Kinder – eine Teilzeitfalle für Frauen
Der Kindergarten sperrt zu Mittag zu, die Betreuung durch Eltern und Großeltern muss organisiert werden, der Job wird nur als Teilzeitstelle angeboten – alles unter einen Hut zu bringen, kostet viel Energie und wirkt sich auf das Lebensmodell von Frauen und Familien aus. Damit sich alles ausgeht, gibt es für Frauen meistens eine (folgenschwere) Lösung: Teilzeit. Was genau das aber wiederum bedeutet, wird nur selten bedacht.
Frauen arbeiten öfters Teilzeit als Männer – und das meist wegen mangelnder Kinderbetreuung. Soweit das Narrativ.
Schon 2021 sagte Arbeitsminister Martin Kocher, ein paar Stunden mehr Arbeitszeit bei allen teilzeitarbeitenden Frauen würde das Arbeitskräfteproblem lösen. Absolut richtig – allerdings berücksichtigte er nicht, warum Frauen in Teilzeit arbeiten.
Manchmal „verschwinden“ ältere Frauen einfach vom Arbeitsmarkt, weil in großen Firmen Jobs abgebaut werden und nur wenige Unternehmen Frauen über 50 neu einstellen. Oder weil sie in ihrem bisherigen Job durch Vorrückungen so viel verdient haben, dass ein neuer Job im Vergleich keine attraktive Bezahlung bietet und das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe aufgrund des Gehalts ihres Partners ausreicht. Manchmal verschwinden sie in Altersteilzeit. Entweder als Weg in die Pension oder weil sie ihre Eltern pflegen oder die Betreuung der Enkel übernehmen.
Konkrete Zahlen, die Rückschlüsse auf die Motive erlauben, gibt es nicht. Darüber rätselt auch das AMS, beispielsweise in seinem Gleichstellungsbericht. Bei jüngeren Frauen ist die Ursachenforschung dafür einfach: Dort ist es die Kinderbetreuung. Deshalb plädiert auch AMS-Chef Johannes Kopf seit Jahren für einen Ausbau der Betreuung verbreitet diese Botschaft während des aktuellen Arbeitskräftemangels wieder massiv. Im Jänner 2023 sammelten sich deshalb alle Interessenvertretungen des Landes – bis auf den Gemeindebund – und demonstrierten auf Einladung des Bundespräsidenten ihre Einigkeit in dieser Frage.
Auch ein Blick in die Statistiken bestätigt die Annahme: Kinder sind der treibende Faktor, warum Frauen nicht (Vollzeit) arbeiten gehen. Die Frage des Angebots und der mangelhaften Öffnungszeiten von Kindergärten ist ein eigenes Thema – die Effekte sind aber nachweisbar. Jede zusätzliche Stunde, die ein Kindergarten geöffnet hat, erhöht die Vollzeitquote der Frauen in der Gemeinde um einen Prozentpunkt. Und auch die Statistiken über die Erwerbstätigkeit von Eltern belegen, dass immer noch Frauen daheim bleiben, um die Care-Arbeit zu übernehmen.
Nur knapp mehr als zwei Drittel der Frauen mit Kindern arbeiten insgesamt, diese Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum geändert. Was auch bedeutet: Seit zehn Jahren ist ein Drittel der Frauen mit Kindern einfach nicht für den Arbeitsmarkt verfügbar. Und das sind Frauen zwischen 25 und 49 – also nicht nur junge Frauen, die eventuell noch in der Ausbildung sind, sondern auch solche, die die Pensionsanrechnungszeiten dringend brauchen würden.
Vergleicht man die Quote bei Männern, sieht man: Der Anteil der arbeitenden Männer mit Kindern unter 15 ist etwas zurückgegangen. Ob die Ursache bei Arbeitslosigkeit, gesundheitlichen Gründen, längeren Ausbildungszeiten oder etwas anderem liegt? Auch dazu gibt es keine Daten.
Was man aber sieht, sind die Teilzeitquoten. Denn 75 Prozent der Mütter, die Kinder haben und arbeiten, arbeiten nur teilzeit. Ein Vergleich mit den Kinderbetreuungsquoten zeigt aber, dass die reine Betreuung offenbar nicht ausreichend etwas ändert. Denn während die Kinderbetreuungsquote der bis zu Dreijährigen von 21,8 auf 31,2 Prozent gestiegen ist, ist die Erwerbsquote der Mütter de facto ident geblieben – von 67,1 auf 67,8 Prozent. Hier müssen also die Öffnungszeiten der ausschlaggebende Grund sein.
Auch die leicht gestiegene Teilzeitquote könnte darauf zurückgeführt werden. Immerhin wurde in diesem Zeitraum in Oberösterreich eine Gebühr für die Nachmittagsbetreuung eingeführt, was die Betreuung teilweise reduziert hat. Potenzial für fairere Aufteilung von Care-Arbeit sieht man aber in der Teilzeitquote von Männern – die ist in den vergangenen zehn Jahren um drei Prozent gestiegen.
Einschulung bringt Frauen nicht zurück in Vollzeit
Wie stark Kinderbetreuung – vor allem bei Kleinkindern – einen Unterschied macht, sieht man, wenn man die Erwerbstätigkeit von Frauen nach dem Alter der Kinder aufsplittet. Während nur fünf Prozent der Mütter mit einem Kind unter drei Jahren Vollzeit arbeiten, sind es bei Kindern zwischen zehn und 15 Jahren immerhin 20 Prozent. Problematisch ist, dass das Alter für Mütter in Teilzeit nur bedingt eine Rolle spielt: Bei den unter Dreijährigen arbeitet ein Viertel der Mütter in Teilzeit, bei allen anderen Kindern bis 18 ist es rund die Hälfte. Während also viele aus der Karenz in eine Teilzeitstelle zurückgehen, scheinen kaum Frauen bei der Einschulung des Kindes von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit zu wechseln.
Auch da fehlt es aber an Ursachenforschung. Braucht es mehr Horte, mehr Ganztagsschulen? Oder liegt es daran, dass zu viele Frauen von ihrem Arbeitgeber nicht die Erlaubnis bekommen, mehr Stunden zu arbeiten? Jede Variante davon wird diskutiert, jede Variante hat Geschichten, die ihre Glaubwürdigkeit belegen. Dabei können mehrere dieser Punkte wahr sein: Es wird Branchen geben, in denen mit mehreren Teilzeitkräften beispielsweise Diensträder einfacher zu bespielen sind. In manchen Branchen dagegen wären Stundenaufstockungen wohl gern gesehen.
Gleichzeitig ist die Frage der Betreuung schwer zu erheben. Die Statistiken zu Kinderbetreuung im Schulalter gibt es zwar teilweise – wie unterschiedliche Schulformen oder auch die Notwendigkeit von Wegen zwischen Schul- und Freizeitaktivitäten sich mit den unterschiedlichen Berufen von zwei Elternteilen oder anderen verfügbaren Bezugspersonen vereinbaren lassen, ist aber eine individuelle Frage und wohl auch regionalen Unterschieden unterworfen.
Korrekte Diagnose, falsche Behandlung
Die Frage ist also, wie dieses Problem gelöst werden kann. Die Kosten für Kinderbetreuung unterscheiden sich je nach Bundesland, Schulform und auch am Verhältnis zum Einkommen der Eltern. Genau dieses Verhältnis zum Einkommen ist eine Frage, die sozusagen durch öffentliche Einmischung geregelt werden kann.
Gleichzeitig ist Teilzeitarbeit aber nach wie vor zu attraktiv. Teilen Paare sich die Kinderbetreuung so, dass Mütter daheim bleiben, gibt es einen Alleinverdiener-Absetzbetrag, das Gehalt des arbeitenden Partners wird also weniger belastet als Gehälter in Beziehungen, in denen beide arbeiten. Zusätzlich zahlen Teilzeitbeschäftigte mehrheitlich keine oder nur geringe Lohnsteuer, keinen Arbeitslosenversicherungsbeitrag und sind trotzdem voll arbeitslosenversichert. Die negativen Erwerbsanreize in der aktuellen Steuerreform werden die Teilzeitfalle noch weiter verstärken. So vergrößert zum Beispiel die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für „kleinere Einkommen“ die Teilzeitfalle.
Gerade hier muss aber angesetzt werden. Denn diese Teilzeitfalle hat Auswirkungen auf die Pensionsanrechnungen von Frauen. Nicht ohne Grund werden die Ursachen im jüngeren Erwerbsleben, in Karenzen, Teilzeit etc. gesehen. Mittlerweile sind die Fakten so überwältigend, dass auch katholische Einrichtungen sich um mehr Bewusstsein für diese Problematik bemühen – eine Seite, von der man nicht unbedingt Lobbyismus für Vollzeit arbeitende Frauen erwarten würde.
Der Problemaufriss des Arbeitsministers stimmt. Ende 2021 war die Feststellung richtig, Anfang 2023 war sie wieder richtig: Es gibt zu viel Teilzeitarbeit. Was nicht stimmt, ist, wie das geändert werden kann – Strafe für Teilzeitarbeit und dann erst recht mit Ausnahmen für „Frauen und Mütter“ – was an sich schon eine seltsame Formulierung ist – könnte selbst bei drakonischem Durchgreifen nicht viel an der Problematik ändern. Es würde schlimmstenfalls die leicht gestiegene Teilzeitquote von Männern wieder reduzieren und damit mehr unbezahlte Care-Arbeit zu Frauen schieben – die damit weiterhin in Teilzeit niedrigere Pensionseinzahlungen erhalten würden.
Darum braucht es einen Ausbau der Kinderbetreuung
Strafen sind selten ein guter Anreiz. Deshalb gab es vor einigen Jahren auch einen kleinen Hype um die politische Praxis des Nudging, mit dem die Bevölkerung zu als richtig angesehenen Handlungen animiert werden soll. Übrig bleibt also nur eine Änderung des Systems: weniger Teilzeitanreize, niedrigere Kinderbetreuungskosten. Das würde nicht bedeuten, dass Eltern nur arbeiten und Bildung und Erziehung der Kinder ab dem ersten Lebensjahr Pädagog:innen überlassen sollen. Denn Eltern bleiben trotzdem Eltern, und wenn man ehrlich ist: Kinder haben ist wohl schon für sich eine auslastende Arbeit, dazu auch mehr Erwerbsarbeit zu jonglieren, kann für niemanden einfach sein. Es braucht deshalb Möglichkeiten, wie beispielsweise die Zeit für Familie flexibler genutzt wird. Schließlich muss nicht festgeschrieben sein, dass eine Karenz nach der Geburt eines Kindes zwei Jahre lang genutzt werden muss und Eltern später in den Ferien ihren gesamten Urlaub aufteilen müssen, um die Kinder zu betreuen.
Auch hier gilt: Die Arbeitswelt ist vielfältiger als die Debatten darüber. Viele Menschen arbeiten in Schichtarbeit und brauchen Kinderbetreuung nicht von 8 bis 17 Uhr, sondern haben ganz andere Routinen. Viele haben flexible Jobs mit Homeoffice-Möglichkeiten, sind selbstständig oder haben ganz unterschiedliche Phasen, wann innerhalb eines Monats Überstunden nötig sind und wann es ruhige Phasen gibt, in denen man auch einmal einen Nachmittag mit den Kindern verbringen kann.
Arbeit und Kinderbetreuung, genauso wie beispielsweise Arbeit und chronische Krankheiten, müssen neu gedacht und weiterentwickelt werden. Denn nur die Anerkennung von gesellschaftlichen, digitalen und auch Veränderungen am Arbeitsmarkt können dabei helfen, Systeme für Bürger:innen zu schaffen – und nicht Systeme, an die die Bürger:innen sich anpassen müssen. Das ist auch der Grund, warum die Teilzeitfalle für Frauen nur mit einem Ausbau von Kinderbetreuung reduziert werden kann.