Ministerium 36.611 Euro – 14 Tage vor einer wichtigen Wahl.
Der Inseratenregen für die ÖVP-Bauernzeitung
Und auch 2017, das Jahr, in dem Kurz mit seiner Volkspartei Neuwahlen vom Zaun brach, war ein gutes Jahr für die größte Fraktion in der Landwirtschaftskammer. Im Neuwahljahr stiegen die Ausgaben für Inserate des Landwirtschaftsministeriums auf über eine halbe Million Euro. Im Jahr davor beliefen sie sich auf lediglich 144.216 Euro.
In den Jahren unter Ministerin Köstinger blieb das Budget auch verlässlich deutlich höher als vor ihrem Amtsantritt. Einer der großen Nutznießer davon: die Bauernzeitung. Zu Köstingers Amtszeit war nämlich dieses Medium des Bauernbundes, bundesweite Reichweite von 139.100 pro Woche, auf Platz zwei der Zeitungen, in denen das Landwirtschaftsministerium inseriert hatte – insgesamt über 400.000 Euro.
Die undurchsichtigen Inserate der Wirtschaftskammer
Wie die Landwirtschaftskammer ist auch die Wirtschaftskammer von der ÖVP-Fraktion des Wirtschaftsbundes dominiert. Wenig überraschend ist daher, dass die WKO sich Inserate in den Medien des Wirtschaftsbundes nicht zu genau anschauen will. Nachdem der Wirtschaftsbund-Inseraten-Skandal in Vorarlberg im Frühjahr 2022 publik wurde und der Wirtschaftsbund-Direktor sowie der Wirtschaftskammer-Präsident im Bundesland zurückgetreten waren, war das Thema Parteienfinanzierung über WKO-Inserate in aller Munde.
Auch in anderen Bundesländern wurden Inserate von Landesregierungen an Fraktions-Medien, meistens jene des Wirtschaftsbundes, durchleuchtet. Doch Rufe nach solch einer Prüfung in der Bundes-WKO durch das Kontrollamt, eine Art interne Revision der Kammer, wurden ignoriert. Ein Antrag der Opposition im zuständigen Kontrollausschuss der WKO wurde von ÖVP- und SPÖ-Fraktion blockiert – zu viel Transparenz ist in der WKO offenbar nicht gewünscht.
Die WKO-Party im Corona-Sommer
Im August 2020 war wohl den wenigsten in Österreich zum Feiern zumute. Der harte Lockdown des Frühjahrs war noch allen gut in Erinnerung, die Sorge über den Herbst groß. Wann es den ersten Impfstoff geben würde, war noch nicht absehbar.
Vonseiten der Bundesregierung wurde an die Bevölkerung appelliert, trotz der zu dem Zeitpunkt niedrigen Infektionszahlen auf große Treffen und Feiern zu verzichten, große Volksfeste und Veranstaltungen wurden abgesagt. Und auch die Unternehmen und die Wirtschaft hatten enorm schwierige Zeiten. Davon war in der Wirtschaftskammer Niederösterreich aber anscheinend nichts zu spüren. Am 27. August wurde nämlich der Abschied der langjährigen WKO-Niederösterreich-Präsidentin Sonja Zwazl betrunken. Die Feier zahlte die WKO – und damit ihre Mitglieder, die Betriebe, die in diesem Sommer durch extrem harte Zeiten gingen. Kostenfaktor: rund 54.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen.
Der vergoldete WKO-Doppelchef
Geradezu lächerlich klein wirken die Kosten der Abschiedsfeier in Niederösterreich im Vergleich dazu, was sich Josef Herk geleistet hat. Er ist Chef der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsbundes der Steiermark in Personalunion. In diesen Funktionen genehmigte er sich üppige Gagen: Sein Gehalt als WKO-Präsident wurde um 50 Prozent erhöht, ebenso jenes der Vizepräsidenten. Beschlossen wurde das durch das Präsidium, das praktischerweise eben aus dem Präsidenten und seinen drei Stellvertreter:innen sowie dem WKO-Direktor besteht.
Genug war es aber anscheinend immer noch nicht, denn auch der Wirtschaftsbund genehmigte seinem Vorsitzenden eine monatliche Aufwandsentschädigung von 4.000 Euro – für eine Funktion, die vor Herk rein ehrenamtlich war.
Die Arbeiterkammer und ihr Thinktank
Auch die Arbeiterkammer scheint die Sparsamkeit, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist, manchmal etwas freier zu interpretieren. Obwohl die AK selbst auf ausreichend inhaltlicher Expertise und Personal dafür sitzt, finanziert sie seit 2019 das Momentum Institut mit. Konkret geht es um 900.000 Euro im Jahr 2021, wie das Institut im Frühjahr 2022 offenlegen musste. Weitere 400.000 Euro kamen vom ÖGB, insgesamt 300.000 über Spenden.
Symbolbild, produziert mit DALL-E 2
Die AK sponsert damit einen Thinktank aus der eigenen politischen Sphäre. Die Gründerin Barbara Blaha war davor 2005 für den sozialdemokratischen Studierendenverband VSStÖ als Spitzenkandidatin bei der ÖH-Wahl angetreten. Das Momentum Institut betont währenddessen, dass es parteipolitisch unabhängig sei, was bei den Machtverhältnissen innerhalb der zwei größten Geldgeber allerdings eine recht leichtfüßige Selbsteinschätzung ist.
Und die Moral?
Diese kurze Liste ist bei weitem keine vollständige Aufzählung von Skandalen und Skandälchen, die nur in den letzten Jahren aufgekommen sind. Die Verflechtung zwischen den Kammern als unabhängig gedachte Interessenvertretungen und den Parteien hat allerdings über die Jahre zu immer weniger Transparenz geführt, in der die ursprüngliche Aufgabe zu kurz zu kommen droht. Diese Skandale haben dem Bild der Politik und des politischen Systems massiv geschadet. Es wäre dringend an der Zeit, hier mit Reformen und dem Mut zur Transparenz entgegenzuwirken.