Worum es in der „Causa PRIKRAF“ geht
Mangelnde Transparenz, Vorwurf der Bestechlichkeit, Reformforderungen. Das könnte sowohl das Gesundheitssystem als auch österreichische Politik in ihrer Gesamtheit beschreiben. Wer wo welche Interessen hat, wie Geldflüsse gesteuert oder erklärt werden, bleibt oft unklar. In der „Causa PRIKRAF“ hat das dazu geführt, dass von Korruption die Rede war, obwohl es zunächst keine Anhaltspunkte oder Nachweise dafür gab. Aber was genau ist der PRIKRAF – der Privatkrankenanstaltenfinanzierungsfonds – eigentlich und wer hätte wen wie bestechen wollen?
Österreichs Krankenhäuser sind nicht nur öffentliche Spitäler der Bundesländer oder von anderen Trägern, sondern wie mit Privatärzten gibt es auch bei Krankenhäusern eine eigene Nische außerhalb der öffentlichen Finanzierung. Diese Spitäler sind auf Profit ausgerichtet, bieten dafür größere (Einzel-)Zimmer, kürzere Wartezeiten für Eingriffe und werben oft mit „umfassendem Service“ oder „erstklassiger Küche“. Die ideale Mischung aus medizinischer Betreuung und Hotel für diejenigen, die es sich leisten können und wollen.
Fonds: Ein beliebtes Mittel zur Intransparenz
Nachdem nur wenige Menschen ohne guten Grund ins Krankenhaus gehen, sondern eher aus Zeitnot oder Bequemlichkeit das Privatspital vorziehen, entlasten auch die privaten Häuser das öffentliche Gesundheitssystem. Deshalb wurde 2002 der sogenannte PRIKRAF gegründet. Mit ihm sollen Ausgleichszahlung für die Aufgaben, die das öffentliche System sich so erspart, abgewickelt werden. Leider hat der PRIKRAF aber einige Konstruktionsfehler.
Die Republik hat viele Konstrukte, wie Projekte über Fonds abgewickelt werden. Diese Fonds haben eine eigene Rechtspersönlichkeit, für das Parlament gibt es nur ein eingeschränktes Fragerecht und im Budget ist auch nicht ersichtlich, was genau die Fonds mit dem verfügbaren Geld machen. Beim PRIKRAF weiß man aber wenigstens, welche Krankenhäuser diese öffentliche Leistungsabgeltung erhalten: Die bekommt nämlich nicht jedes Krankenhaus, es handelt sich vielmehr um eine ausgewählte Runde von Kliniken, die im PRIKRAF-Gesetz aufgeführt sind. Diese Liste wird nur sehr selten geändert – und genau das führte zur sogenannten „Causa PRIKRAF“.
Korruptionsskandal mit Freispruch
Was ist passiert? 2016 spendet der Betreiber der Privatklinik Währing der FPÖ 12.000 Euro und bittet um Aufnahme in dieses Gesetz – seine Privatklinik soll also auch öffentliche Gelder erhalten. Und per Antrag der FPÖ kommt es auch zu dieser Gesetzesänderung. Im Zuge der Ibiza-Untersuchungen wurde allerdings ein Chatverlauf zwischen Heinz-Christian Strache und dem Betreiber der Privatklinik öffentlich, in dem es eben um diese Gesetzesänderung ging. Keine gute Optik – die zu einer Anklage führte, die wiederum im August 2021 zu einer Verurteilung Straches wegen Bestechlichkeit führte.
Es folgen: Zuerst Einspruch, dann Urteilsaufhebung, dann ein Freispruch wegen Verfahrensmängeln. Im März 2023 erklärt die WKStA, dass sie auf weitere Verfolgung verzichtet. So viel zum Korruptionsvorwurf gegen den Klinikbetreiber und Strache. Das Ende dieses Verfahrens bedeutet aber noch lange nicht, dass der PRIKRAF selbst nicht reformbedürftig wäre.
Die Fehler im Design des PRIKRAF
Der PRIKFAF entspricht schon aus seiner Gründungsgeschichte heraus nicht dem idealen Gesetzeskonstrukt: 1997 schlossen Wirtschaftskammer und der Hauptverband der Sozialversicherungen einen Vertrag, wie die Versicherungsträger einen Teil der Kosten an Privatkrankenhäuser ersetzen können. Um diesen Prozess zu standardisieren, wurde 2002 ein eigenes Gesetz erlassen. Allerdings ohne Begutachtungsprozess – und damit eher als politische Hauruck-Aktion.
Das Gesetz regelt auch die Besetzung der Fondskommission, die den Interessenausgleich zwischen den Beteiligten herstellen sollte. In dem Gremium sitzen zwei Mitglieder des Ministeriums, ein Vertreter der Länder, drei der Sozialversicherung und fünf Mitglieder der Wirtschaftskammer. Der Rechnungshof sieht darin wohl nicht unberechtigterweise einen gewissen Überhang bei Wirtschaftsvertreter:innen. Erschwerend kommt hinzu, dass drei dieser für die Privatversicherung Uniqa arbeiten. Theoretisch kein Problem – allerdings erhalten Krankenhäuser, die von der Uniqa betrieben werden, mehr als ein Drittel der Fondsmittel. Ein Interessenkonflikt?
Das „Machtkartell“ der ÖVP
Ja, sagt besagter Betreiber der Privatklinik Währing, und nennt den PRIKRAF ein „Machtkartell“ der ÖVP. Der PRIKRAF selbst ist von politischen Spielchen aber unbeeindruckt. Wer derartige Besetzungen und auch Bezieherkreise – also die Liste besagter Krankenhäuser – im Gesetz verankert stehen hat, muss sich nicht unbedingt vor Veränderung fürchten. Zu oft bleiben Gesetze einfach, wie sie sind. Die Liste der Krankenhäuser wurde in den letzten zwanzig Jahren nur dreimal reformiert. Zum Zeitpunkt der Rechnungshofprüfung waren sieben Krankenhäuser nur mehr am Papier Mitglied und existierten gar nicht mehr. Aber auch Teile, die nicht im Gesetz stehen, ändern sich nur sehr langsam. Wie besagte Fondskommission, welche seit gut 17 Jahren unverändert ist. Eine Beschränkung der Funktionsperiode gibt es nämlich nicht.
Kurzum: Es sitzen seit fast 20 Jahren die gleichen Personen, die potenziell eher die Interessen der Empfänger als der Zahlenden vertreten, in einem Gremium und kontrollieren einen Empfängerkreis, für den es keine objektiv nachvollziehbaren Kriterien gibt. Wer im PRIKRAF drinnen ist und wer nicht, hat nicht unbedingt eine nachvollziehbare Faktenbasis. Sagen zumindest Gesetz und Rechnungshof. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sehen anders aus.
Wer bezahlt wird, schafft an
Das ist auch bei den Auszahlungsmodalitäten so. Krankenhäuser müssen manche Eingriffe oft genug durchführen, damit noch von nachgewiesener Qualität gesprochen werden kann. Wer nur einmal im Jahr eine komplexe Gehirnoperation durchführt, wird schwieriger das gewünschte Resultat erzielen. Beim PRIKRAF scheint es aber egal zu sein, ob die Mindestzahlen eingehalten werden oder nicht: Die Pauschalbeträge werden auch dann ausgezahlt, wenn keine Leistungen erbracht werden. Kontrollen dürften generell kein wichtiges Thema sein. Wie viele Prüfärzte es gibt, deren Anstellungsverhältnisse und was sie machen, war für den Rechnungshof nicht ganz ersichtlich und ernstzunehmende Kontrollen dürften auch nur alle paar Jahre erfolgen.
Andererseits wurde auch eher wahllos entschieden, wie viel Geld dafür zur Verfügung steht. Bei der Errichtung des PRIKRAF wurde eine Milliarde Schilling als Budget festgelegt, dabei blieb es lange. Mit der Zusammenlegung der Versicherungsträger wurde auch deren Beitrag an den PRIKRAF massiv erhöht – mittlerweile liegt das Budget bei rund 150 Millionen Euro. Allerdings ist diese Summe nicht von den Leistungen der Krankenhäuser abhängig oder wird davon beeinflusst. Dazu kommt, dass nicht alle PRIKRAF-Krankenhäuser über den PRIKRAF abrechnen, manche haben Direktverträge mit Versicherungsträgern und bekommen nur für Pflegeleistungen Zuschüsse daraus.
Die Vielfalt der Verrechnungsmodalitäten erklärt wohl auch, warum manche Häuser nur 3.000 Euro pro Jahr aus dem PRIKRAF bekommen, andere dafür knapp 17 Millionen. Faktenbasierte Ableitungen über deren Leistungen sind damit auch nicht möglich. Was es umso spannender macht, dass manche Bundesländer PRIKRAF-Krankenhäuser in ihren Versorgungsstrukturen miterfassen – und damit als genauso versorgungsrelevant bewerten wie öffentliche Krankenhäuser.
Reformbedarf
Wie im gesamten Gesundheitsbereich mangelt es also an Überblick und Datentransparenz, einheitlichen Berechnungsgrundlagen, unabhängiger Kontrolle und der Vergleichbarkeit mit anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Der Reformbedarf ist also mehr als ersichtlich, und kurzzeitig haben die Gerichtsverfahren auch zu Diskussionen darüber geführt.
Passiert ist allerdings nichts, zugehörige Anträge wurden im Parlament vertagt und mit der Zeit vergessen. Auch der Rechnungshofbericht wurde vergangene Legislaturperiode nicht mehr im Nationalrat diskutiert. Übrig bleibt nur die Hoffnung, dass sich die nächste Regierung an die Probleme mit dem PRIKRAF erinnert und eine Reform angeht. Vorschläge, wie diese aussehen kann, gibt es ja zumindest genug. Welche davon jetzt aber wirklich auf die Liste kommen könnten, weiß wohl noch niemand.