Es fehlt an Prävention im Gesundheitssystem
Die Bevölkerung wird immer älter, aber nicht unbedingt gesünder. Denn in Österreich leben Menschen im Durchschnitt nur bis zum Alter von 57 in wirklich guter Gesundheit – der Rest des Lebens wird durch die Folgen von Krankheit oder körperlicher Belastung in schlechterer Lebensqualität verbracht. Und das sind nur die Altersfolgen: Unter chronischen Krankheiten leiden schon 40 Prozent aller Österreicher:innen über 15.
Ein Thema, das viel zu selten im Zusammenhang mit Pensionen und dem Staatshaushalt besprochen wird, ist das Gesundheitswesen. Denn es geht nicht nur darum, sich das Leben leisten zu können – gerade bei der ein oder anderen Luxuspension kann man über dieses Ausmaß diskutieren. Sondern auch darum, ein lebenswertes, gesundes Leben im Alter führen zu können. Und das ist in Österreich relativ selten der Fall.
Um das zu ändern, müsste sich das österreichische Gesundheitssystem mehr mit Prävention beschäftigen. Momentan stellt es darauf ab, zu behandeln und zu korrigieren – also einzugreifen, wenn man bereits krank ist. Aber zu ermöglichen, dass die Menschen in Österreich gesund bleiben? Das wird im Vergleich zu anderen Staaten wenig gefördert.
Prävention im Gesundheits-Dschungel
Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – also der gesetzlichen Basis zu Versicherungsaufgaben – kommt das Wort „Prävention“ mehrfach vor. Die Frage ist nur: Wer versteht was darunter?
Vereinfacht gesagt versteht jeder Versicherungsträger darunter ein bisschen zu wenig und natürlich etwas anderes. Damit es darüber zumindest eine Übersicht gibt, wurde Anfang 2023 ein Entschluss im Nationalrat gefasst, dass eine Übersicht über die verschiedenen Präventionsleistungen erstellt wird.
Ähnlich verhält es sich bei den sogenannten Gesundheitsförderungsfonds der Bundesländer: Auch bei denen ist nicht immer nachvollziehbar, wo welche Programme durchgeführt werden. Selbst der Bericht und Anfragebeantwortungen zeigen, wie zersplittert das System ist. In der Steiermark beispielsweise gehört ein Aktionsplan zur Alkoholismusprävention dazu, im Burgenland wird mit einer gesunden Jause aus dem Fonds schon in der Schule als Lernort für gesunde Ernährung angesetzt.
Wenig Fortschritt bei Prävention
Unabhängig von diesen regionalen Unterschieden ist aber klar: Im Bereich Prävention geht zu wenig weiter. Das sieht auch der Rechnungshof so, und die Ergebnisse zeigen sich schon seit Jahren. Die Anzahl der gesunden Lebensjahre sinkt sogar – wir diskutieren also eher über Frühpension als über den Erhalt der Gesundheit. So wird seit 30 Jahren ein erhöhter Sozialversicherungsbeitrag für Psychotherapie gezahlt, eine tatsächliche Abdeckung gibt es nicht.
Das wirkt sich auch in anderen Bereichen aus: Von 2016 bis 2021 gingen rund 9.000 Personen wegen Belastungsstörungen oder affektiven Störungen in die Berufsunfähigkeit – vereinfacht gesagt gingen sie also wegen Burnout oder Depression in eine Form der Frühpension.
Was man dabei aber nicht vergessen darf: Von diesem Bezug lebt es sich schlechter, und oft wirkt sich ein sozioökonomischer Nachteil wiederum negativ auf die Gesundheit aus. Gerade bei psychischen Krankheitsbildern wird aber wenig für die Behandlung beigesteuert, und noch weniger Menschen bekommen einen Kassenplatz zur Therapie. Von den niedrigen Frühpensionsbezügen dann noch die Therapie zu bezahlen, kann Betroffene also vor enorme Herausforderungen stellen.
Schäden durch mangelnde Prävention
Aber auch bei körperlichen chronischen Krankheiten ist dieser Effekt besonders stark. Etwa die Hälfte der Personen über 65 Jahre hat mindestens drei chronische Krankheiten, oft sind das Diabetes, Bluthochdruck, COPD oder Ähnliches. Gleichzeitig hat Österreich eine der höchsten Amputationsraten bei Diabetikern: Weil die Behandlung oft zu spät erfolgt oder die dringende Notwendigkeit nicht ausreichend verstanden wird, verlieren viele Diabetiker ein Bein oder erblinden und büßen damit Lebensqualität ein. Und kosten die Gemeinschaft damit auch wieder.
Auch bei Bluthochdruck und Cholesterin sind diese Folgen nicht zu unterschätzen. Beide Krankheitsbilder lösen keine Schmerzen aus, schädigen die Gefäße aber sehr stark. Dadurch steigt das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte: Oft sind Sprachverlust, Lähmungen, jahrelange Rehabilitation oder sogar der Tod die Folge. Und das, weil eine Änderung des Lebensstils eben nie ausreichend dringend erschienen ist.
Die Konsequenzen sieht man auch bei den Ausgaben. Der Rechnungshof kritisiert hier besonders, dass Gesundheitsförderung (also der Aufbau von Gesundheitskompetenz) und Primärprävention (also Anreize zu einem gesunden Lebensstil, Impfungen …) keine ausreichenden Schwerpunkte sind.
Selbst die Sekundärprävention, also die Diagnose und Behandlung von chronischen Krankheiten, ist nur schlecht ausgebaut. Grund dafür ist, das es in Österreich lediglich für Diabetes eine eingeschränkte strukturierte Versorgung gibt. Also ein Behandlungsschema, in dem Patient:innen regelmäßig zu Kontrollen kommen, der Krankheitsverlauf kontrolliert wird und Medikamente nachjustiert werden. Im Idealfall kann damit eben das Risiko für Blindheit, Amputationen, Herzinfarkte, Schlaganfälle etc. reduziert werden. Bisher wurden Anträge auf derartige Programme allerdings vertagt. Wie Österreich sich damit im internationalen Vergleich schlägt? In Deutschland gibt es aktuell für zehn Krankheiten so eine strukturierte Versorgung.
Puzzlestück für besseres Altern
Wenn man die verschiedenen Präventionsausgaben ansieht, sieht man diesen Mangel im Denken auch direkt in Zahlen gegossen. Die sogenannte Tertiärprävention ist nämlich keine Prävention – sondern die Wiederherstellung von Gesundheit, also Rehabilitation, Kur und dergleichen. Das sind die Summen, die auf Krankenstände, den Bezug von Kranken- oder Rehabilitationsgeld oder eben Invaliditätspensionen aufsummiert werden müssen, damit man von Kostenwahrheit sprechen kann.
Denn eine reine Diskussion über Pensionen reicht nicht. Sonst bleiben Pensionen ein Narrativ zwischen Luxuspensionen in Penthäusern und Mindestpension in Gemeindebauwohnungen. Die Wahrheit liegt aber dazwischen: in Pflegeheimen, bei der 24-Stunden-Betreuung, bei 85-Jährigen, die wandern gehen.
Wir brauchen ein Bewusstsein für Gesundheit und den Erhalt dieser Gesundheit, damit Pensionen häufiger in besserem Gesundheitszustand genossen werden können und nicht ein Großteil für Pflege und Gesundheit ausgegeben werden muss und aufgrund der hohen Kosten dafür noch mit weiteren Sozialleistungen unterstützt werden muss. Denn wer über Pensionsantrittsalter redet, muss fairerweise auch darüber reden, wie dieses erreicht werden kann. Zugunsten der Bezieher:innen und zugunsten der Generationengerechtigkeit, damit das Pensionssystem billiger werden kann.