USA: Das Fegefeuer der Republicans
2024 wird in den USA der Präsident gewählt. Während bei den Democrats Amtsinhaber Joe Biden ohne ernsthafte Konkurrenz in den parteiinternen Vorwahlen bestätigt werden dürfte, rittern bei den Republicans neben Donald Trump weitere Kandidat:innen um den Platz auf dem Wahlzettel im November. Große Chancen dürften sie neben dem Platzhirsch Trump nicht haben, doch bieten sie einen Einblick in die Seelenwelt einer der zwei dominierenden Parteien der Weltmacht USA – und wie womöglich ihre Zukunft aussehen wird.
US-amerikanischen Wähler:innen könnte im November 2024 ein Déjà-vu in der Wahlkabine bevorstehen. Zwar ist es noch einige Monate hin, bis es feststehen wird, doch die Chancen stehen gut, dass die Präsidentschaftskandidaten der zwei großen Parteien die selben sein werden, wie bereits 2020 – Joe Biden für die Democrats, Donald Trump für die Republicans.
Bei Joe Biden ist das wenig überraschend, ein amtierender Präsident wird in den parteiinternen Vorwahlen selten herausgefordert. Bei den Republicans sieht es anders aus – neben Donald Trump gibt es noch vier Kandidat:innen, die im November gegen Joe Biden antreten wollen:
- Ron DeSantis: Der Gouverneur Floridas versucht sich als Trump ohne den Ballast von Gerichtsprozessen und erratischen Tweets zu verkaufen. Inhaltlich ist er stramm rechts und auf Linie seines großen Vorbilds. Doch obwohl er seine Wiederwahl in Florida in einem Erdrutschsieg gewann, scheint er bei den parteiinternen Vorwahlen nicht vom Fleck zu kommen.
- Nikki Haley: Sie war Gouverneurin von South Carolina und UNO-Botschafterin unter Donald Trump. Während sie inhaltlich etwas mittiger steht als Trump oder DeSantis, ist sie bei außenpolitischen Fragen eine Republican der alten Schule und will ein militärisch und diplomatisch aktives Amerika in der Welt. Eine Ansicht, die der Parteibasis seit dem isolationistischen Kurs Trumps wenig gefällt.
- Vivek Ramaswamy: Der ehemalige Pharmakonzern-CEO und Investor hat bis jetzt keinerlei politische Erfahrung und ist mit 38 Jahren für das Amt sehr jung. Er ist ein überzeugter Populist, der unter anderem das Wahlalter in den USA auf Mitte 20 erhöhen und keinerlei Geld an die Ukraine mehr zahlen will. Außerdem vertritt Ramaswamy öffentlich Verschwörungstheorien und behauptet, dass der Sturm auf das Kapitol durch Trump-Anhänger:innen am 6. Jänner 2020 vom „Deep State“ vorgetäuscht wurde.
- Chris Christie: Der ehemalige Gouverneur von New Jersey war lange ein Vertrauter Trumps, bis dieser ihn mit Covid ansteckte. Christie starb fast und wurde zu einem der lautesten Kritiker des ehemaligen Präsidenten. Seine Kandidatur nutzt Christie vor allem dazu, Trump und seine autoritären Tendenzen zu entzaubern und die Parteibasis weg vom radikalpopulistischen Kurs unter Trump zu bewegen.
Symbolbild, produziert mit Adobe Firefly AI
Trumps Dominanz in der eigenen Partei
Freilich, die vier Kandidat:innen scheinen wenig Chancen zu haben, Trump in den Vorwahlen die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten abspenstig zu machen. In den aktuellen Umfragen bundesweit ist Trump bei den Vorwahlen mit 61 Prozent der Stimmen haushoher Favorit. DeSantis kommt dabei auf knapp 12, Haley auf 11, Ramaswamy auf 3,5 und Christie auf 3,4 Prozent. Trump ist sich seiner Sache sogar so sicher, dass er an den bisherigen Debatten der Kandidat:innen gar nicht teilgenommen hat. Und offensichtlich funktioniert es.
Nicht nur die Umfragen zeigen das: auch die anderen vier nennenswerten Kandidat:innen haben in den bisherigen Debatten Trump für seine Ansichten und Taten wenig kritisiert, mit der Ausnahme von Chris Christie, der allerdings in den Umfragen nicht wirklich ein starker Kontrahent ist. DeSantis und Haley, die beide von Trump profitiert haben, tun sich schwer, sich vom Erbe dessen Präsidentschaft zu lösen. Und Ramaswamy kopiert Trumps brüske Redensart oft, übersteigert sie sogar gerne in der Jagd nach dem schlagzeilenträchtigen Sager. Doch damit – und damit haben Österreichs große Parteien ÖVP und SPÖ viel Erfahrung – wird der ursprüngliche Populist stärker, nicht schwächer gemacht. Denn die TV-Debatten ohne Trump konnten bis heute nicht eine ernsthafte Erklärung liefern, warum man nicht gleich Trump, den Urvater des neuen amerikanischen Rechtspopulismus, wählen sollte.
Die USA nach Trump – wenn es nach den Republicans geht
Was bei transatlantischen Beobachter:innnen übrig bleibt, ist ein mulmiges Gefühl. Wenn Trump 2024 nicht gewinnen sollte, wäre er über 80. Es ist fraglich, ob er sich dann noch einmal die Strapazen der Vorwahlen und des Wahlkampfs antun würde. Sollte er Präsident werden, ist natürlich alles anders, aber 2028 würde es ein neues Gesicht an der Spitze der Partei brauchen. Und jene Kandidat:innen, die jetzt in den Umfragen am besten hinter ihm liegen, legen nicht nahe, dass die populistische „America first“-Strategie beendet werden würde.
DeSantis, Haley und vor allem Ramaswamy sind inhaltlich über weite Bereiche deckungsgleich, eine wirkliche Abkehr vom Trumpismus sieht anders aus. Für die größte entwickelte Demokratie der Erde sind das keine guten Nachrichten. Denn eine mit dem Autoritarismus liebäugelnde, staatstragende Partei würde die USA als verläßliche Partnerin auf der Weltbühne entzaubern – mehr, als es Trump in den ersten vier Jahren seiner Präsidentschaft schon geschafft hat.
Das systematische Abwerten von demokratischen Institutionen, das Trump gestartet hat, wird also weitergehen. In der Flut der Skandale und Ermittlungen gegen ihn ist es oft schwer, die Übersicht zu behalten. Doch Trump ist offensichtlich nicht demokratisch gesinnt. Er verbreitet immer noch die Lüge, dass die Wahl 2020 gefälscht wurde, um Biden zum Präsidenten zu machen. Er behauptet jetzt bereits, dass die Wahl 2024 auch gefälscht sein wird, sollte er nicht gewinnen. Er will, sollte er gewinnen, seine Amtszeit nutzen um „Rache“ an den Institutionen zu nehmen, den angeblichen „Deep state“ bekämpfen und alle Institutionen der USA mit willigen Gleichgesinnten besetzen. Das ist direkt von der Strategie Orbáns oder Erdogans genommen – allerdings in der aktuell einzig verbliebenen Weltmacht der Erde.
Und auch die anderen jüngeren Kandidat:innen, die nach einer Präsidentschaft Trumps nachrücken wollen, würden diese Strategie weiterführen. Das wäre eine Zerreissprobe für die USA und die Welt. Denn eine ins Autoritäre abgleitende USA würde die gesamte Weltpolitik verändern. Russland und China hätten leichteres Spiel global ihre Interessen durchzusetzen – die EU würde recht alleine die Flagge der Menschenrechte und der Demokratie hochhalten müssen, der Westen wäre massiv geschwächt.
In diesem global so enorm wichtigen Wahljahr 2024 wird es also weise sein, genau auf die USA zu sehen – und zu hoffen, dass die demokratisch gesinnten Kräfte trotz allem die Oberhand gewinnen.