E-Sport-Paket: Langes Warten auf ein wenig Anerkennung
Seit der ersten Videospielkonsole in den 70ern sind viele Jahrzehnte vergangen, in denen eine Generation nach der anderen von immer raffinierteren und vor allem optisch beeindruckenden Spielwelten gefesselt wurde. Ob jung oder alt, viele kennen sie, die Jagd nach dem einen Punkt mehr, dem nächsten Level, dem verborgenen Hinweis oder ganz allgemein dem Sieg nach einem spannenden digitalen Kampf. Dazu kommt, dass uns mit Smartphones ein Teil dieser Welt stets zur Verfügung steht.
So verwundert es kaum, dass zahlreiche Studien belegen, dass ein breiter Teil der Bevölkerung regelmäßig Computerspiele konsumiert. Laut einer Befragung von Deloitte spielten 45 Prozent der Österreicher:innen mindestens einmal pro Woche in den letzten sechs Monaten in irgendeiner Form Videospiele. Eine aktuelle Erhebung in der Marktanalyse von A1 geht sogar davon aus, dass fast drei Viertel der Bevölkerung regelmäßig zocken. Die Grundaussage ist jedenfalls gleich: Computerspiele sind schon längst kein Randphänomen mehr, sondern wurden zu einem selbstverständlichen Teil unseres Alltags.
E-Sport: Eine Erfolgsstory
Ähnlich wie bei anderen Freizeitaktivitäten hat sich auch dieser Bereich mit der Zeit weiterentwickelt und professionalisiert. Aus dem Spielen wurde ein Wettkampf, der sich inzwischen international großer Beliebtheit erfreut. Die weltweiten Umsätze aus E-Sports steigen seit Jahren kontinuierlich an, im Jahr 2019 wurde erstmals die Marke von einer Milliarde US-Dollar überschritten. Im vergangenen Jahr waren es bereits 1,42 Milliarden Dollar, bis 2030 werden 4,47 Milliarden prognostiziert.
Auch die Entwicklung der Zuschauerzahlen mit weltweit 645 Millionen ist durchaus beeindruckend. Aber während sich in Staaten wie Südkorea oder Japan ganze Stadien für E-Sport-Ereignisse füllen lassen, sieht es in Österreich deutlich ruhiger aus. Wie der E-Sport-Verband Österreich aufzeigt, kann aber auch hierzulande von einem Mangel an Interesse nicht die Rede sein: Immerhin 12 Prozent der Österreicher:innen gaben an, in den letzten sechs Monaten E-Sport-Events gesehen zu haben.
Aus der Zeit gefallen: E-Sport als „Glücksspiel“
Überalterte Regelungen machen die Ausrichtung von E-Sport-Veranstaltungen in Österreich sehr schwierig. Denn Veranstalter:innen müssen tatsächlich den mühsamen Nachweis erbringen, dass es sich bei E-Sport-Turnieren nicht um Glücksspielveranstaltungen handelt. Was fehlt, ist eine rechtliche Klarstellung mit deutlicher Abgrenzung von Spielekonsolen zu Glücksspielautomaten. Eine solche Differenzierung sollte insbesondere berücksichtigen, dass E-Sport-Disziplinen vom Geschick der jeweiligen Spieler abhängen.
Große Benachteiligungen erfahren auch die 50.000 in Österreich registrierten E-Sportler:innen. Der aktuell unklare Rechtsstatus ihrer Tätigkeit führt zu Problemen bei der Einordnung aus arbeitsrechtlicher Sicht. Es geht beispielsweise um Änderungen bei den Bestimmungen für leichtere Beschäftigungsmöglichkeiten ausländischer Spieler:innen, wo bisher Zusatzpunkte für Profisportler:innen vorgesehen sind, um eine Anpassung des Jugendschutzes beim Arbeitsverbot für Jugendliche zwischen 20 und 6 Uhr oder um eine Ausnahme beim Arbeitsruhegesetz, damit alle Tätigkeiten, die zur Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen und zur Betreuung der Gäste unbedingt erforderlich sind, an Wochenenden und Feiertagen zulässig sind. E-Sportler:innen wie Verbände fordern hier eine entsprechende Anpassung in Richtung einer weitgehenden Gleichstellung zum Profisport. Auch was ihre Organisationsform angeht, werden Gaming-Vereine ungleich behandelt: Die Community fordert daher, dass es auch E-Sport-Vereinen möglich sein soll, den Status der Gemeinnützigkeit zu erhalten, wenn alle abgaben- und steuerrechtlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
E-Sport im österreichischen Parlament: Reformversprechen und alte Schreckgespenster
Rund 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Spielkonsole war E-Sport im Jahr 2020 auch im österreichischen Parlament endlich Thema. Der Nationalrat sprach sich einstimmig für einen Antrag der Abgeordneten der Grünen und der ÖVP aus, mit dem die Bundesregierung beauftragt wurde, den rechtlichen Rahmen für E-Sport zu prüfen.
Die Ergebnisse mündeten in einem Bericht, der Mitte Juni 2022 öffentlich im Nationalrat diskutiert wurde. Die Debatte war leider symptomatisch für eine veraltete Sichtweise so mancher Parteien im Hohen Haus. Vor allem für ÖVP, SPÖ und FPÖ stand rasch im Vordergrund, dass keine bestehende Förderung aus dem Sportbereich für E-Sport genutzt werden solle. Das liebe Geld der öffentlichen Hand steht oftmals bei Reformen im Vordergrund der Debatte.
Andere bemühten wiederum die Sorge um die Bewegung der Jugend und stellten in diesem Zusammenhang die Frage, ob E-Sport überhaupt ein Sport sei. Beide Kritikpunkte gehen am wesentlichen Anliegen von E-Sportler:innen und E-Sport-Organisationen vorbei: Niemand will eine Senkung des Sportbudgets oder setzt sich für weniger Bewegung in der Bevölkerung ein. Den Betroffenen geht es vorrangig nicht um Geld oder darum, den Turnunterricht zu schwänzen. Was verlangt wird, ist Anerkennung in Form eines modernen Rechtsrahmens, der den aktuellen Gegebenheiten und Gewohnheiten der Bevölkerung in Österreich auch Rechnung trägt.
Die Szene wartet auf eine Lösung
Als Bürger:innen steht es ihnen auch zu, dass der Staat sie unterstützt, statt im Weg zu stehen. Denn auch wenn manche Politiker:innen mit E-Sports nichts anfangen können, kann nicht mal ein anhaltend verstaubter Rechtsrahmen die heimische E-Sport-Szene an der Ausübung ihrer Leidenschaft hindern. Es macht nur alles unnötig schwerer.
Die Grenzen des Machbaren zeigte ein Antrag auf Vorlage eines Gesetzes bis Ende 2022. Als realitätsfern wurde das im Juni 2022 abgetan, und tatsächlich wurde bisher kein Gesetzespaket vorgelegt.
Die Debatte blieb dann stehen, bis der im Finanzministerium verortete Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky auf eigenartige Weise die Agenda im Mai 2023 an sich riss. Kurzerhand erklärte er sich bei einem E-Sports-Event zur „politischen Vertretung der Szene“ in der Bundesregierung und hielt – wohl auch in Richtung seines bis dahin zuständigen Regierungskollegen, Sportminister Werner Kogler – fest, dass E-Sport ein „stiefmütterliches Dasein“ in der Politik friste. Daher werde er das Thema „unter die eigenen Fittiche nehmen“. Um sich die Diskussionen mit Sportfunktionär:innen – in Österreich viel parteipolitischer als in anderen Staaten – zu sparen, hat Tursky eine vermeintliche Lösung gefunden: Er kündigt einen eigenen Fördertopf für E-Sport an, der im Finanzministerium angesiedelt sein soll. Diese Verschiebung der Kompetenzen ins BMF erklärt Tursky damit, dass ein „Ausspielen von klassischem Sport und E-Sport“ verhindert werde.
Aus den Reformversprechen wurde also wieder nur ein Geldversprechen. Passiert ist selbst nach all der Inszenierung nichts.