Regina Hrbek: „Es wird immer schwieriger, die alpine Infrastruktur zu erhalten“
Wie steht es um den Erhalt der Wanderinfrastruktur in den Bergen? Und welche Rolle spielt der Klimawandel dort bereits? Ein Gespräch mit Regina Hrbek, Abteilungsleiterin für die Bereiche Natur, Umweltschutz und Hüttenmanagement der Naturfreunde Österreich über die Arbeit der alpinen Vereine.
Der Klimawandel macht auch vor dem Alpenraum nicht halt. Gerade Hütten sind in den Bergen exponiert. Wie schwierig ist es, die Berginfrastruktur zu erhalten?
Es wird immer schwieriger, die alpine Infrastruktur zu erhalten. Die alpinen Vereine, wie die Naturfreunde, bekommen zwar Förderungen für den Erhalt der Hütten, aber diese sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen viele Eigenmittel zuschießen und rufen auch zu Spenden auf, weil die Hüttenerhaltung nur mit den Fördermitteln des Bundes nicht möglich ist.
Da sprechen wir also gar nicht davon, den weiteren Betrieb zu sichern, sondern um den Erhalt der Gebäude?
Genau! Wir müssen auch baulich viel adaptieren, damit die Hütten offen bleiben dürfen. Die Behördenauflagen etwa in puncto Hygiene sind in den letzten Jahren gestiegen. Die entsprechenden Anpassungs- und Sanierungsmaßnahmen sind in den Bergen jedoch viel kostspieliger als im Tal. Das nötige Material muss zu den oft exponiert liegenden Hütten transportiert werden, im teuersten Fall per Hubschrauber. Die Sanierung und der Umbau von Hütten sind also eine große Herausforderung; die Kosten für einen Umbau in alpinen Lagen liegen gleich einmal bei einer Million Euro. Und nicht alle Sanierungen werden gefördert: Von den 135 Hütten der Naturfreunde Österreich sind nur 62 förderwürdig, die anderen Hütten und Häuser müssen wir selbst instand halten.
Welche Voraussetzung muss eine Hütte erfüllen, damit sie förderwürdig ist?
Da gibt es genaue Kriterien, etwa die Seehöhe. Förderwürdige Hütten dürfen nicht mit dem öffentlichen Individualverkehr erreichbar sein und müssen in einer gewissen Entfernung von Parkplätzen oder Aufstiegshilfen stehen.
Also es gibt schon ein grundsätzliches Problembewusstsein vonseiten der öffentlichen Hand, aber man ist sich nicht der Größe dieser Herausforderung bewusst?
Das Bewusstsein ist da, unsere Ansprechpartnerinnen und -partner im Ministerium leisten großartige Arbeit. Aber es ist nicht mehr Geld da, und die alpinen Vereine müssen selbst den Rest finanziell stemmen und kreativ werden. Das ist allerdings nicht einfach. Die Naturfreunde haben einen aufrechten Beschluss, dass sie keine Schutzhütten verkaufen möchten. Aber es ist jetzt schon ersichtlich, dass dieser Beschluss nicht zu halten sein wird.
Neben dem Erhalt der Hütten ist auch die Suche nach passenden Pächtern für die Hütten ein Problem?
Die Suche nach Hüttenwirtinnen und -wirten ist nicht einfach. Dennoch haben wir aktuell das Glück, fast immer Nachfolgerinnen bzw. Nachfolger zu finden. Aber so schnell wie im Tal geht das nicht. Die Suche braucht schon ein paar Monate, es ist nicht so, dass die Hüttenwirtinnen und -wirte Schlange stehen.
Aber wir müssen auch hier vorausdenken und auch andere Konzepte erarbeiten. In Salzburg haben wir zwei Hütten, die anders betrieben werden: Eine wird bereits seit drei Jahren als Selbstversorgerhütte geführt, weil eben keine Wirtin bzw. kein Wirt gefunden werden konnte. Diese Hütte ist mit einer Küche ausgestattet, in der die Gäste alle nötigen Kochutensilien sowie Grundprodukte, Fertiggerichte und Getränke vorfinden. Die Gäste können also selbst kochen, und bevor sie die Hütte verlassen, schreiben sie auf, was sie konsumiert haben, und hinterlassen das Geld in einer Kassa. Hier gilt also das Vertrauensprinzip, was sehr gut funktioniert. Natürlich sieht jemand von der für die Hütte verantwortlichen Ortsgruppe regelmäßig nach dem Rechten. Das Konzept ist jedenfalls sehr gut aufgegangen.
Bei der anderen Hütte versuchen wir es mit Hüttenwirtinnen und -wirten auf Zeit: Die Naturfreunde Salzburg suchen interessierte Mitglieder, die eine Woche in der Hütte bleiben − kostenlos mit bis zu vier Personen − und in dieser Zeit auf die Hütte schauen; sie kontrollieren die An- und Abreisen und können − wenn sie wollen − freiwillig kleine Speisen anbieten. Sie haben quasi eine Hütte für sich, müssen aber in der Früh und am Abend darauf schauen, dass alles passt.
Neben Hütten zählen auch die Wanderwege und Klettersteige, die die Berge erschließen, zur alpinen Infrastruktur. Deren Instandhaltung und Kontrolle sind an die alpinen Vereine ausgelagert. Ist es da nach wie vor einfach, genug Freiwillige zu finden, die die Kontrollgänge absolvieren und Wege sanieren?
In manchen Naturfreunde-Ortsgruppen übernimmt die nächste Generation diese Tätigkeiten. Doch es gibt auch Ortsgruppen, in denen das nicht klappt. Wir versuchen dann, dass ihre Wege von der jeweiligen Gemeinde betreut werden, was nicht immer gelingt. Werden Wanderwege nicht ausgeschildert und betreut, verfällt das Begehungsrecht. Das wollen wir natürlich verhindern.
Wir versuchen auch, neue Wege zu erschließen, was aber einen enormen Arbeits- und Geldaufwand bedeutet. Auch durch den Klimawandel wird der Erhalt von Wegen sehr erschwert.
Die Naturfreunde Wien haben eine Notfallgruppe von rund 15 Personen initiiert, deren Mitglieder zwei, drei Mal pro Jahr im Laufe einer Woche oder auch tageweise Wege erschließen oder sanieren sowie Ortsgruppen bei der Wegebetreuung unter die Arme greifen. Das funktioniert ganz gut. Für solche Projekte auf Zeit findet man immer Interessierte.
Wird die Anzahl der Wanderwege unterm Strich größer oder kleiner?
Die Anzahl der Wege in Österreich ist in Summe bisher gleich geblieben. Die alpinen Vereine haben vereinbart, dass sie einander darüber informieren, falls ein Weg aufgelassen werden muss, weil man im eigenen Verein niemanden mehr für die Betreuung findet. Man fragt dann bei den anderen Vereinen nach, ob die Betreuung des gefährdeten Wegs übernommen werden kann. Damit kommen wir aktuell gut zurecht.
Sie haben den Klimawandel als Faktor beim Erhalt der Wege und Hütten erwähnt. Wie sehr ist die globale Erwärmung eine Belastung für die alpine Infrastruktur?
Wir hatten oberhalb von Kaprun eine Hütte, die wir aufgeben mussten, weil der Permafrost zu stark aufgetaut war. Aber ganz allgemein: Durch Naturkatastrophen, die klimawandelbedingt immer mehr zunehmen, ist der Erhalt der Wege und Hütten schwieriger geworden. Windwürfe, Starkregenereignisse mit Steinschlag und Murenabgänge belasten die alpine Infrastruktur massiv.
Was sollte sich ändern, um die Berge weiter sicher und begehbar zu halten?
Am Berg soll man sich wertschätzend begegnen und bewegen. Ich wünsche mir aber auch eine Wertschätzung der Arbeit, die sehr viele Menschen in den Bergen ehrenamtlich leisten, etwa im Wegebereich. Für die Wegeerhaltung wäre auch mehr Geld von der öffentlichen Hand wünschenswert. Denn für die alpinen Vereine wird es immer schwieriger, das wanderbare Österreich zu erhalten.