Pensionen: Die politische Schutzgeldzahlung
Die Pensionen werden in Österreich in einem Ausmaß erhöht, das wir uns nicht leisten können. Aber fast niemand traut sich, das auszusprechen.
Niemand ist gegen Pensionen, von denen man leben kann. Aber wer die Debatten im Nationalrat beobachtet, könnte einen anderen Eindruck bekommen: Denn da kritisieren sich die Parteien gegenseitig, gegen die „soziale Gerechtigkeit“ zu sein, wenn es um die wichtigste Frage im Zusammenhang mit den Pensionen geht: um die Frage, wie man sie finanzieren soll.
Das Problem ist, dass die Politik nicht nur auf Wollen beruht, sondern auf den tatsächlichen Gegebenheiten des Landes. Und wenn man sich die Zahlen aus der Pensionsversicherung anschaut, merkt man: Die Einzahlungen reichen bei weitem nicht aus, um die Auszahlungen zu finanzieren. Der Zuschuss in das System, der durch den Bund finanziert wird, ist mittlerweile der mit Abstand größte Budgetposten – fast die gesamten Einnahmen, die durch die Lohnsteuer in die Staatskasse fließen, gehen in die Pensionen.
Wir ignorieren also, dass wir das Geld, das wir ausgeben, nicht haben. In den nächsten Jahren wird die Republik jedes Jahr zwischen 16 und 20 Milliarden Euro Schulden machen, und da ist noch gar nicht eingepreist, wenn in der Zwischenzeit etwas dazukommt. Etwa die nächste Pensionserhöhung über die Inflation hinaus. Oder die übernächste.
Die Schieflage im Budget
Denn davon muss man in Österreich leider ausgehen: Obwohl die Pensionen laut Gesetz jedes Jahr an die Inflation angepasst werden, erhöhen die Bundesregierungen der letzten Jahre sie immer darüber hinaus. Wenn das Leben um 7,7 Prozent teurer wird, bekommen alle Pensionistinnen und Pensionisten eine Erhöhung um 9,7 Prozent: Von der Witwe mit Mindestpension bis zum Nationalbanker mit Luxuspension.
Genau diese Schieflage müsste dringend bereinigt werden. Sie schränkt den budgetären Spielraum immer weiter ein und verunmöglicht Investitionen in das, was für die Zukunft wichtig wird: Bildung, Forschung, Klimaschutz, aber auch eine dringend notwendige Reform im Gesundheitssystem.
Kein unlösbares Problem
Lösungen dafür gäbe es eigentlich zahlreiche. Eine parlamentarische Anfrage von NEOS hat ergeben, dass schon kleine Änderungen in der Erwerbsstatistik die Pensionskosten um Milliarden reduzieren könnten – etwa eine schnellere Angleichung des Frauenpensionsalters an das der Männer, oder generelle Anreize, länger zu arbeiten.
Aber eigentlich wäre schon vieles gewonnen, wenn wir eine verantwortungsvolle Politik hätten, die sich nicht vor unpopulären Entscheidungen fürchtet. Nach der Corona-Krise hätte Finanzminister Brunner sein politisches Kapital nutzen können, um ehrlich zu sein und zu sagen: Diesmal bleibt es bei der Inflationsanpassung, denn mehr können wir uns nicht leisten.
Ein anderer Hebel, der an und für sich auf viel Verständnis treffen dürfte, wäre die Einschränkung von Luxuspensionen. Denn genauso wie alle verstehen, dass man von einer Pension leben können muss, verstehen alle, dass Pensionen in fünfstelliger Höhe keine jährliche Anpassung über die Teuerung hinaus brauchen. Gerade in Zeiten zweistelliger Defizite könnte man sich herausnehmen, bei denen zu sparen, die auch so gut auskommen.
Wer hat Angst vor der Pensionsreform?
Aber sogar dafür wird man in Österreich geprügelt. Das alles beherrschende Narrativ lautet: Wer über Pensionen reden will, greift alle Pensionistinnen und Pensionisten an. Kritik an den Luxuspensionen wird als verstecktes Attentat auf alle gesehen, die Mindestpension beziehen, und wer daran arbeiten will, dass es sich auszahlt, länger zu arbeiten, dem wird ein Arbeitszwang für alle älteren Menschen unterstellt.
Die Realität ändert sich trotzdem nicht: Die Menschen leben länger, und das heißt auch, sie sind länger in Pension. Die Einzahlungen reichen nicht, um die Auszahlungen zu finanzieren. Und das muss sich in der Statistik irgendwo niederschlagen. Entweder darin, dass man länger arbeitet – dann brauchen wir Anreize dafür und ein entsprechend leistungsstarkes Gesundheitssystem. Oder darin, dass man etwas weniger kriegt. Aber dann macht man sich die größte Gruppe an Wählerinnen und Wählern zum Feind.
„Wählt mich, dann fließt das Geld auch weiter“
Es ist wohl dieser Blick auf die Demografie, der den fehlenden Mut zur Wahrheit erklären kann. Pensionistinnen und Pensionisten sind zahlreich, und sie gehen wählen – die Älteren unter ihnen sogar immer das Gleiche, die Letzten, die nach Tradition wählen. Mit ihnen will man es sich nicht verscherzen. Die Jungen, die noch länger mit den Folgen der Staatsschulden leben müssen, interessieren da im Vergleich wenig. Die finden sich in der Zwischenzeit damit ab, dass für sie nichts mehr übrig bleibt.
So funktioniert Politik in Österreich: Der Finanzminister rechnet durch, was sich ausgeht und was nicht, ignoriert das Minus und budgetiert es bei den Pensionen, wo über die Inflation hinaus erhöht wird. Und in den Folgewochen gibt es hunderte Pressekonferenzen und Reden, in denen er die Pensionistinnen und Pensionisten daran erinnert, wem sie das zu verdanken haben. „Bitte wählt mich, dann fließt das Geld auch weiter.“ Oder auch: Bitte wählt mich – dann werden weiter Schulden gemacht.
Die nächste Regierung muss das Problem angehen
Man kann es Pensionistinnen und Pensionisten nicht verdenken, wenn sie dafür einstehen, dass sie in Zeiten hoher Teuerung einen Ausgleich bekommen. Aber auch vor einem Wahljahr sollte die Politik nicht nur darauf schielen, wo sie besonders viele Leute mit schnellem Geld erreicht – sondern ernsthaft daran arbeiten, unsere budgetäre Schieflage zu beseitigen. Dass das mit der aktuellen Regierung eine rein theoretische Forderung ist, sollte schon lange klar sein. Enttäuschend ist es trotzdem.
Für die nächste Regierung bedeutet das schwere Aufräumarbeiten. Denn mit jedem Jahr, in dem das regelmäßige Einkommen für einen großen Teil der Bevölkerung über der Inflation hinaus erhöht wird, steigt das Defizit und sinkt der Spielraum, das Budget zu sanieren. Früher oder später wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass man dieses Problem angehen muss. Auch, wenn man dafür auf ein Jahr warten muss, in dem nicht gewählt wird.
Die Mindestpension zu kürzen, ist keine gangbare Lösung – aber das will auch keiner. Staatsschulden aber sind genauso keine gute Idee: Und da bildet sich eine vereinte Front, die das Loch im Budget ignoriert. Man könnte sich ja Feinde machen.