Digitale Baustelle Österreich
Daten der öffentlichen Hand sind das Herzstück digitaler Verwaltung und haben ein enormes volkswirtschaftliches Potenzial, wenn sie richtig verwendet werden. Um die verborgenen Schätze des Daten-Ökosystems heben zu können und Österreich auf dem Weg zum digitalen Vorreiter zu stärken, bedarf es einer Überarbeitung der bestehenden Rahmenbedingungen. Die Krisen der vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, wie dilettantisch die österreichische Bundesregierung mit Daten umgeht. Die Ministerien hüten gewaltige Datenmengen, die größtenteils unverwendet bleiben. Die Daten verharren dezentral in Silo-Strukturen innerhalb der verschiedenen Ministerien, die auch in Krisenzeiten weiterhin zögern, sie zur Verfügung zu stellen und miteinander zu verknüpfen. Wichtig ist, die Daten nutzbar zu machen, miteinander zu verknüpfen und dadurch solide Grundlagen für politische Entscheidungen zu schaffen.
Alles dreht sich um Daten
Im digitalen Zeitalter haben Daten einen Stellenwert erreicht, der mit dem von Öl vergleichbar ist. Wenn sie effizient genutzt werden, können sie dem Wirtschaftsstandort und der Gesellschaft als Rohstoff für bahnbrechende Innovationen enorme Vorteile bieten. 2018 wurden weltweit 33 Zettabyte (also 33 Milliarden Terabyte) generiert, letztes Jahr waren es schon 100. Die Bewältigung komplexer und rasant wachsender Datenmengen, zusammen mit den rechtlichen und technischen Nutzungsbarrieren, ist eine erhebliche Hürde bei der Entwicklung digitaler Anwendungen. Der Economist erkannte bereits 2017:
„The world’s most valuable resource is no longer oil, but data.“
Dieses schöne Zitat wurde von Staatssekretär Florian Tursky in einer Digital-Kampagne verwendet, die stark auf der Datenthematik aufgebaut ist. Seine PR-Agent:innen haben diesen Slogan erfolgreich übernommen, um die Bedeutung von Daten als Ressource auf gleicher Ebene mit Öl zu positionieren – jedoch handelt es sich lediglich um eine PR-Strategie mit knackigen Überschriften, ohne dass tatsächlich wichtige Maßnahmen ergriffen werden.
Wo bleibt die österreichische Datenstrategie?
Es gibt zahlreiche digitale Projekte, die unter der Leitung des Staatssekretärs laufen, aber bisher bleiben die vollen Potenziale der Daten und der Digitalisierung ungenutzt. Auf europäischer Ebene sind bereits einige Schritte gesetzt worden, wie z.B. die Einführung des Data Governance Acts – aber Österreich verfügt nach wie vor über keine nationale Datenstrategie.
Der Data Governance Act gilt seit 24. September 2023 in allen Mitgliedstaaten und ist eine wichtige Säule der europäischen Datenstrategie. Dabei geht es darum, den Datenaustausch zu erleichtern und den Zugang zu Daten aus dem öffentlichen Sektor zu verbessern.
Das einzige Problem dabei: Der Data Governance Act ist eine Richtlinie, also eine Rechtsnorm, die nur vorgibt, was erreicht werden soll. Wie diese Ziele umgesetzt werden, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Dafür wäre eine Datenstrategie notwendig. Aber die jüngsten Krisen haben gezeigt, wie groß der Rückstand in diesem Bereich ist. Obwohl die Qualität und der Umfang von Daten entscheidend sind, wenn man evidenzbasierte politische Entscheidungen und eine effiziente Verwaltung will.
Digitalisierung im Schneckentempo
Eine wichtige Maßnahme des Data Governance Acts wäre die Errichtung einer unabhängigen zentralen Informationsstelle und weiterer Stellen, die Zugang zur Weiterverwendung von Daten gewähren und den Datenschutz laufend überblicken sollen. Klingt nach einer einfachen Aufgabe – in einem anderen Land.
Denn in Österreich gab es monatelange Streitigkeiten zwischen den Ministerien darüber, wer die koordinierende Rolle übernehmen soll. Erst in letzter Sekunde wurde die Zuständigkeit erklärt: Am 26. Juli wurde angekündigt, dass das Finanzministerium die Koordinierung und nationale Umsetzung der europäischen Strategie übernimmt – aber die zuständigen Stellen wurden nach wie vor nicht benannt. Unter dem Motto „Nur ned hudeln“ zeigt die österreichische Regierung keinerlei Eile bei der Umsetzung der europäischen Vorschriften.
Wie digital ist öffentliche Verwaltung?
Die Idee einer digitalen Verwaltung, von der sowohl Unternehmen als auch Bürgerinnen und Bürger in Österreich profitieren sollten, scheint in den letzten Jahren stagniert zu sein. Dies wird durch verschiedene europäische und internationale e-Government-Indizes deutlich gemacht.
In den sozialen Medien verkündet Staatssekretär Tursky mit Stolz, dass Österreich in der DACH-Region die besten e-Government-Lösungen bietet. Die DACH-Region umfasst jedoch drei Länder, und es wäre sicherlich enttäuschend, wenn Österreich nicht führend wäre.
Dennoch: In internationalen E-Government-Rankings verliert Österreich weiterhin den Anschluss. Wir sind weder die Nummer 1, noch gehören wir zu den Spitzenreitern wie Dänemark, die Niederlande oder Schweden. Statt sich zu verbessern, ist Österreich in der E-Government-Benchmark der Europäischen Kommission vom 13. auf den 14. Platz abgerutscht. Auch der UN E-Government Development Index zeigt, dass Österreich im Jahr 2020 auf dem 15. Platz lag und heuer auf dem 20. Platz. Das ist definitiv kein Grund, stolz zu sein. Wie wäre es mit dem Vergleich Österreichs mit skandinavischen Staaten, Herr Staatssekretär?
Es ist auch wichtig zu beachten, dass Künstliche Intelligenz (KI) einen großen Datenhunger hat. Die Qualität der digitalen Innovationen hängt stark von den zugrunde liegenden Daten ab. Wenn die KI mit unvollständigen und minderwertigen Daten gefüttert wird, liefert sie entsprechend schlechte Ergebnisse.
Nach dem DESI-Index 2023 setzen rund 9 Prozent der österreichischen Unternehmen künstliche Intelligenz (KI) ein, das platziert Österreich im europäischen Mittelfeld auf dem 10. Platz. Im Gegensatz dazu setzen in Dänemark bereits 24 Prozent der Unternehmen auf KI. Auch bei der Nutzung von Cloud-Lösungen in Unternehmen rangiert Österreich auf dem 19. von 28 Plätzen. Beim Einsatz von Big Data in Unternehmen sieht die Lage noch dramatischer aus: Etwa 9 Prozent der österreichischen Unternehmen nutzen Big Data, während in den Niederlanden und Dänemark der Anteil bei rund 27 Prozent liegt.
Wie steht es um die digitalen Kompetenzen in Österreich? Immerhin verfügen rund 63 Prozent der Bevölkerung im Alter von 16 bis 74 Jahren über zumindest grundlegende digitale Kenntnisse, damit liegen wir über dem EU-Durchschnitt von 54 Prozent. Die Europäische Kommission strebt das Ziel an, dass bis 2030 mindestens 80 Prozent der Bevölkerung im Alter von 16 bis 74 Jahren in den EU-Mitgliedstaaten über grundlegende digitale Kenntnisse verfügen sollen.
In Österreich hat Staatssekretär Tursky den Wunsch, dass bis 2030 nahezu alle Menschen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen. Das Ziel scheint unrealistisch zu sein – besonders wenn er seine Agenden ablegen wird, um im April 2024 als Bürgermeister von Innsbruck zu kandidieren.
Datenverknüpfung im Schneckentempo
Finanzminister Brunner sowie Staatssekretär Tursky haben die Bedeutung verknüpfter Daten in einem digitalen Staat endlich anerkannt und sogar in einigen Interviews versichert, die Daten bis Herbst 2023 miteinander zu verknüpfen. Der Register- und Systemverbund, gedacht als eine zentrale Plattform für Anbindung aller Register, ist seit Mai 2020 im Einsatz.
Bedauerlich ist nur, dass heuer lediglich sieben neue Register von insgesamt 128 an den Register- und Systemverbund angeschlossen wurden. Man muss nicht Mathematik-affin sein, um ausrechnen zu können, dass bei diesem Tempo gute 18 Jahre vergehen würden, bis alle Register tatsächlich miteinander verknüpft sind. Das zeigt symptomatisch den Zustand: Die Digitalisierung ist in einer Sackgasse, die nur mit mehr Mut und Entschlossenheit seitens der Bundesregierung überwunden werden kann.