Wer rettet den Regenwald? Die normative Macht der Handelsabkommen
Das Handelsabkommen Mercosur wird oft als „Regenwaldkiller“ verteufelt. Doch der Regenwald stirbt jetzt – ohne Abkommen. Was kann ihn retten? Am ehesten ein Abkommen, das Brasilien Anreize gibt, ihn zu erhalten.
Das Mercosur-Handelsabkommen soll die Europäische Union und die vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay näher aneinander heranrücken. Wirtschaftlich ist das Abkommen ein großer Wurf für Europa, weil die vier Südamerikaner westliche Technologie und Know-how brauchen, und Europa mit dem Abkommen klare Wettbewerbsvorteile gegenüber den USA oder China hätte. Im Gegenzug müsste Europa Rohstoffe kaufen, die ohnehin bereits über den Atlantik fließen, und in der Landwirtschaft ein wenig weiter öffnen.
Mercosur und der Klimaschutz
Das Pariser Klimaabkommen ist bereits im EU-Mercosur-Abkommen festgeschrieben – allerdings obliegt es den Mitgliedstaaten, für sich selbst zu bestimmen, wie sie die Klimaziele erreichen wollen. Das Handelsabkommen kann aber bindende Umsetzungsrichtlinien festschreiben. So müsste sich Brasilien z. B. verpflichten, keine weitere Regenwaldrodung zuzulassen. Im Falle einer Verletzung dieser Klausel würden Exporte brasilianischer Fleischprodukte und Soja in die anderen Abkommensstaaten sofort ausgesetzt. (Die europäischen Partner, die ihrerseits seit Jahrhunderten ihre Wälder gerodet haben und nun Brasilien verbieten, es ihnen gleichzutun, müssten möglicherweise im Gegenzug andere Zugeständnisse machen.)
Zusätzlich könnte das Abkommen vorsehen, dass Brasilien sich ab einem bestimmten Wert an BIP von X $ pro Kopf verpflichtet, mit gezielter Regenwaldaufforstung (nach dem Vorbild Costa Ricas) zu beginnen und im Gegenzug das Rindfleischexportkontingent nach Europa um Y Prozent erhöht wird.
Für alle EU- und Mercosur-Staaten gilt das gleiche Prinzip: Sie müssen ihre Implementierung des Pariser Klimaabkommens in für das Handelsabkommen relevanten Sektoren spezifizieren und mittels Handelssanktionen durchsetzbar machen. Auf diese Weise wird dem zahnlosen Prinzip des Pariser Abkommens durch einen Handelsvertrag ein durchsetzbares Implementationsprinzip hinzugefügt.
Österreich ist dagegen
Trotzdem liegt Mercosur auf Eis. Zwei mächtige Lobbys legen sich quer: Umwelt und Agrobusiness. Die einen sagen, Mercosur würde den Regenwald zerstören, die anderen, mehr Importe aus Südamerika würde ihren Profiten schaden. Insofern ist es nicht überraschend, dass die Bundesregierung für Österreich als einziges EU-Land ein Veto gegen Mercosur eingelegt hat.
Dabei schielt man wohl vor allem auf die Landwirte – und das, obwohl die Rindfleischimporte aus Südamerika minimal sind und auch weiterhin einem Kontingent unterliegen würden. Es drängt sich der Verdacht des Protektionismus aus innenpolitischen Überlegungen auf.
Komplizierter ist die Sache im Umwelt-Bereich: Der von der EU-Kommission ausgehandelte Vertragstext sieht Regenwaldschutz vor, die Sanktionen sind aber schwach. Die Kommission will nachverhandeln, die Grünen aber lehnen jeden Text ab, Egal welcher Regenwaldschutz sich letztendlich dort findet.
Der Regenwald stirbt heute. Wie viele Bäume werden wir retten, wenn wir so weitermachen wie bisher? Die großen Regenwaldkiller sind Soja und – zu einem geringeren Ausmaß – Rinderzucht. Soja ist derzeit nicht geregelt und nicht kontingentiert. Ohne Abkommen, das anderweitige Regeln festschreibt, kann Brasilien also weitermachen wie gehabt.
Markt macht Marktmacht
Bei den Rindern sind brasilianische Großschlachtereien nicht nur willig, sondern aktiv für eine Auszeichnungspflicht für Rinder mittels Ohrchips. Damit könnten sie endlich die auf illegalen Schlägerungen gezüchteten Rinder aus der Lieferkette eliminieren. Das Problem ist nur: Die Regierung des rechtsgerichteten Jair Bolsonaro will davon nichts hören. Es wird also alles so weitergehen wie bisher: Soja aus dem Amazonas wird nach Europa verschifft werden, um hier in der Landwirtschaft verfüttert zu werden. Rinder werden ebenfalls weiterhin im Amazonas gezüchtet. Und der Regenwald verliert weiter Fläche.
Die EU ist keine Militärmacht. Sie ist keine politische Macht. Was die EU mächtig macht, ist ihre Marktmacht: Knappe 450 Millionen meist wohlsituierte Konsument:innen sind ein Anreiz für jeden Exporteur. Ein deutlich verbesserter Marktzugang im Gegenzug für kontrollierbaren Regenwaldschutz wäre ein Anreiz für Brasilien. Lobbying in diese Richtung vonseiten brasilianischer Agrarriesen belegt, dass ein nachverhandelter Mercosur-Vertrag mit einem harten Sanktionsregime eine bessere Chance für nachhaltigen Regenwaldschutz wäre als Ablehnung aus dem Bauch heraus.