Wie Russlandfreunde Österreich in die Sackgasse manövrierten
Die erfolgreichen Versuche Russlands, vor allem über EU-feindliche Rechtspopulisten, die politischen Systeme Europas zu unterwandern, sind gut dokumentiert. Russland konnte dabei aber nicht nur auf jene bauen, welche Putin als Retter des Abendlands vor Islam, Dekadenz oder der LGBTQ-Bewegung sahen, sondern auch auf eine verklärte Wahrnehmung von Kommunismus und der Sowjetunion sowie den latenten Antiamerikanismus von weiten Teilen der europäischen Linken. Aber vor allem die billigen, fast endlosen Rohstoffe Russlands und lukrative Aufträge ließen, selbst bei besonnenen Politiker:innen wie Merkel, die naive Hoffnung wachsen, man könne Russland und Putin durch wirtschaftliche Integration näher an den Westen und seine Werte bringen.
Während sich Westeuropa nicht gerade mit Ruhm bekleckerte, ist die Art und Weise, wie Österreich in den vergangenen 13 Jahren von großen Teilen der politischen Elite vollkommen bewusst in die fast totale Abhängigkeit von russischem Gas getrieben wurde, nicht weniger als eine bewusste Sabotage unserer Republik und ein kollektives Versagen der politischen Elite.
Die Ausgangslage war ohnehin ungünstig: Gaslieferungen aus Russland begannen für das neutrale Österreich 1968 just zur selben Zeit, als der Warschauer Pakt gerade damit beschäftigt war, im Nachbarland den Prager Frühling zu zerschlagen. Sie blieben trotz des Falls des Eisernen Vorhangs bis ins neue Jahrtausend verlässlich aufrecht. Doch während in den 1970er Jahren noch die Hälfte des Gasverbrauchs durch heimische Gewinnung gedeckt werden konnte, stieg die Nachfrage in allen Sektoren rapide an.
Und Russland konnte sie billig decken. Als es also Anfang 2009, ein paar Monate, nachdem Teile Georgiens von russischen Truppen besetzt wurden, zum ersten Mal seit dem Zahlungsstreit 2005 zu einem Lieferausfall kam, war die Abhängigkeit schon bei etwa 60 Prozent – gegenüber ca. 20 Prozent aus heimischer Produktion. 2009 konnte der Ausfall bei vollen Speichern und in der Finanzkrise schwachen Industrieproduktion weitgehend problemlos verkraftet werden, im selben Jahr wurde von der OMV der Vertrag für die Nabucco-Pipeline unterzeichnet. Erste Warnungen von russischem Gas als geopolitische Waffe wurden zur selben Zeit im In- und Ausland laut. Mit dem richtigen politischen Willen hätte dieses Jahr also der Beginn einer energiepolitischen Wende für Österreich werden können. Stattdessen begann ein Desaster.
Die russland-freundliche OMV
Diversifizierungsversuche bei der Gasversorgung wurden von dem Zeitpunkt an innerhalb der OMV bewusst untergraben. In einem Aufsehen erregenden Interview mit dem Profil schilderte der damalige OMV-Chef Gerhard Roiss, wie Projekte zur Unabhängigkeit von Russland in seiner Amtszeit von 2011 bis 2015 von Teilen des Vorstands und der Politik gezielt verhindert wurden. Projekte wie Nabucco scheiterten genau wie Pläne, die heimische Förderung auszubauen oder Gasfelder in Rumänien zu entwickeln. 2014 besetzte Russland die Krim gegen jedes internationale Recht und löste innerhalb Europas Empörung aus. Sanktionen wurden ausgesprochen, Illusionen begraben. Viele Länder begannen nun mit dem Ausstieg aus russischem Gas.
Nicht so Österreich. Ein paar Wochen darauf empfingen die Wirtschaftskammer und Präsident Heinz Fischer den russischen Präsidenten mit Standing Ovations und sprachen davon, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen.
Ein Jahr später, 2015, wurde Roiss durch den ausgesprochen russlandfreundlichen Rainer Seele ersetzt. Wie kürzlich bekannt wurde: trotz entsprechender Warnungen westlicher Geheimdienste. Seele war zuvor Vorstand der Gazprom-Tochter Wingas und Präsident der deutsch-russischen Handelskammer.
Ein kürzlich bekannt gewordener Chatverlauf des früheren ÖIAG-Aufsichtsratschefs Sigi Wolf spricht davon, dass „St. Petersburg“ (der Sitz der Gazprom-Zentrale) „Rainer S. nominiert“ habe. Ohne Zustimmung des Finanzministeriums wäre das nicht möglich gewesen. Der damalige Minister, Hans Jörg Schelling, wurde später Berater für die Gazprom.
Unter Seele wurden nicht nur umgehend Diversifizierungsversuche eingestellt, sondern es wurde systematisch versucht, die Abhängigkeit von Russland weiter auszubauen. Das wurde mit Kostengründen argumentiert – Kritik wurde beiseitegewischt und vom Eigentümervertreter der Republik, dem Finanzministerium, ignoriert. Es ging so weit, dass die OMV sämtliche Anteile an norwegischen Gasfeldern mit Anteilen an russischen tauschen wollte. So wäre eine Abhängigkeit von beinahe 100 Prozent geschaffen worden – was zum Glück für Österreich am Veto Norwegens scheiterte.
Die pro-russische Regierung
Während Seele die OMV an Russland band, kam 2017 mit der Regierung Kurz I gleichzeitig eine äußerst russlandfreundliche Regierung an die Macht: Die (parteilose, aber von der FPÖ nominierte) Außenministerin Karin Kneissl hatte keine Berührungsängste mit Russland, knickste 2019 bei ihrer Hochzeit vor Putin und landete 2021 beim russischen Ölkonzern Rosneft. Die FPÖ war eine der rechtspopulistischen Parteien, welche willig die Nähe zu Russland suchten und freundschaftliche Beziehungen zu Putins Regime pflegte.
Beispielhaft hierfür ist Johann Gudenus, welcher in Moskau studiert hatte, gute Beziehungen zu zahlreichen Personen des Regimes hatte und sich als Wahlbeobachter bei der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim instrumentalisieren ließ. Seine Begeisterung für russische Oligarchen, deren fragwürdige Milliarden und ihren Einfluss auf die Politik kam bei ihm und seinem Parteichef Heinz-Christian Strache im Zuge der Ibiza-Affäre genauso zum Vorschein wie in den Chats von Kurz-Intimus Thomas Schmid.
2018 unterzeichnete Rainer Seele, im Beisein von Putin und Kurz, die Verlängerung des Gasliefervertrags zwischen Gazprom und OMV bis 2040 – inklusive Take-or-Pay-Klausel. Die Details sind nicht öffentlich – aber die OMV, welche zu einem Drittel im Besitz der Republik Österreich ist und somit eigentlich Garant für die Versorgungssicherheit sein sollte, wurde mit dieser Unterschrift ungeachtet des eigentlichen Gasverbrauchs langfristig und alternativlos um einen mehrstelligen Milliardenbetrag an Russland gebunden.
Innerhalb weniger Jahre wurden Österreich und seine Wirtschaft von einer Clique an Putin-Versteher:innen Russland energiepolitisch vollkommen ausgeliefert. Und die Republik und ihre Institutionen? Die haben zugesehen.