Öffnungszeiten der Kindergärten – eine Hürde am Arbeitsmarkt?
Wer keine Betreuung hat, kann nicht arbeiten – so einfach ist die Geschichte. Wie steht es also um die Kinderbetreuung? Und kann der Staat Eltern wirklich Wahlfreiheit bieten?
Wer ein Kind bekommt, ist kurz- oder langfristig nach wie vor verpflichtet, seine Arbeitszeiten zu ändern. Die Rede ist aber nicht von beruflichen Hürden und gläsernen Decken, sondern vom Mangel an Kinderbetreuung. Dabei stellt sich die Frage, was genau man sich unter „guter“ und „ausreichender“ Kinderbetreuung vorstellt.
Aber auch ohne gleich auf diese Qualitäten einzugehen, wird die Debatte schnell eine ideologische. Wer längere Öffnungszeiten will, stellt sich auf die Seite der angeblichen „Rabeneltern“ und wolle demnach doch gar keine intakten Familien haben. Das allerdings in einer Zeit, in der so viele Stellen offen sind, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr und mehrere Branchen nicht mehr vom Fachkräfte-, sondern vom Arbeitskräftemangel sprechen.
Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher hat das einmal recht radikal zusammengefasst und dafür rasch Empörung in sozialen Netzwerken geerntet: „Wenn alle Frauen, die Teilzeit beschäftigt sind, nur ein paar Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir kein Arbeitskräfteproblem mehr“. Ganz so einfach wird es wohl nicht sein, aber klar ist trotzdem: Die mangelnde Kinderbetreuung ist ein Hindernis in der Berufswelt.
Land der Frühaufsteher
Bis dato gilt ein Kindergarten in der Statistik nämlich als „Ganztageskindergarten“, wenn er mindestens sechs Stunden pro Tag geöffnet hat. Bei sechs Stunden Kinderbetreuung pro Tag gibt es aber kaum Elternteile, die eine Arbeitswoche mit 40 Stunden absolvieren können. Berücksichtigt man nun auch noch, dass viele Menschen ja weder Kindergarten noch Berufsstätte im Haus haben, sondern beides Wegzeiten erfordert und zumindest der Weg von Kindergarten zum Arbeitsplatz deshalb ebenso unter die Betreuungszeit im Kindergarten fallen muss, müssten Kinderbetreuungseinrichtungen mehr als 40 Stunden in der Woche geöffnet sein, um sich als „ganztätig“ zu bezeichnen.
Sieht man sich die Öffnungszeiten im Detail an, sieht man, dass ein Großteil der Kindergärten zumindest so früh aufsperrt, dass mit einem durchschnittlichen Arbeitsweg von rund einer halben Stunde ein „normaler“ Arbeitsbeginn um acht Uhr möglich ist. Lediglich Vorarlberg unterschreitet knapp die 70-Prozent-Grenze, in allen anderen Bundesländern öffnen zumindest drei Viertel der Kindergärten bis 7:30 Uhr. Absurd wirken dafür Tirol, Oberösterreich und Kärnten, wo mehr als zehn Prozent aller Kindergärten erst nach neun Uhr öffnen.
Obwohl es natürlich in vielen Fällen nicht die Realität widerspiegelt, würde die Milchmädchenrechnung mit einer bezahlten Mittagspause das Ende des Arbeitstages für 16 Uhr ansetzen, wodurch das Kind mindestens bis 16:30 Uhr im Kindergarten bleiben muss. In der Praxis funktioniert das aber bestenfalls in Wien fast immer – dort haben 99 Prozent der Kindergärten auch noch nach 16 Uhr geöffnet. In Vorarlberg hingegen schließen zwölf Prozent der Kindergärten spätestens um 13 Uhr. Wie sich dort eine volle Berufstätigkeit ausgehen soll, ist unklar.
Schlusslichter in der Statistik
Gerade Oberösterreich, wo nur 39 Prozent der Kindergärten nach 16 Uhr schließen, zeigt aber, wie die Diskussion verläuft. Dort wurden 2018 Gebühren für die Nachmittagsbetreuung eingeführt, drei Monate später waren 3.450 Kinder weniger in Betreuung. Ein Jahr später versuchte die zuständige Landesrätin Christine Haberlander die Situation schöner darzustellen: Der Anteil der berufstätigen Mütter von Kindergartenkindern sei um zwei Prozent angestiegen – nicht berücksichtigt ist dabei, wie viele Kinder im Kindergartenalter tatsächlich einen Kindergarten besuchen. Denn obwohl Haberlander die Möglichkeit eines Kindergartenbesuchs betonte, waren nur 20 Prozent der Kinder in Nachmittagsbetreuung – über die Arbeitstätigkeit der Mütter der übrigen 80 Prozent wurde gar nicht gesprochen.
Genau dieses Muster von ausgesuchten Daten zieht sich durch. In Oberösterreich öffnen zwar viele Kindergärten vor 7:30 Uhr, allerdings haben nur knapp 50 Prozent der Kindergärten acht Stunden oder mehr pro Tag offen – Oberösterreich ist damit gemeinsam mit Tirol (47,1 %) und Vorarlberg (48,9 %) Schlusslicht bei den täglichen Öffnungszeiten.
Diese Öffnungszeiten sind für viele Frauen der entscheidende Punkt dafür, wie lange sie arbeiten können. In Oberösterreich gab es nach Einführung der Gebühr Frauen, die berichteten, dass sie im Schichtbetrieb nicht mehr im gleichen Ausmaß arbeiten konnten. Frauen, die so beispielsweise im Handel nur noch vormittags arbeiteten, berichteten von Nachteilen im Arbeitsalltag. Abseits der Einzelfallberichte zeigt aber auch die Statistik, dass jede zusätzliche Öffnungsstunde im Kindergarten die Vollzeitquote von Frauen in Gemeinden um jeweils einen Prozentpunkt erhöht.
Schließtage: Wer denkt an Schichtarbeit?
Berücksichtigt man nun auch noch die Schließtage, sinkt die Verfügbarkeit weiter. Durchschnittlich stehen Arbeitnehmer:innen 25 Urlaubstage pro Jahr zur Verfügung. Im Idealfall werden diese in einem Betrieb unterschiedlich aufgeteilt, sodass es keine Phasen gibt, in denen viele Mitarbeiter:innen ausfallen. Dennoch kennen wohl viele Menschen aus dem Arbeitsalltag in den Sommerwochen, in denen kaum etwas passiert, die Diskussionen, wann Eltern mit Kindern in welchem Alter bei Urlaubsanträgen priorisiert werden. Immerhin sind Eltern schulpflichtiger Kinder bei ihrer eigenen Urlaubsplanung nicht nur von den Ferien abhängig. Sondern auch davon, dass für die Ferien ein Ersatz für die Kinderbetreuung gesucht werden muss.
Abgestimmte Schließzeiten von Kindergärten sind für Eltern von einem schul- und einem kindergartenpflichtigen Kind praktisch, aber viele Menschen (oder auch Betriebe) würden sich mehr Flexibilität mit den Schließzeiten wünschen. Tatsächlich haben aber 26 Prozent der Kindergärten in Österreich an mehr als 25 Tagen geschlossen – und Eltern damit kaum Freiheit, wie sie sich Urlaubszeiten aussuchen.
Oberösterreich steht auch in dieser Statistik schlechter da als andere Bundesländer: Dort wird in den Sommermonaten aber eine eigene Betreuung über „Saisonkindertagesheime“, also Ferienbetreuung angeboten. In der Steiermark gibt es nur zehn Prozent der Kindergärten, die mehr als fünf Wochen geschlossen haben, dort wird das Angebot zu Schließzeiten über Gemeindekooperationen abgedeckt. Ein Weg, der sicherlich auch im breiten Ausbau gangbar ist. Denn ja, der Kindergarten direkt um die Ecke ist praktisch – aber es kann nicht an jeder Ecke einen Kindergarten geben. Wenn Angebote über Gemeinden hinweg zusammenarbeiten, könnte es mehr Flexibilität geben. Allerdings müsste dafür erst umgedacht werden.
Wo bleibt die Wahlfreiheit?
Vielen Gemeinden scheint noch immer das Verständnis dafür zu fehlen, dass sich ein Kinderbetreuungsangebot wirtschaftlich rentieren kann. Sofern durch die Möglichkeit von Kinderbetreuung in Gemeinden Jobs geschaffen werden, gibt es mehr Einnahmen über Kommunalsteuern. In ländlichen Gegenden könnte damit beispielsweise auch ein Anreiz gesetzt werden, um junge Mediziner:innen in die Praxen zu locken und dem Ärzt:innenmangel entgegen zu wirken.
Dennoch setzen einige Gemeinden nach wie vor auf Betreuung zu Hause und setzen sogar finanzielle Anreize, damit Eltern ihre Kinder nicht in Kindergärten, -krippen oder zu Tagesmüttern geben. Eine Position, die man zwar vertreten kann. Doch um auf die vermiedene ideologische Frage zurückzukommen: Wie sehr solche Modelle Wahlfreiheit garantieren, ist eher fragwürdig.