Was wurde eigentlich aus Russia Today?
Am 24. Februar dieses Jahres startete der russische Angriff auf die Ukraine. Einen Monat später – am 24. März – beschloss das Parlament ein Verbot der russischen Propagandamedien, die genau diesen Angriff rechtfertigten. Schon am 2. März wurde ein Ausstrahlungsverbot dieser Medien auf europäischer Ebene beschlossen. Die großen Netzbetreiber A1 und Magenta reagierten schnell mit Netzsperren. So wurde allgemein bekannt, dass die russischen Propagandamedien – die bekanntesten sind RT und Sputnik – verboten wurden.
Das heißt aber nicht, dass die Seite generell offline ist. Für Kund:innen anderer Anbieter ist RT bis heute im Clearweb – also nicht im Darknet, ohne VPN-Zugang und sonstige technische Spielereien – nach wie vor erreichbar und verteilt russische Propaganda an deutschsprachiges Publikum.
Vielen dürfte dabei gar nicht bewusst sein, dass das Medium ein russisches Staatsmedium ist. Nicht umsonst wurde Russia Today schon vor Jahren in RT umbenannt – was sich hinter der Abkürzung verbirgt, wissen viele nicht, die durch soziale Medien erst in den letzten Jahren auf die Seite gekommen sind. Erst ein Blick ins Impressum zeigt, dass die Anschrift der Verantwortlichen in Moskau ist.
Durch das jahrelang eingeübte Pingpong-Spiel zwischen den europäischen Rechtsparteien und der russischen Propaganda ist wenig überraschend, wer auf RT vorkommt: Gelobt wird hauptsächlich die FPÖ, die mit Abstand am meisten zu Wort kommt. Unterstützt wird das nicht nur durch positive Hervorhebungen in Form von Zitaten – sondern auch durch jemanden, der selbst in der Politik war.
Die umtriebige Ex-Außenministerin
Gibt man in der Suchleiste von RT Deutsch „Kneissl“ ein, zeigt sich, dass die von der FPÖ nominierte Ex-Außenministerin gleich doppelt wertvoll für den russischen Propagandakanal ist: Sie liefert nicht nur als Autorin selbst Content, sondern steht auch als vermeintliche Expertin für russlandfreundliche Berichte zur Verfügung.
In ihren Beiträgen für RT schreibt Kneissl oft über sehr allgemeine Themen der internationalen Politik: Inflation, Diplomatie, Völkerrecht. Gleichzeitig liefert sie Headlines, die Russland nützen. Ein klassisches Autoritätsargument: „Die frühere Außenministerin Österreichs analysiert“.
Polarisierung mit Corona-Themen
Aber neben der personellen gibt es auch inhaltliche Überschneidungen zwischen RT und der FPÖ – z.B. beim Thema Corona. Gerade in Zeiten von Lockdowns hat die Debatte um das Coronavirus großes Potenzial, um die Gesellschaft zu spalten. Dazu gehört auch die Diskussion über die Impfpflicht. RT gibt dabei Corona-Kritiker:innen eine Plattform, ohne aber zu offensiv eine eigene Position zu vertreten.
Der Fall des früheren Professors an der MedUni Wien, Andreas Sönnichsen, wird z.B. prominent aufgegriffen – was ungewöhnlich ist, da das russische Staatsmedium generell nur bei sehr wichtigen Anlässen über österreichische Politik schreibt. Hier kommen auch kleine Stimmen zu Wort, solange sie das Narrativ Russlands bedienen. Und das dürfte auch beim Corona-Thema auf die Destabilisierung europäischer Staaten hinauslaufen.
Ebenfalls auffällig: Politiker:innen der FPÖ sind die einzigen, die hier mit „positiven“ Beiträgen zu Wort kommen. Die Berichte von RT betonen immer wieder, die FPÖ sei die einzige Partei, die sich zu gewissen Themen entsprechend positioniere – die Positionen aller anderen Parteien werden meist in einem Absatz davor zusammengefasst.
In einem Artikel zur Einführung der Impfpflicht z.B. erwähnt RT die Freiheitlichen dementsprechend ausführlich:
„Die rechte FPÖ ist als einzige Parlamentspartei gegen den Schritt. FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte: ‚Die Einführung dieses Zwangs ist ein gigantischer Anschlag auf die Freiheit der Menschen in Österreich, ein Attentat auf die Menschenwürde der Bevölkerung.‘“
Während die FPÖ also als einzige Partei für das Thema Freiheit eintrete, werden die Schwächen anderer Parteien betont. Wortmeldungen einzelner SPÖ-Politiker:innen werden entsprechend als „immer mehr führende Sozialdemokraten“ bezeichnet, die sich gegen den Impfpflicht-Kurs wehren würden. Diese Berichte sollen Corona-Leugner:innen und „Skeptische“ gezielt in ihrer Meinung bestätigen.
Verbot russischer Staatsmedien
Diese Strategie zeigt sich noch deutlicher bei einem RT-Bericht zum Verbot russischer Propagandamedien in Österreich. Im ersten Satz werden die Positionen von vier der fünf im Parlament vertretenen Parteien abgehandelt. Danach wird von einer „heftigen Debatte“ gesprochen. Der FPÖ wird ein ganzer Absatz gewidmet.
„Für das Verbot sprachen sich neben ÖVP und Grünen auch SPÖ und NEOS aus. Damit setzt Österreich den entsprechenden Teil der Sanktionen gegen Russland um und untersagt österreichischen Netzanbietern die Ausstrahlung von RT. Das Verbot der Ausstrahlung löste eine heftige Debatte über die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit aus, da sich die FPÖ vehement gegen die entsprechenden Bestimmungen im Gesetz ausgesprochen hatten.
Susanne Fürst und Harald Stefan (beide FPÖ) brandmarkten das Verbot als massive Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit. Stefan sieht im Verbot eine Fortsetzung der Cancel Culture und warnte vor einem ,betreuten Medienkonsum‘ als einer gefährlichen Gratwanderung. Damit befördere man Mythen, Verschwörungstheorien und Misstrauen, gab er zu bedenken. Der Bürger müsse sich seine eigene Meinung bilden, so die FPÖ-Politiker. Sie kritisierten auch die Beschränkung von Medien in Russland und vertraten die Meinung, Österreich stelle sich auf dieselbe Stufe.“
Nun ist logisch, dass diese Medien um ihren Einfluss kämpfen und dementsprechend nicht dafür eintreten werden, dass sie verboten werden. Es zeigt allerdings das Playbook der russischen Staatsmedien sehr gut auf: Die Stimmen der FPÖ werden gezielt verstärkt, alle anderen Parteien werden als eine Art Einheit dargestellt. Dass es auch zwischen der Regierung und den anderen Oppositionsparteien oft genug Dissens gibt, wird völlig ausgeklammert.
RT im Propaganda-Kampf
Das Staatsmedium hat sich mittlerweile auf die politische Lage eingestellt. Unter einer Rubrik „In eigener Sache“ schreibt RT regelmäßig Updates, wie man trotzdem in den Genuss russischer Propaganda kommen kann. Neben diesen methodischen Hacks kommen hier auch politische Kritiker:innen zu Wort, die sich gegen die Sperre aussprechen.
Fürs Erste sieht es aber ohnehin so aus, als wäre RT alive and well. Allen Verboten zum Trotz agiert das Medium immerhin aus Moskau mit dem Auftrag, europäische Staaten zu destabilisieren und kreml-freundliche Stimmen zu verstärken. Es hat nicht den Anschein, als wäre die russische Propaganda so einfach auszuschalten.