Zu klein für Betreuung
Wie lange Eltern bei ihren Kindern zu Hause bleiben können oder sollen – das ist eine ideologische Frage. Aber egal, wie man dazu steht: Nach spätestens zwei Jahren kann in der Regel nur noch daheim bleiben, wer es sich auch wirklich leisten kann. Für viele beginnt die Suche nach Kinderbetreuung oft schon früher, und diese Suche ist oftmals zermürbend.
In Niederösterreich dürfen Kinder z. B. erst mit 2,5 Jahren in den Kindergarten. Für mindestens ein halbes Jahr muss also eine Überbrückung gefunden werden. In den 573 niederösterreichischen Gemeinden gibt es laut Statistik Austria aber nur 187 Einrichtungen für Kinder unter drei Jahren. Genau diese Betreuung für unter Dreijährige ist aber eine große Baustelle.
Die Barcelona-Ziele
2002 einigte man sich in der EU auf die sogenannten Barcelona-Ziele, denen zufolge zumindest für 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsangebot zur Verfügung stehen muss. Eine große Herausforderung für Österreich – immerhin dümpelte die österreichische Quote zu diesem Zeitpunkt bei rund zehn Prozent.
Betrachtet man die Zahlen im Zeitverlauf, kann man schon eindeutig von Verbesserungen sprechen. Das Ziel ist allerdings immer noch weit entfernt. Der Anstieg dieser Quote hat sich in den letzten Jahren verlangsamt, man scheint auf der Stelle zu treten – das führt auch zu einer Blockadehaltung Österreichs bei Weiterentwicklungen. So ist die Position des Familienministeriums zum EU-Vorhabensbericht über eine Anhebung der Barcelona-Ziele klar formuliert:
„Eine Anhebung der Barcelona-Ziele wird erst dann als zielführend erachtet, wenn alle Mitgliedstaaten die bestehenden Ziele weitestgehend erreicht haben und Evidenzen für einen darüber hinaus gehenden Bedarf vorliegen.“
Nachdem Österreich das Ziel eben nicht erreicht, bietet sich hier ein Vergleich an. Ein aktueller Vergleich der EU-Staaten nach den Barcelona-Zielen lässt sich allerdings nur schwer finden, die Betreuungsquote von unter Zweijährigen findet sich dagegen bei der OECD auch in einer halbwegs aktuellen Version:
Logischerweise ist diese Quote dadurch niedriger als die Barcelonaquote. Es zeigt sich aber doch sehr klar, dass das österreichische Angebot weit hinter anderen Ländern herhinkt. Die Argumentation des Familienministeriums ist allerdings nur bedingt schlüssig.
Angebot und Nachfrage – offene Kausalitäten
Immerhin zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass der Bedarf nicht im Vorhinein erhoben wird, sondern dass Eltern ihren Bedarf am vorhandenen Angebot ausrichten. So führte beispielsweise die Einführung einer Gebühr in Oberösterreich dazu, dass weniger Kinder in Betreuung geschickt wurden – stattdessen reduzierten Frauen ihre Arbeitsstunden oder beendeten ihre Tätigkeit ganz. Genau das sollte aber nicht das Ziel sein.
Wenn individuelle und flexible Karenzzeiten möglich sein sollen, muss die nötige Kinderbetreuung dafür auch zur Verfügung stehen. In Österreich gibt es aber nur halb so viele Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige wie für über Dreijährige. Noch extremer ist der Vergleich bei der Anzahl der Kinder: Die Anzahl der Kinder unter drei Jahren in Betreuung beträgt nur ein Fünftel der Anzahl der Kinder über drei Jahren.
Zumindest das vorhandene Angebot sieht in den oberflächlichen Statistiken halbwegs in Ordnung aus: Krippen haben weniger geschlossene Wochen als Kindergärten, im Bundesschnitt haben knapp drei Viertel der Einrichtungen mehr als acht Stunden pro Tag geöffnet und ebenso im Bundesschnitt haben auch knapp zwei Drittel bis nach 16 Uhr geöffnet.
Allerdings sagen all diese Zahlen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit kaum etwas aus. Sich beim Ausbau auf die Barcelona-Ziele zu berufen und sich keine neuen, höheren Ziele zu stecken, wird also auf lange Sicht nichts an dem stagnierenden Ausbau ändern. Und genau hier muss mit mehr Ehrgeiz an die Frage der Kinderbetreuung herangegangen werden. Andernfalls werden wohl weiterhin viele Frauen in der Teilzeitfalle stecken bleiben.