Wanderwege und Hütten: Bröckelnde Infrastruktur in den Bergen
Die Berge sind ein immer beliebteres Ausflugs- und Tourismusziel. Ein Trend, den die Ausstattung nicht mitmacht. Ein Überblick über die bröckelnde Infrastruktur in unseren Bergen.
Die Zahl jener, die es zum Wandern, zum Klettern, zum Bouldern oder zum Bergsteigen in die Berge zieht, steigt seit Jahren deutlich an. Hat die Pandemie einen kurzen Dämpfer gebracht, ist die Bewegung in den Bergen auch jetzt wieder zu einem Breitensport geworden. 65 Prozent aller Urlauber:innen in Österreich geben beispielsweise an, auch zum Wandern ins Land zu kommen. Doch dem Andrang gegenüber steht immer weniger notwendige Wanderinfrastruktur – denn es wird immer schwieriger, Hüttenwirt:innen zu finden oder die Wanderwege in Schuss zu halten.
Leere Hütten in der Hauptsaison
Auf der Suche nach einem neuen Job? Etwas bei dem man unabhängig ist, viel Frischluft, viel Verantwortung und Kund:innenkontakt? Dafür bieten die alpinen Vereine gerade viele Chancen für die Selbstverwirklichung an – denn die Zahl der nicht bewirtschafteten Berghütten steigt seit Jahren. Es wird für die Vereine immer schwerer, neue Pächter:innen zu finden. Auch populäre Hütten, die gut erschlossen sind, müssen gesperrt bleiben.
Ein Beispiel ist das Gipfelhaus am Dobratsch in Kärnten: Nachdem der alte Hüttenwirt aufgegeben hatte, stand das Haus zwei Monate leer, bis ein neuer Pächter gefunden werden konnte. Auch die populäre Neue Bamberger Hütte in den Kitzbüheler Alpen in Tirol musste fast ein halbes Jahr nach neuen Pächter:innen suchen, nachdem sie seit Ende der Wintersaison nicht bewirtschaftet wurde. Erst mit Anfang August konnte sie wieder aufsperren – ein erklecklicher Teil des Sommergeschäfts war damit schon weggefallen.
Viele Ursachen für Hüttensterben
Die Ursachen für die Probleme beim Erhalt und der Bewirtschaftung der Almhütten sind breit gesät. Eine entscheidende Rolle spielt auch hier der Klimawandel: Die Fundamente einiger hochalpin gelegener Schutzhütten oder Materialseilbahn-Stationen zerbröseln, Zustiege müssen erneuert oder gar mühsam verlegt werden, so beispielsweise bei der Oberwalder Hütte im Glocknergebiet oder der Kürsinger Hütte in der Venedigergruppe. In anderen Fällen sind die Gebäude selbst einfach in die Jahre gekommen, den Vereinen fehlen aber die Mittel zur Sanierung.
„Vor allem in den Nordwest- und Südstaulagen vom Karwendel über Salzburg bis ins Oberösterreichische Alpenvorland genauso wie am Karnischen Kamm von Kärnten bis nach Osttirol bilden sich Hotspots, wo durch vermehrte Wetterextreme auch beachtliche Schäden am Wegenetz entstehen.“
Georg Unterberger, Österreichischer Alpenverein
Dazu kommen die hohen Kosten für die Versorgung – oft durch Helikopterflüge – und nicht zuletzt der Personalmangel. So manche Hütte wird nur noch von den Pächtern oder Pächterinnen ohne oder mit zu wenigen Hilfskräften bewirtschaftet. Das Ergebnis: Die Wirtsleute geben nach einigen Jahren völlig erschöpft auf. Auch eingefleischten Gastronom:innen wird das ohne entsprechendes Personal schnell zu viel – denn neben der Versorgung der Gäste müssen sie auch den Erhalt des Hauses und die An- und Ablieferung von Lebensmitteln, Material und Müll organisieren. Sie müssen die ganze Gastronomie schmeißen, gleichzeitig auch handwerklich begabt sein und sich mit der Technik auskennen.
„Viele Funktionärinnen und Funktionäre der Naturfreunde erbringen beim Hütten- und Wegebau jährlich zigtausende unbezahlte Arbeitsstunden. Ohne diese unentgeltlichen Leistungen wäre die Pflege der alpinen Infrastruktur gar nicht möglich“, erklärt Regina Hrbek, Hüttenreferentin der Naturfreunde. Denn neben der Suche nach Betreiber:innen ist auch der Erhalt der Hütten im Gebirge eine Herausforderung – vor allem finanziell.
„Viele Naturfreunde-Hütten sind 70 bis 110 Jahre alt. Sie liegen oft sehr exponiert und sind das ganze Jahr über extremen Wetterbedingungen ausgesetzt. Dringend notwendige Generalsanierungen gestalten sich oft als sehr aufwendig und kostspielig. Baumaßnahmen in den Bergen sind ca. 2,5-mal teurer als im Tal. Abgesehen davon sind die Kosten für die Erhaltung und den Betrieb der Hütten aufgrund immer strenger werdender Behördenauflagen in den letzten 20 Jahren um rund 40 Prozent gestiegen.“ Zwar schießt auch die Republik teilweise Förderungen für den Erhalt von Hütten bei, doch decken diese nur einen Teil der Kosten ab, und nicht alle Hütten entsprechen den Förderrichtlinien. Die Naturfreunde mussten sogar einen Spendenaufruf starten, um genug Mittel für den Erhalt der Hütten zusammenzubringen.
Immer weniger Wanderwege – trotz mehr Wander:innen
Neben den Hütten ist es auch der Erhalt der Wanderwege, der den Alpinvereinen immer mehr Probleme macht. Zwar steigt die Zahl der Wander:innen jährlich, die Zahl jener, die freiwillig die Wege abgeht, instand hält und Markierungen auffrischt, wird aber kleiner. Die Vereine sind für die Instandhaltung der Wanderwege zuständig – und auf Freiwillige angewiesen. Der Alpenverein, Österreichs größter Alpinverein, hat rund 600 sogenannte Wegwart:innen für den Erhalt der Wege – spricht aber selbst davon, dass mit ihnen die 26.000 Wegkilometer des Alpenvereins immer schwerer erhalten werden können.
„Der Bergtourismus lebt von einem funktionierenden Wege- und Hüttennetz. Unsere Wegewarte kümmern sich um den Erhalt der Wege und eine intakte Wegbeschilderung. Letztendlich darum, dass die Bergbegeisterten möglichst sicher zu ihren Zielen kommen“, erklärt Georg Unterberger, Leiter der Abteilung Hütten, Wege und Kartographie beim Österreichischen Alpenverein in einer Stellungnahme. Auch hier spielt der Klimawandel und die damit steigende Zahl von extremen Wetterereignissen eine Rolle: „Vor allem in den Nordwest- und Südstaulagen vom Karwendel über Salzburg bis ins Oberösterreichische Alpenvorland genauso wie am Karnischen Kamm von Kärnten bis nach Osttirol bilden sich Hotspots, wo durch vermehrte Wetterextreme auch beachtliche Schäden am Wegenetz entstehen.“
Diese beachtlichen Schäden gehen auch ins Geld: Insgesamt beziffert der Alpenverein die Schäden alleine für 2021 auf über eine Viertelmillion Euro, die aus dem Katastrophenfonds für Wege – dessen Volumen über die letzten Jahre bereits vervierfacht wurde – bezuschusst werden mussten.
Auch bei den Naturfreunden, dem zweiten großen Alpinverein, der Wege instand hält, sind höhere Kosten in den vergangenen Jahren spürbar geworden. Um genug Freiwillige für die Kontrollen und Reparaturen zu finden, hat man neue Ideen gefunden, wie Regina Hrbek im Interview erklärt.
Es wird enger auf den Bergen
Die Folgen, dass weniger Wanderwege begehbar sind und entsprechend markiert werden und weniger Hütten bewirtschaftet werden, sind für alle, die Erholung oder Bewegung in den Bergen suchen, spürbar. Aus Sicherheitsgründen dürfen Wege, die nicht entsprechend oft kontrolliert werden, nicht ausgeschrieben oder markiert werden. Damit konzentrieren sich die Besucher:innenströme aber auf immer weniger Wege – die dann auch schneller abgenützt werden und öfter instand gesetzt werden müssen. Was auch wieder mehr Kosten verursacht.
Und weniger offene Hütten bedeuten, dass im Notfall das Netz an Schutzräumen bei Schlechtwetter oder als Ausgangspunkt für Rettungsaktionen dünner wird. Wander:innen müssen sich der geänderten Rahmenbedingungen bewusst sein: Es wird enger auf den Bergen.