Putins rechte Propaganda-Achse
Wer in den letzten Jahren weltpolitische Nachrichten konsumiert hat, wird sie kennen: Die Meldungen über „russische Trolle“, über Wahlbeeinflussung und über die „Fake News“, die spätestens seit der Trump-Wahl 2016 den Diskurs beherrschen. Ein Faktor, der dabei immer wieder eine Rolle spielt: Russland. Das Land, das nachgewiesenermaßen in mehreren Wahlkämpfen – z. B. in Deutschland, Frankreich und den USA – mitspielen wollte.
Heute könnte man meinen, die russische Propaganda-Maschinerie stünde in der Tradition der Sowjets. Dabei gab es eine Zeit, in der Russland auf einen Informationskrieg nicht vorbereitet war: die Zeit der Farbrevolutionen. Sie ist entscheidend dafür, warum es die russische Desinformation in der heutigen Form gibt und welche Rolle die rechten Politiker:innen Europas in ihr spielen.
Die Anfänge: Russland verliert einen Infokrieg
Freiheitsbewegungen, die in den nuller Jahren in postsowjetischen Staaten ausbrechen, sind ein Problem für Russland: Hinter dem Einflussverlust wird nicht die mangelnde Attraktivität des russischen Systems vermutet, sondern eine Geheimdienst-Verschwörung aus den USA. Die Unabhängigkeitsbestrebungen und die offene Haltung in Richtung Westen sind Putin ein Dorn im Auge.
So auch in Georgien. Was 2008 im Norden des Landes passiert, könnte an die Situation in der Ukraine erinnern. Jahrelang wurde vermutet, dass Russland einen Angriffskrieg plane. Nachdem schon einige Truppen an der Grenze im Norden stationiert wurden, erkennt Russland Abchasien und Südossetien als eigenständige Staaten an – und startet eine sogenannte „Befreiungsaktion“. Georgische Truppen wehren sich.
Das liefert Putin die Begründung für einen Krieg: Die Annexion von Abchasien und Südossetien startet, man verteidige hier das russische Volk gegen einen aggressiven Akt der georgischen Regierung. Der Krieg dauert nur zehn Tage im August 2008 und endet damit, dass Georgien einen Teil seines Territoriums verliert.
Die internationale Antwort auf den Krieg aber kommt für Russland überraschend: Das russische Narrativ der „russischen Reaktion“ auf den „georgischen Angriff“ wird kaum übernommen. Im Gegenteil wird das Land zu Recht als Aggressor wahrgenommen. Militärisch ist Georgien ein voller Erfolg – aber den Informationskrieg verliert Russland deutlich.
Wie Russland seine Propaganda aufbaut
Nach dem Angriff auf Georgien ist Putin überrascht, dass seine Aggression als solche auch erkannt wurde. In Russland setzen sich zwei Erkenntnisse durch, warum das russische Narrativ sich nicht durchsetzen konnte:
- In westlichen Medien vertreten zu wenige Gesprächspartner:innen den Standpunkt Russlands.
- Es gibt zu wenige internationale Medien, die dezidiert russlandfreundlich berichten – die Macht der staatlichen Sender beschränkt sich zu sehr auf Russland selbst.
In den Folgejahren werden die staatlichen russischen Medien – allen voran RT (früher Russia Today) und Sputnik – immer größer. 2014 erscheint mit RT Deutsch sogar ein eigener Kanal für den DACH-Raum, jedoch mit thematischem Fokus auf Deutschland. In sozialen Netzwerken wachsen sie durch professionell produzierte Videos und Werbung. Diese Reichweite macht die russischen Propagandamedien attraktiv – wer in ihnen vorkommt, hat Zugang zu einer großen Zielgruppe.
Als Reaktion auf den verlorenen Propagandakrieg und den damit verbundenen Reputationsverlust weiß Putin, wo er um Hilfe rufen kann: Bei genau den rechten Politiker:innen, mit denen der Kreml seit Jahren gute Beziehungen aufgebaut hat. Um die angebliche Legitimität seines Angriffskriegs und seines autoritären Regimes zu betonen, braucht Putin Stimmen in Europa, die seine Meinung vertreten. Und die FPÖ liefert:
„Nur wenige Tage nach Inkrafttreten ist der Schaden für die heimische Landwirtschaft bereits eingetreten. Schon muss sich die EU den Kopf darüber zerbrechen, wie die Folgen abgefedert werden können. Anstatt Russland in die Knie zu zwingen, treibt man mit dieser sinnlosen Sanktionspolitik die heimischen Bauern in den Ruin.“
Heinz-Christian Strache in einer Presseaussendung am 10. August 2014
Das Narrativ, das Europas Rechte in den folgenden Monaten und Jahren pushen: Die EU-freundlichen Proteste der Ukraine sind das Resultat einer verfehlten EU-Erweiterungspolitik. Die Maidan-Revolution sei ohnehin von den USA gesteuert, um die russische Einflusssphäre in Osteuropa zu schwächen, und die Ukraine könne und solle kein Teil der EU werden. Die Regierung der Ukraine? Illegitim. Das Referendum auf der Krim und der Anschluss an Russland? Beides legitim. Die Sanktionen? Sinnlos und von den USA und der NATO gesteuert.
Eine Hand wäscht die andere
In diesen Jahren startet das Pingpong-Spiel zwischen russischen Staatsmedien und den rechten Parteien Europas. Der Deal: Russlands Freunde geben höfliche Interviews, in denen sie russlandfreundliche Worte finden und Putin als Vorbild nennen. Im Gegenzug pushen die immer größer werdenden Staats-Outlets wie RT und Sputnik ihre Inhalte an ihr Publikum in europäischen Staaten. Beide Seiten profitieren davon, eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen – finanziert durch russisches Steuergeld, mit dem Ziel, die Europäische Union zu destabilisieren.
Für rechte Politiker:innen in Europa bedeutet das vor allem: Russland hilft ihnen, ihre Karriere aufzubauen. Wer mit provokanten Standpunkten auffallen will – dabei mixen sich „einwanderungskritische“ Kommentare mit prorussischen Statements – findet in der alternativen Medienbubble ein Sprachrohr, das mit Social-Media-Werbung unterstützt die eigene Reichweite steigert. Politiker:innen der zweiten und dritten Reihe können sich als international anerkannte Polit-Profis inszenieren, indem sie manipulierte Wahlergebnisse im russischen Einflussbereich abnicken.
Symbolbild, produziert mit DALL-E 2
Auch die FPÖ spielt bei diesem Spiel mit: Als Russland 2014 völkerrechtswidrig die Krim einnimmt und ein Referendum einsetzt, reisen die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Johannes Hübner dorthin, um das Ergebnis abzusegnen. Derselbe Johannes Hübner, dem in einem geleakten Dokument aus Russland zugerechnet wird, ein Gesetz zur Aufhebung der russischen Sanktionen im Parlament vorzulegen. Auch in den Folgejahren sind FPÖ-Politiker gern gesehene Gäste bei russischen Veranstaltungen. 2016–2018 nehmen mehrere von ihnen am „Yalta International Economic Forum“ auf der Krim teil: Hübner, Axel Kassegger, Barbara Rosenkranz und Detlef Wimmer.
2016, kurz vor der Wiederholung der Bundespräsidentschafts-Stichwahl, unterzeichnete die Partei sogar einen „Fünfjahrespakt“ mit der Putin-Partei Einiges Russland. Bereits legendär ist das Video des FPÖ-Klubdirektors in Innsbruck-Land, der die Bühne von RT nutzen wollte, um über Migration zu schimpfen – aber an der englischen Sprache scheiterte.
Während die Freiheitlichen wie viele andere rechte Politiker:innen Europas von russischen Propagandamedien profitiert haben, bleibt ein anderer Vorteil aus. Anders als in größeren Staaten mit geopolitischer Relevanz, wie Deutschland oder Frankreich, scheint es keine dokumentierte Wahlkampfhilfe aus Russland zu geben. Der ukrainische Autor und Wissenschaftler Anton Shekhovtsov schreibt dazu: „Russian Stakeholders did not try to boost support for the FPÖ, because that would damage Moscow’s relations with the ÖVP and SPÖ, the parties that were historically in good relations with the Kremlin.“
Die andere Seite des Deals hält jedoch bis zum bitteren Ende. Als Strache 2019 über das Ibiza-Video stolpert, in dem er einer angeblichen russischen Oligarchin für den Kauf der Kronen Zeitung die Zusage staatlicher Aufträge in Aussicht stellt, tritt er zurück. Wo er danach sein erstes Interview gibt? Sie ahnen es.