USA: Democrats nach Biden
Für 2024 ist es wohl so gut wie fix: Joe Biden wird noch einmal als Präsidentschaftskandidat für die Democrats antreten. Ein amtierender Präsident wird traditionell nicht ernsthaft in den parteiinternen Vorwahlen herausgefordert. Doch 2028 kann Biden nicht mehr antreten. Wie bei den Republicans stellt sich also auch für die zweite große Partei in den USA die Frage, in welche Zukunft es gehen soll – interne ideologische Gegensätze und Anwärter:innen gibt es genug. Ein Überblick.
Joe Biden hat bei seinem ersten Antreten zur Präsidentschaftswahl 2020 gesagt, er wolle mit seiner Kandidatur für die „Seele Amerikas“ kämpfen, die Demagogie und autoritären Tendenzen Donald Trumps müssten gestoppt werden. Der langgediente Politiker Biden konnte Trump tatsächlich schlagen und heuer, 2024, sieht es ganz so aus, als ob sein Gegner wieder Donald Trump heißen wird. Der Grund, warum Biden fix für die Democrats antritt, hat allerdings nichts mit der Beliebtheit des Präsidenten in der eigenen Partei oder bei den Wähler:innen zu tun – sondern damit, dass Amtsinhaber:innen üblicherweise nicht in den Vorwahlen herausgefordert werden.
Das bedeutet allerdings nicht, dass in der Partei nicht schon über die Zeit nach Biden nachgedacht wird. Vor allem jene Player, die gerne die Führung übernehmen würden, schärfen jetzt schon langsam ihr Profil.
- Gavin Newsom: Der Gouverneur Kaliforniens, des bevölkerungsreichsten Bundesstaats der USA, ist der wohl bekannteste aktive Politiker der Democrats, dem die Lust auf eine größere Rolle nach dem Abgang Joe Bidens nachgesagt wird. Für Aufsehen sorgte im November 2023 sein TV-Duell mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis auf dem rechten Sender FoxNews. Denn normalerweise stellen Gouverneur:innen sich nicht bundesweit übertragenden Diskussionen – außer wenn sie sich eben für ein bundesweites Amt bewerben. Newsom betonte zwar, dass der TV-Auftritt vor allem die Errungenschaften der Regierung Bidens mehr in die Öffentlichkeit bringen sollte, doch brachte es auch ihm persönlich eine Bühne zur Profilierung.
- Gretchen Whitmer: Ebenso Gouverneurin wie Newsom, regiert Whitmer in Michigan, einem wichtigen Swing State. Sie erlangte nationale Berühmtheit, als sie im Februar 2020 die traditionelle Gegenrede der damals oppositionellen Democrats zur Rede zur Lage der Nation von Präsident Trump hielt. Und im Herbst desselben Jahres wurde bekannt, dass eine paramilitärische, rechtsextreme Gruppe die Gouverneurin entführen und die gewählte Bundesstaats-Regierung stürzen wollte.
- Kamala Harris: Die Vizepräsidentin unter Joe Biden ist eine offensichtliche Nachfolgerin, sie trat auch in den Vorwahlen 2020 als Präsidentschaftskandidatin an, konnte allerdings kaum Erfolge erzielen. Was gegen Harris spricht, sind ihre schlechten Beliebtheitswerte. Harris hat bis jetzt ihr Profil als Vizepräsidentin nicht wirklich schärfen können, und sie belastet auch, dass Biden selbst keine hohen Vertrauenswerte hat. Ob sie in den Vorwahlen 2028 eine echte Chance hätte, ist damit fraglich.
- Josh Shapiro: Ein weiterer Gouverneur, der sich Hoffnungen macht, steht dem wichtigen Swing State Pennsylvania vor. Im Unterschied zu Newsom, Whitmer und Harris hat Shapiro noch wenig Bekanntheit außerhalb seines Bundesstaats. Doch er wird, genauso wie Whitmer und Harris, im heurigen Wahlkampf für Biden die Werbetrommel rühren, nicht nur im eigenen Bundesstaat, sondern überall in den USA. Damit könnte er auch das eigene Profil für einen möglichen Antritt 2028 stärken.
Neben diesen vier, die durch ihre (geplanten) Auftritte bereits signalisieren, dass sie die Democrats nach dem Ausscheiden Bidens weiter prägen wollen, gibt es noch andere, die allerdings weder genug interne Macht noch Bekanntheit haben, um jetzt schon wirklich aussichtsreich mitspielen zu können.
Eine Ausnahme ist Hakeem Jeffries, der Vorsitzende der Democrats im Repräsentantenhaus. Der New Yorker ist damit jetzt schon einer der einflussreichsten Player in der Partei neben Joe Biden, allerdings hegen er und seine Partei die Hoffnung, nach den Wahlen im November wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erlangen – und Jeffries soll dann Speaker of the House werden. Es scheint unrealistisch, dass Jeffries dieses Amt aufgeben würde. Es wäre strategisch klüger für die Democrats, auf lange Sicht einen erfahrenen Ansprechpartner für eine:n etwaige:n neue:n Präsident:in im Kongress zu haben.
Symbolbild, produziert mit Adobe Firefly
Abseits der Namen: Wofür stehen die Democrats?
Natürlich können auch andere aufstrebende Akteur:innen in den nächsten vier Jahren bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen auftauchen. Vor allem wenn Joe Biden heuer im November seine Wiederwahl nicht gewinnt, werden sich die Democrats personell und inhaltlich neu aufstellen müssen.
Denn nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden Krieg im Nahen Osten zeigen sich Bruchlinien innerhalb der Partei. Der progressivere und der zentristischere Flügel der Democrats entfernen sich immer mehr voneinander. Vor allem seit 2016, als die Wahl Donald Trumps die Linke in den USA aufrüttelte, engagierten sich immer mehr junge, tendenziell linkere und progressivere Menschen in der Politik – und viele sind inzwischen in den verschiedenen Ebenen der US-Politik Mandatsträger:innen und prägen damit das Gesicht der Democrats mit.
Deshalb gibt es neben den Aushängeschildern Joe Biden und dem Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer – beide weiß und über 70 (Biden sogar über 80) und eher für sanfte, pragmatische Reformen –, auch junge, progressivere People of Colour, wie die Latina Alexandria Ocasio-Cortez oder Maxwell Frost, den jüngsten Abgeordneten im Repräsentantenhaus, der jemals angelobt wurde.
Zwar einigt beide Flügel das Ziel von progressiven Reformen und starken USA, doch wie sie umgesetzt werden sollen und wie radikal Maßnahmen sein können, ohne die Unterstützung der Wähler:innen zu verlieren, ist eine offene Frage. Egal ob der Kampf gegen den Klimawandel, die Etablierung einer allgemeingültigen Gesundheitsversicherung (die es nicht gibt), eine Reform des Waffengesetzes oder die Absicherung von Grundrechten und den Folgen des Rassismus in der Gesellschaft – es gibt keine klare Position, wie man vorgehen soll. Klar ist nur, DASS etwas getan werden muss.
Hier spielt die Besonderheit des politischen Systems der USA mit hinein. Denn nachdem die Abgeordneten im Repräsentantenhaus jeweils in ihren Wahlbezirken in den Bundesstaaten gewählt werden, haben sie oft auch verschiedene Interessen – und sind unterschiedlich mutig bei großen, schwierigen Themen. Denn Abgeordnete wie Ocasio-Cortez kommen aus Wahlbezirken mit verlässlichen, starken Mehrheiten für die Democrats. Hier können „progressivere“ Kandidat:innen eher radikalere Standpunkte formulieren als jene, die in umkämpfteren Wahlkreisen mit mittigeren Positionen punkten müssen. Doch alle diese Abgeordneten und Senator:innen müssen sich dann im Kongress einigen, oft bleibt hier nur ein milder Kompromiss übrig, der beide Seiten nicht wirklich begeistert – und die Positionierung nach außen hin auch nicht leichter macht. Doch ein Thema gibt es, bei dem die Democrats eine klare Linie fahren: die Ablehnung des Trumpismus.
Wie hältst du’s mit dem Populismus?
Vor allem seit Donald Trump die Republicans prägt, müssen sich die Democrats, als die andere Macht im Zweiparteiensystem der USA, mehr und mehr als Partei der Vernunft, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie positionieren. Denn die autoritären Züge Trumps und seiner Partei werden von Wähler:innen der Democrats, Unabhängigen und auch einem Teil der Republicans selbst als Bedrohung für die Nation gesehen.
Trump kündigt im aktuellen Vorwahlkampf seiner Partei an, dass er die USA massiv umbauen will. Seine Lüge, dass Joe Biden 2020 die Wahl eigentlich nicht gewonnen habe, wiederholt er immer noch. Die Democrats halten hier inhaltlich dagegen, doch sie finden noch keine wirklich brauchbare Erzählung für die Bedrohung, die eine zweite Amtszeit eines Präsidenten Trump darstellen würde. Es geht nicht mehr um einen Wettbewerb der Ideen, vielleicht sogar eine Zusammenarbeit im Kongress für das Wohl der Nation, wie es vor einigen Jahrzehnten in der US-Politik noch üblich war. Trump stellt zusammen mit seinen Anhänger:innen in der Partei einen massiven Bruch hin zu einer autoritäreren Richtung dar – und die Democrats müssen erst eine Stimme finden, mit der sie diese Bedrohung klar verständlich ansprechen können.
Denn eines ist sicher: Auch wenn Trump im November 2024 verlieren sollte, und selbst wenn er 2028 nicht wieder antreten sollte – das autoritäre Gift, das er in die Politik gebracht hat, wird bleiben. Und auch die Democrats nach Biden weiter beschäftigen. Ob der eher pragmatische Gavin Newsom oder die progressivere Gretchen Whitmer die Democrats 2028 anführen wird, ist noch nicht absehbar. Doch egal wer es sein wird: Er oder sie wird eine tief gespaltene Partei einen und gleichzeitig die Fackel der Demokratie hochhalten müssen.