E-Sports: Die unterschätzte Zukunftsbranche
E-Sports, also das professionelle Spielen von Videospielen, erfreut sich weltweit immer größerer Beliebtheit. Auch in Europa wächst die Branche kontinuierlich. Wie E-Sports organisiert, finanziert und verwaltet werden – und wieso wir in Österreich in diesem Bereich zurückliegen.
E-Sports ist längst kein Nischengeschäft mehr, sondern ein großer internationaler Markt, welcher vor allem in den Ländern China und Südkorea mittlerweile im Mainstream angekommen ist. Ein Markt, der mehrere Millionen US-Dollar wert ist und jährlich um weitere Millionen US-Dollar wächst. Persönlichkeiten aus dem E-Sports-Bereich sind dort genauso bekannt wie bei uns Fußballspieler.
Auch die Regierungen der einzelnen Staaten haben das Potenzial erkannt und versuchen sich E-Sports als Aushängeschild für den technologischen Fortschritt des eigenen Landes zunutze zu machen. Besonders der Markteinfluss aus China könnte für Europa zum Verhängnis werden – und den Einfluss der Volksrepublik auf Europa und den Westen nochmal verstärken.
Die globale Dimension von E-Sports
Beginnen wir erstmal mit ein paar Zahlen, die sehr deutlich zeigen, womit wir es hier eigentlich zu tun haben: Nach aktueller Schätzung der niederländischen Marktforschungsfirma „Newzoo“ werden E-Sports im Jahr 2025 weltweit einen Umsatz von 1,8 Milliarden US-Dollar erzielen. Die Zuschauer:innenzahl soll 2025 geschätzt 640,8 Millionen betragen.
Die dabei führenden Länder sind die Volksrepublik China, Südkorea und die USA. Diese Länder haben das Potenzial von E-Sports schon sehr früh erkannt und in diesen Bereich viel Geld investiert. Besonders Südkorea hat in einigen Titeln, wie beispielsweise dem bekannten Spiel League of Legends, mehrmals Weltmeisterschaften gewonnen. Trotz der staatlichen Regulation in China, wo der Staat den Zugang zu Online-Games für Kinder limitieren will, ist China im Bereich E-Sports aus finanzieller Sicht mit einem Umsatz von 403,1 Millionen US-Dollar das erfolgreichste Land.
Die E-Sports-Giganten kommen aus Asien
Grund für den Erfolg dieser Länder ist nicht zuletzt die Anerkennung von E-Sports als Sport. Die ersten Länder, die das getan haben, waren Südkorea, die Volksrepublik China und Südafrika. In Südkorea gibt es mit der „Korea e-Sports Association“ eine offizielle Verwaltungsentität, die direkt dem Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus untergeordnet ist. Diese Organisation ist auch Teil des Olympischen Komitees von Südkorea, obwohl E-Sports vom Internationalen Olympischen Komitee noch nicht als Sport anerkannt wurden und es dafür auch noch keine Disziplin gibt.
Stichwort China: Verantwortlich für den Erfolg chinesischer Teams ist unter anderem der chinesische Technologiekonzern „Tencent“, welcher beispielsweise den Gaming-Publisher „Riot Games“ gekauft hat und nun dessen Muttergesellschaft ist – das ist das Unternehmen, zu dem die bekannten E-Sports-Titel wie League of Legends oder Valorant gehören. Besonders League of Legends ist in China äußerst beliebt.
Dabei ist Tencent nicht gerade das beste Beispiel für Datenschutz: In der Vergangenheit kam es immer wieder dazu, dass Tencent Nutzer in der eigenen und in China beliebtesten Messaging-App „WeChat“ gesperrt hat, nachdem diese Kritik am Unternehmen äußerten. Wie stark der Einfluss von Tencent auf Riot Games ist, kann stichhaltig nicht bewiesen werden – es gibt jedoch gewisse Anzeichen dafür, dass Tencent dem Publisher doch einige Dinge vorgibt.
So hat sich Riot Games in der Corona-Pandemie großteils an den chinesischen Maßnahmen orientiert. Auch in Europa wurde 2020 und 2021, unabhängig von Inzidenzzahlen, fast nur online gespielt statt im üblichen Studio mit Live-Publikum in Berlin – zulasten der Teams, der Spieler und der Fans. Großveranstaltungen wurden oft kurzfristig abgesagt oder verschoben. Selbst 2022, als die Coronazahlen in Berlin sehr niedrig waren, gab es von Riot Games weiterhin übermäßig strenge Vorgaben wie hybride Spiele, keine Zuseher:innen und reduzierten Kontakt. Alles Maßnahmen, die sehr der „Zero Covid“-Politik der Volksrepublik China ähneln und auch dort praktiziert wurden.
Europa als E-Sports-Entwicklungsland
Blicken wir nun aber auf Europa, wo die Situation ganz anders aussieht. In Europa erkennen lediglich Finnland, Italien, Dänemark, Bulgarien und die Ukraine E-Sports als Sport an. Neben der Akzeptanz als Sport existieren in über 60 Nationen offizielle E-Sports-Verbände, die auch teilweise vom Staat gefördert werden. Auch in Österreich gibt es eine offizielle Interessenvertretung: den eSport Verband Österreich, kurz ESVÖ.
Trotzdem ist anzumerken, dass Deutschland und Schweden beim Thema E-Sports besonders hervorstechen. Obwohl sie in Schweden nicht als Sport anerkannt werden, sind die kompetitiven Videospiele in der Gesellschaft sehr präsent, wohl auch aufgrund der allgemein hohen Akzeptanz gegenüber digitalen Technologien. Dass E-Sports im normalerweise digital sehr schwach aufgestellten Deutschland wirtschaftlich eine immer höhere Relevanz bekommen, liegt einerseits an der Marktsituation und an der Investitionsfreudigkeit von internationalen Publishern in E-Sports-Studios oder E-Sports-Events. Das Unternehmen „ESL Gaming“, einer der größten E-Sports-Veranstalter in Europa, wurde 2000 in Köln gegründet, und Großmarken wie die deutsche Telekom, Vodafone oder BMW sponsern Teams in der höchsten und zweithöchsten Spielklasse.
Woher das Geld für E-Sports kommt
Man fragt sich bei all diesen Größen zu Recht: Wo kommt das Geld dafür her? Die Antwort ist sehr ähnlich wie beim traditionellen Sport: Die primäre Einnahmequelle für E-Sports ist und bleibt das Sponsoring, auf Platz zwei folgen die Übertragungsrechte für einzelne Spiele an Publisher oder Veranstalter:innen. Danach kommen die Gebühren an die Publisher und zum Schluss die Umsätze aus Fanartikeln, Tickets und Streaming.
Große internationale Konzerne wie Spotify, Mastercard, Nestlé oder auch Red Bull haben schon längst das Potenzial von E-Sports erkannt und investieren viel Geld in diesen aufstrebenden Markt. Das Sponsoring fällt dabei sehr unterschiedlich aus: Sei es mit Branding auf den Trikots von E-Sport-Teams, wie es auch zum Beispiel im Fußball gemacht wird, mit Werbeanzeigen oder Promotion-Videos mit Organisator:innen und Ligabetreiber:innen. Oder direkt in eigenen Ligen, wie beispielsweise der Hardwarehersteller Intel mit seinem Event „Intel Extreme Masters“.
Neben den „traditionellen“ Marken, wie oben erwähnt, sind es aber primär Hardwareunternehmen oder Produzent:innen von „Gaming-Chairs“ – also Schreibtischsesseln, die speziell für längeres Sitzen optimiert sind –, die E-Sport sponsern. Naheliegend, weil E-Sport nicht ohne Hardware wie PC, Tastatur, Maus und Co. durchgeführt werden kann – dadurch ist es nur logisch, dass Hardwareunternehmen bzw. generell Unternehmen aus der MINT-Branche die primären Sponsoren sind. Jedoch ist positiv anzumerken, dass auch Marken aus anderen Branchen die Wichtigkeit von E-Sports anerkennen und darin investieren.
Kosten wie im traditionellen Sport
Neben den Organisationen von E-Sport-Events und -Ligen sind vor allem die Teams auf Sponsoring als primäre Einnahmequelle angewiesen. Selbst die größten Organisationen mit vielen Gewinnen und einer langen Geschichte kommen nicht ohne sie aus. Außerdem sind Preisgelder, so umfassend sie auch sein mögen, vom Erfolg des Teams abhängig und nur eine einmalige Finanzspritze. Der Betrieb eines E-Sport-Teams frisst mehr Geld, als man meinen würde: Spieler:innen, Trainer:innen und das Management müssen bezahlt, Trainingsräume gemietet und eine Verwaltung betrieben werden. Alles Punkte, welche Monat für Monat Geld benötigen – wie im klassischen Sport.
In einigen Ligen kommt zusätzlich noch dazu, dass eine Gebühr an den:die Veranstalter:in gezahlt werden muss, damit das Team seinen Platz in einer Liga mit Franchising-System behalten kann. Gerade die Spieler:innen, die ja für den Erfolg des Teams essenziell sind, werden heutzutage in den professionellen Ligen für Millionen am Transfermarkt gehandelt. Sie sind sich ihres Werts durchaus bewusst, was dann dazu führt, dass ihre Forderungen auch immer höher werden. Die Zeiten, in denen alle Spieler:innen gemeinsam in einem „Gaming House“ gelebt und gemeinsam trainiert haben, sind bei vielen großen Teams längst vorbei. Die Mehrheit von ihnen wohnt mittlerweile selbstständig in Wohnungen, bezahlt vom Team. Auch wiederum Kosten, die gedeckt werden müssen.
Alles also eine Situation, die für E-Sport-Teams nicht immer einfach zu bewältigen ist. Einerseits braucht es gute Spieler:innen, die viel Geld kosten, damit das Team erfolgreich ist und die Sponsor:innen zufrieden sind. Wenn der Erfolg aber ausbleibt – und sei es auch nur für eine Saison – müssen Teams damit rechnen, dass die guten Spieler:innen, für die man viel Geld hingeblättert hat, sich nach einem neuen Team umsehen oder die Sponsor:innen die Kooperation mit dem Team beenden.
Falls man sich fragt, wie viel ein E-Sports-Spieler am Transfermarkt kosten kann: Einer der bekanntesten Spieler des Spiels „League of Legends“, Martin Larsson (Spielername: „Rekkles“), wurde zuletzt am Transfermarkt für circa 1,5 Millionen Euro gehandelt. Auch bei anderen Spielern bewegen sich die Transferkosten im Bereich von mehreren Hunderttausend bis Millionen Euro. Genaue Zahlen sind aufgrund der Vertraulichkeit der Organisationen und der Publisher nicht bekannt – man weiß aber, dass es längst ein Millionenmarkt ist.
Und in Österreich?
Der E-Sport in Österreich hat es nicht leicht. Zwar existiert mit dem ESVÖ eine offizielle Interessenvertretung, aber das Wachstum des E-Sport-Marktes ist in Österreich nicht besonders hoch.
Ein Faktor dafür ist das fehlende Interesse der Regierung, in diesem Bereich etwas zu unternehmen. Zwar hat die Staatssekretärin für Jugendangelegenheiten im Bundeskanzleramt in einem Interview mit der Presse erwähnt, sich in diesem Bereich engagieren zu wollen, jedoch wird diese Meinung von großen Teilen der ÖVP nicht geteilt. Auch aus dem grünen Sportministerium unter der Leitung von Werner Kogler kommen noch keine konkreten Vorschläge, wie man in Österreich mit E-Sports umgehen will. Zwar hat man das Potenzial und die Wichtigkeit des E-Sports erkannt – unternommen wurde aber noch nichts.
Auch wenn das Interesse der Jugend in E-Sports immer größer wird, so ist Österreich für Organisatoren von großen Events nicht wirklich interessant. Das ist primär der Situation geschuldet, dass Österreich aufgrund seiner Größe als Nischenmarkt angesehen wird. Ein recht altbekanntes Phänomen, besonders im digitalen Bereich, siehe die Einführung von z.B. Google Pay und Apple Pay.
Nichtsdestotrotz gibt es mit der Telekom Austria ein Unternehmen, welches intensiv versucht, sich im Bereich E-Sports in Österreich durchzusetzen. Dazu zählen eigene Ligen wie die „A1 eSports League Austria“, die Teilnahme an Veranstaltungen wie der „Game City“ in Wien (welche coronabedingt zuletzt 2019 stattfand) sowie das Sponsern von LAN-Party-Events wie der „VulkanLAN“. Eigentlich eine gute Sache, oder?
Nun, bedenkt man die Größe und finanziellen Ressourcen von A1, so ist es für das Unternehmen sehr leicht, diesen Markt für sich zu beanspruchen. Momentan stellt A1 in Österreich das Monopol für professionellen E-Sport. Eine Tatsache, die nicht unkommentiert bleiben darf. Denn diese Entwicklung ist in Wirklichkeit für den E-Sport in Österreich langfristig kontraproduktiv. Kleineren Unternehmen oder Organisationen steht mit A1 ein großes Unternehmen gegenüber, welches leicht die Zuschauer an sich binden kann. Auch für andere Internet- oder Telekommunikationsanbieter wie „Drei“ oder „Magenta Telekom“, welche in diesem Bereich bis jetzt nichts getan haben, wird es so in Zukunft schwierig werden, noch Marktanteile zu generieren. Um zu gewährleisten, dass es im österreichischen E-Sport Innovationen und Entwicklungen gibt, braucht es unbedingt Wettbewerb. Vielleicht ist dieser fehlende Wettbewerb auch der Grund dafür, dass die Reichweite der A1-Liga selbst national nicht besonders hoch ist.
E-Sports als Risiko
Wer mit dem Gedanken spielt, sich selbst als Gamer in die Welt des E-Sports zu wagen, fragt sich zu Recht: „Schaffe ich das überhaupt?“
In Österreich ist es aufgrund der erwähnten fehlenden Entwicklung sowie des kleinen Markts immer noch unattraktiv und mit einem großen Risiko behaftet, als professioneller Gamer durchzustarten. Sofern man nicht das nötige Netzwerk hat, um sich auch international bzw. im gesamten DACH-Raum nach Teams zu erkundigen, bleibt einem nur die Möglichkeit, in einem kleinen Team anzufangen. Entweder man tritt einem österreichischem Team bei, welches sich aber maximal auf nationaler bzw. DACH-Ebene behaupten kann, oder man versucht sich selbst aufgrund seiner herausragender Leistungen in einem E-Sports-Titel direkt bei größeren Organisationen zu bewerben. In der Vergangenheit haben es nur wenige Spieler zum internationalen Erfolg gebracht – und viele sind mittlerweile aus dem Rampenlicht verschwunden oder sind hinter den Kulissen als Coach, Berater etc. tätig.
Allgemein kann man sagen, dass es in Österreich schwieriger ist als in Ländern, wo es durch einen umfassenden E-Sports-Markt mit staatlichen Verwaltungseinheiten mehr Möglichkeiten gibt, den Einstieg zu schaffen. Auch für Unternehmen ist der E-Sport ein potenzielles Zukunftsinvestment, auch wenn es momentan noch keine übergroßen Gewinne einbringt. Selbst für Publisher wäre, genauso wie für Teams, ohne Sponsoring der Betrieb einer Liga nicht kostendeckend möglich. Sponsoring ist zwar auch im klassischen Sport eine wichtige Einnahmequelle, jedoch ist im E-Sport die Finanzierung über Sponsoring die primäre Einnahmequelle.
Es wäre sinnvoll, beispielsweise als DACH-Region zusammen eine Strategie zu entwickeln, wie man in den drei Ländern den E-Sport voranbringen kann. Mit über 100 Millionen Einwohnern im DACH-Raum lässt sich markttechnisch definitiv einiges verwirklichen – gibt es doch in allen drei Ländern etablierte Teams.
Fazit
Zugegeben, das Thema E-Sports ist definitiv eine Welt für sich, die Außenstehende auf den ersten Blick nicht durchschauen. Es gibt jedoch etwas, was man selbst ohne Kenntnisse in diesem Bereich anhand der Zahlen bestätigen kann: Österreich und Europa haben hier definitiv Aufholbedarf, wenn es darum geht, im lukrativen Gaming-Markt eine Rolle zu spielen. Angefangen bei der Politik, die das Thema E-Sports dringend behandeln muss – und bei den Unternehmen, die mehr in dem Bereich investieren und wagen müssen, um eine Monopolstellung von einzelnen großen Unternehmen zu vermeiden.