Rechnungshof kritisiert Inseratenpolitik der Regierung
In einem neuen Bericht übt der Rechnungshof heftige Kritik daran, wie die Bundesregierung Inserate schaltet und Kampagnen plant. Eine medienpolitische Praxis, die Willkür und versteckte Parteienfinanzierung ermöglicht – und nach wie vor legal ist.
Eines vorneweg: Es ist völlig klar, dass die Ministerien bei gewissen Themen oder zum Beispiel Gesetzesänderungen den Bedarf haben, die Bevölkerung zu informieren. Man denke an die ersten Wochen der Pandemie zurück, als es sehr viele neue Regeln gab. Diese mussten auch über Medienkampagnen so breit wie möglich kommuniziert werden, das ist nachvollziehbar und richtig.
Auch gewisse Awareness-Kampagnen können, wenn sie gut gemacht sind und klar messbare Ziele verfolgen, die auch evaluiert werden, sinnvoll sein. Weitere denkbare Gründe für das Schalten von Inseraten wären zum Beispiel Stellenanzeigen oder Ausschreibungen für gewisse Projekte. Verständlich, dass es dafür Budget zum Erstellen und Schalten der Inserate braucht.
Der Rechnungshof erkennt das Problem
Das große Problem in Österreich ist jedoch, dass die Regierung nicht in erster Linie sinnvolle Medienkampagnen schaltet, die gewisse Ziele verfolgen und evaluiert werden – sondern unkoordiniert und ohne Kommunikationsstrategie Unsummen an Steuergeld in den Medienmarkt pumpt. Der aktuelle Rechnungshofbericht „Kostentransparent bei der Medienarbeit – Bundeskanzleramt, Finanzministerium, Klimaschutzministerium“ (Reihe Bund 2024/4) kommt auf Seite 10 schwarz auf weiß zu folgendem Schluss:
„In keinem der überprüften Ministerien gab es eine – den einzelnen Medienkampagnen bzw. -schaltungen übergeordnete – Kommunikationsstrategie und daher auch keine grundsätzlichen Festlegungen zu Kommunikationszielen, Inhalten, Zielgruppen, Kommunikationskanälen und internen Rollen bzw. Verantwortlichkeiten.“
Ein verheerendes Urteil über den Umgang mit Steuergeld. Es zeigt so eindeutig, was alles schiefläuft, dass es überraschend ist, dass dieser Bericht nicht mehr Aufmerksamkeit in der österreichische Medienlandschaft findet.
Keine Ziele, keine Messung
Man stelle sich vor, dass ein mittelständisches Unternehmen Werbebudgets festlegt und ein Marketingteam bezahlt. Dieses Team verfolgt bei ihrer Medien- und Werbearbeit keine Kommunikationsstrategie und kann weder Kommunikationsziel noch Zielgruppen noch genaue Verantwortlichkeiten gegenüber dem Vorstand vorlegen. Die einzige logische Konsequenz wäre, dass man das Team kündigt und schnellstmöglich dafür sorgt, dass man weiß, was mit den Budgets passiert und welche Ziele mit den geschalteten Medienkampagnen erreicht wurden.
Nicht so in der österreichischen Bundesregierung: Da ändert sich durch so einen Rechnungshofbericht gar nichts, denn die oben erwähnte Praxis wird dort seit mehreren Jahrzehnten gelebt. Zusätzlich hat sich die aktuelle Regierung auch noch ein üppiges Medienbudget von 45 Millionen Euro jährlich per Gesetz selbst verordnet. Dies macht die Regierung mit Abstand zum größten Werbekunden des Landes, mit einem Medienbudget, das pro Kopf sechsmal so hoch ist wie jenes in Deutschland. Auch der Rechnungshof wundert sich über diese willkürliche Summe und hat bis jetzt keine sachlich nachvollziehbare Grundlage für diesen hohen Wert gefunden.
Zusammengefasst: Die Regierung gibt bis zu 45 Millionen Euro im Jahr für Medienkampagnen aus und ist damit der größte Werbekunde des Landes. Es gibt keine Kommunikationsstrategie, und es ist für niemanden ein Problem, dass es nicht nur keine Evaluation gibt, sondern nicht einmal Kommunikationsziele formuliert wurden.
Politisch motivierte Schaltpläne
Ohne Kommunikationsziele und -strategie ist es schwierig festzulegen, warum es sinnvoll ist, zu einem gewissen Zeitpunkt mit einem konkreten Sujet in einem Medium zu werben. Dennoch braucht es auch für die nicht durchdachten Medienkampagnen Schaltpläne, die festlegen, in welchen Medien welches Sujet zu welchem Zeitpunkt wie lang geschaltet wird.
Dafür gibt es Agenturen und Expert:innen, die diese im Sinne der Ziele des Auftraggebers erstellen – was schwierig wird, wenn es keine Ziele gibt. Besonders problematisch wäre es, wenn diese politisch motiviert innerhalb eines Ministeriums im Sinne von parteinahen Medien abgeändert werden, um Steuergeld genau dorthin fließen zu lassen. Leider hat der Rechnungshof sowohl im Bundeskanzleramt als auch im Finanzministerium genau das nachgewiesen:
„Das Bundeskanzleramt änderte – unter Mitwirkung der Stabsstelle Medien – in mehreren Fällen ohne weitere Begründung die von den Agenturen vorgeschlagenen Schaltpläne, auch zugunsten parteinaher Medien.“
So wurde einmal die Wiener Stadtzeitung Falter von der Liste gestrichen und ist um diese indirekte Medienförderung umgefallen, weil dafür das Oberösterreichische Volksblatt – eine Zeitung der ÖVP – in den Schaltplan aufgenommen wurde. In einem anderen Fall wurde die ÖVP-nahe Plattform Exxpress noch durch Intervention des Ministeriums hinzugefügt.
Viele weitere Beispiele finden sich im Rechnungshofbericht zu dieser mehr als fragwürdigen Praxis. Das Thema Inseratenkorruption hat auch in großem Umfang den Ibiza-Untersuchungsausschuss 2020 und 2021 beschäftigt. Auch dort wurde klar, dass es immer wieder Versuche gab, durch gezielte Kampagnen in gewissen Medien die Berichterstattung zu verändern und Steuergeld zu parteinahen Medien zu lenken.
Die Studien des Medienhauses Wien belegen schon seit Jahren, dass der Großteil (ca. 80 Prozent) des Medienbudgets zu den drei großen Boulevardmedien fließen und keine übergeordnete Strategie, wie man für eine bestimmte Kampagne die relevante Zielgruppe erreichen könnte, vorhanden ist. Das hat Auswirkungen auf den Medienmarkt als Ganzes und einzelne Medien, die von den üppigen Töpfen profitieren oder auch bewusst ausgelassen werden. Auch der Medienforscher Andy Kaltenbrunner unterstreicht in einem Interview mit dem Standard:
„Es wird eben nicht nur en detail mit politischen Freundschaftsdiensten, sondern en gros Medienpolitik gemacht, der Markt indirekt reguliert, oft verzerrt. Es wird dabei die Entstehung von Öffentlichkeit und Meinung nach persönlichem und parteipolitischem Geschmack wesentlich beeinflusst. Es mahnt dann sogar der Rechnungshof ausdrücklich im Bericht, dass das nicht sein darf, obwohl das im Kern gar nicht sein Prüfauftrag ist.“
Andy Kaltenbrunner
Was muss sich ändern?
Die einzige positive Entwicklung in der Medienpolitik der letzten Jahre war die längst überfällige Reform des Medientransparenzgesetzes. Dadurch werden ein paar Schlupflöcher und dubiose Praktiken unterbunden. Das Problem der viel zu hohen Ausgaben mit selbstgewählten Fantasiebudgets wurde aber nicht einmal diskutiert – vielmehr bleibt die Regierung der größte Werbekunde des Landes und kann nach wie vor große Kampagnen zu fragwürdigen Themen schalten. Dadurch wird nicht nur der Medienmarkt massiv verzerrt, sondern viele Medien sind dadurch auch abhängig von der Gunst der Ministerien, die festlegen, in welchen Medien wie viel geschaltet wird.
Die Lösungen ergeben sich logisch aus den vorliegenden Problemen:
- Die Ausgaben für Medienkampagnen gehören massiv gesenkt
- Nur wirklich notwendige Kampagnen sollten geschaltet werden – dafür braucht es eine Begründung, messbare Ziele und Evaluierung
- Keine politische Einflussnahme auf Schaltpläne, sondern auf die festgelegte Zielgruppe maßgeschneiderte Schaltpläne
- Nicht notwendige Regierungsinserate vor Wahlen könnten (analog zu Deutschland) verboten werden – dort ist nur „wettbewerbsneutrale Regierungsinformation“ erlaubt (z.B. Hinweise, wann und wie gewählt werden kann)
Und sehr gut zusammengefasst, wie man mit Medienkampagnen umzugehen hätte, hat es auch der Rechnungshof auf Seite 16 in seinem Bericht:
„Bei der Beauftragung von Medienkampagnen bzw. -schaltungen wären das im Medientransparenzgesetz vorgegebene konkrete Informationsbedürfnis der Allgemeinheit wie auch die (verfassungsrechtlich) vorgegebenen Gebarungsgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten. Medienkampagnen bzw. -schaltungen wären nur in jenem Umfang durchzuführen, in dem sie sachlich geboten sind, und nur in jenen Medien zu beauftragen, die nach Maßgabe der Kommunikationsziele und Zielgruppen die effizienteste Kommunikation gewährleisten.“
Schöner kann man die momentanen Missstände nicht beschreiben.