Wahl in Kärnten: Schatten unterm Dreiländereck
Am 5. März wird in Kärnten ein neuer Landtag gewählt. Seit die Erben Jörg Haiders 2013 abgewählt wurden, versuchen das Land und die Bevölkerung den Scherbenhaufen der rechtspopulistischen Politik aufzuräumen. Kärnten, ein Bundesland am Treffpunkt dreier Kulturen und Sprachgruppen, hat enormes Potenzial – doch gerade die Epoche Haiders hat tiefe Spuren hinterlassen, die ein Durchstarten immer noch verhindern. In diesem Artikel sollen zwei Aspekte klarer beleuchtet werden.
Die Hypo-Pleite und ihre Nachwehen
In den Nachwehen der Hypo Alpe Adria Pleite wurde viel über die Politik Jörg Haiders geschrieben und gesagt. Wie es sein konnte, dass er ein System aufbauen konnte, in dem er und Parteifreund:innen durch die Hypo über Millionen Euro verfügen konnten – ohne Kontrolle, um damit ihre Regierung zu stützen. Geldzuckerln jeglicher Art, Showprojekte wie das völlig überdimensionierte Wörtherseestadion blendeten die Wähler:innen und stellten die finanzielle Situation des Landes erheblich besser dar, als sie war.
Mit welcher Chuzpe Haider und seine Truppe vorgegangen waren und welche Stimmung sie kultivierten, wird schmerzhaft prägnant in dem Satire-Kärtnerlied „I bin lei a Karntna“ der Kabarettisten Leo Lukas und Simon Pichler dargestellt: „über d’Bank homa olle uns fleißig bedient“, wird da von der Riege im braunen Kärntneranzug gesungen. Die wirtschaftlichen und finanziellen Schäden dieser Episode der Landesgeschichte werden immer noch gefühlt, unter anderem hat Kärnten weiterhin die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Zwar konnte Kärnten in den vergangenen paar Jahren wirtschaftlich aufholen, gerade beim Wirtschaftswachstum, doch der Weg zurück ins Mittelfeld, geschweige denn an die Spitze der Bundesländer in den Wirtschaftsindikatoren wird noch lang dauern. Die Wahl ist hier auch eine Richtungsentscheidung, ob von Seiten der Landesregierung weiterhin die richtigen Schritte für das Comeback der Kärntner Wirtschaft und des Standorts gesetzt werden.
Ein anderes „Erbe“ der Haider-Epoche ist allerdings immer noch nicht überkommen – die Schatten über dem Verhältnis zwischen deutsch- und slowenischsprachigen Kärntner:innen.
Der lange Schatten des Abwehrkampfes
Bereits vor der Amtszeit Jörg Haiders war das Zusammenleben der Volksgruppen in Kärnten von Spannungen geprägt. Seit der Volksabstimmung 1920 über den Verbleib des mehrheitlich Slowenisch sprechenden Südostteils des Landes bei Österreich wurde die Minderheit mit Misstrauen angesehen. Das gipfelte 1972 im Ortstafelsturm, bei dem zweisprachige Ortstafeln, die davor von der Bundesregierung unter Bruno Kreisky mit Unterstützung der Landesregierung unter Hans Sima aufgestellt wurden, niedergerissen, beschossen oder beschmiert wurden. Etwas mehr als zehn Jahre später, mit dem Aufstieg Haiders, wurden diese Spannungen ganz bewusst wieder geschürt.
In Haiders Amtszeit als Landeshauptmann wurde offen damit geworben, dass Kärnten „einsprachig“ werden würde, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs wurden von einem schelmisch grinsenden Haider konterkariert, indem die entsprechenden Tafeln einfach ein paar Meter versetzt und damit „neue“ Schilder wurden. Alles zum Gaudium jener Wählerschaft, die nicht erkannte, was das für das Zusammenleben der Volksgruppen bedeutete: Das Misstrauen von Teilen der deutschsprachigen Bevölkerung wurde geschürt, die Warnung von angeblichen Gebietsansprüchen Sloweniens, sollte die slowenische Sprache gefördert werden, war ein fester Bestandteil der politischen Kommunikation der Landesregierung. Der Schatten des Abwehrkampfes nach der Besetzung Südkärntens nach dem Ersten Weltkrieg wurde gerne für die eigenen politischen Ziele missbraucht.
Diese vergiftete Stimmung ist heute noch zu spüren. Eine im September 2022 veröffentliche Studie im Auftrag des Bundeskanzleramts führt an, dass 55 Prozent der slowenischsprachigen Bevölkerung Kärntens bereits in der Öffentlichkeit dafür kritisiert wurden, Slowenisch zu sprechen. Nur 25 Prozent fühlen sich wohl dabei, in der Öffentlichkeit in ihrer Muttersprache zu sprechen. Und das ist kein Relikt der „finsteren Zeiten“ des Ortstafelsturms. Bei der Altersgruppe bis 29 geben sogar 62 Prozent der Befragten an, bereits kritisiert worden zu sein.
Gleichzeitig steigt laut der Studie die Zahl der Schüler:innen im zweisprachigen Unterricht, weil mehr Eltern die Chancen erkennen, die die Zweisprachigkeit bietet. Für die persönliche Zukunft und die des Landes kann das nur zuträglich sein. Doch eine Aufarbeitung und ein ehrlicher Umgang mit der eigenen Geschichte sind notwendig, damit die Volksgruppen endlich gemeinsam leben können, nicht nur nebeneinander. Denn auch im aktuellen Wahlkampf wird auf das alte Schreckgespenst der Kärntner Rechten nicht verzichtet – die FPÖ warnt vor der „Slowenisierung“ Kärntens. Und noch 2017 blockierte die ÖVP in der Landesregierung die namentliche Nennung der slowenischen Volksgruppe in der neuen Landesverfassung – mit der Rechtfertigung, dass die Bevölkerung eben ein Problem mit dem Begriff hätte.
Das Potenzial ist da
Das Dreiländereck zwischen Kärnten, Slowenien und Italien wird passend durch einen Berg mit dem selben Namen markiert. Zu lange wurden die Chancen der Lage Kärntens an dieser Kultur- und Sprachgrenze nicht erkannt. Die Idee des Alpe-Adria-Raums wurde nicht gepflegt. Es gibt Anzeichen, dass diese alten Denkmuster langsam überkommen werden, doch es ist noch viel zu tun. Kärnten, Slowenien und Friaul-Julisch Venetien sehen sich immer mehr als gemeinsames Gebiet, das zusammenarbeiten soll, um zu wachsen, ohne dabei die kulturellen Eigenheiten zu verlieren. Es bleibt zu wünschen, dass dieser Weg fortgeschritten wird – und dass die Landtagswahl eine Richtungsentscheidung dafür wird.