Goldene Kammern
Die Bundesgesetze definieren, dass die verschiedenen Kammern in Österreich (Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer etc.) zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder – hier zitiert als Beispiel aus dem WKO-Gesetz, § 1 (1) – errichtet wurden.
Nicht besonders detailverliebt zeigen sich die Gesetze, wenn es um die Finanzgebarung der Kammern geht. Es werden Ausgaben definiert, etwa die notwendige Abgeltung von Arbeit für eine Kammer oder die Einrichtung von Servicestellen für die Mitglieder. Sparsamkeit wird allerdings nirgends erwähnt. Ein kleiner Streifzug durch die goldenen Kammern.
Viel Geld für viele Kammern
Insgesamt existieren in Österreich Kammern für 13 Berufsgruppen.
- Die Vertretung der Interessen der größten Erwerbsgruppen – der Arbeitgeber:innen und der Arbeitnehmer:innen – erfolgt durch die zehn Wirtschafts- und die neun Arbeiterkammern.
- Des Weiteren gibt es neun Landwirtschaftskammern, die die Interessen selbstständiger, in der Land- und Forstwirtschaft tätiger Personen vertreten, und die Landarbeiterkammer, die die Interessen der unselbstständig Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft vertritt.
- Freie Berufstätige sind in der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs zusammengefasst. Das sind Apothekerkammer, Ärztekammer, Notariatskammer, Patentanwaltskammer, Rechtsanwaltskammer, Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Tierärztekammer, Zahnärztekammer und Kammer der Ziviltechniker:innen.
Die wirtschaftlichen Kennzahlen der Kammern zeigen, dass auf Sparsamkeit beim Umgang mit den Beiträgen der Mitglieder kaum Wert gelegt wird. Diese Beiträge sind durch die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern gesetzlich vorgeschrieben.
Und offenbar fließen sie nicht unbedingt in Service für die Pflichtmitglieder zurück, wie man an den Kennzahlen der zwei mitgliederstärksten Kammern sieht: Die Wirtschaftskammern verfügten im Jahr 2010 über 1,4 Milliarden Euro Eigenkapital, im Jahr 2020 belief sich dieses bereits auf 1,65 Milliarden. Ähnlich sieht es bei den Arbeiterkammern aus: Im Jahr 2010 verfügten sie über 334,6 Millionen Euro Eigenkapital, im Jahr 2020 war es bereits auf 527 Millionen angestiegen.
Abseits der Eigenkapitale gibt es aber genug Beispiele, wie die verschiedenen Kammern Geld machen und, viel mehr noch, Geld ausgeben, um dem Spitzenpersonal auf Kosten der Pflichtmitglieder ein schönes Leben zu finanzieren.
Goldene Zeiten für die Fraktionen
Ganz grundsätzlich werden die Kammern gerne von den politischen Parteien als Bankomat für Zusatzeinkommen angesehen. Denn neben den Ausgaben für das Führungspersonal schütten die Kammern in Österreich gemeinsam knapp 33 Millionen Euro pro Jahr als Fraktionsförderung aus, wie parlamentarische Anfragebeantwortungen belegen (hier zur Wirtschaftskammer und zur Arbeiterkammer) – zusätzlich zu den Parteiförderungen des Bundes und der Länder.
Symbolbild, produziert mit DALL-E 2
Die Menge der Kammern-Fraktionsförderung ist sogar höher als die Parteienförderung des Bundes mit rund 31,8 Millionen Euro für heuer. Im Gegensatz zur Parteienförderung geben die Kammern aber nicht einmal an, wie die Verteilung des Geldes auf die einzelnen Fraktionen funktioniert. Es ist nur bekannt, dass der Großteil der Förderungen an die Fraktionen der Wirtschaftskammern fließt: Die WKO hat dreimal so viel ausgezahlt wie die Arbeiterkammer.
Üppige Personalkosten
Nicht nur die Fraktionen werden in den Kammern gut ausfinanziert, auch die Personalkosten fallen ins Auge. Die Arbeiterkammer kommt bei rund 2,9 Millionen Mitgliedern auf 2.776 Mitarbeiter:innen. Die WKO hat rund 663.000 Mitglieder, aber deutlich mehr Mitarbeiter:innen als die AK – nämlich 5.079. Die durchschnittlichen Gehälter liegen allerdings deutlich über dem Durchschnittseinkommen Österreichs von 2.640 Euro brutto pro Monat: Mitarbeiter:innen der AK verdienten durchschnittlich 4.687 Euro brutto, jene in der Wirtschaftskammer 4.340 Euro.
Durch die Kammerumlagen, die Mitgliedsbeiträge, werden die Personalkosten und auch die Zusatzpensionen für Mitarbeiter:innen bezahlt. Die Zahlen zeigen dabei, dass ein nicht unerheblicher Teil der Einnahmen nicht für Service an die Mitglieder aufgewendet wird, sondern eben für die Personalkosten. Die Arbeiterkammer wendet 47 Prozent der Einnahmen aus der Kammerumlage für Personalaufwand auf, die WKO sogar 55 Prozent. Dazu kommen noch die Pensionsausgaben: Die AK muss 9 Prozent der Mitgliedsbeiträge für Pensionen aufwenden, die WKO ebenso.
Es bleibt die Frage: Rechtfertigen die Leistungen der Kammern die Ausgaben und vor allem die Pflichtmitgliedschaft? Wenn die Kammern mehr Fraktionsförderungen auszahlen als der Bund Parteienförderung und zusätzliche Pensionen nochmals gut 10 Prozent der Mitgliedsbeiträge auffressen, kann dann wirklich davon gesprochen werden, dass der gesetzliche Auftrag – die gemeinsamen Interessen der entsprechenden Sparte oder Gruppe zu vertreten – erfüllt wird? Damit soll nicht gesagt werden, dass Beratungs- und Vertretungsarbeit der Kammern nicht notwendig ist, oder die einzelnen Mitarbeiter:innen kritisiert werden. Aber die Frage bleibt, ob das aktuelle System zeitgemäß ist und auch transparent genug – die meisten in diesem Artikel zitierten Kennzahlen sind nicht auf den Homepages der Kammern zu finden, sondern wurden durch parlamentarische Anfragen veröffentlicht. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr akzeptabel.
Die Politik und die Kammern müssen sich der Debatte stellen, wenn sie nicht riskieren wollen, dass legitime Aufgaben der Interessenvertretung durch ein starres System, das mehr auf die Parteien und die eigenen Funktionär:innen schaut, auf der Strecke bleiben.